Altländer Viertel in Stade: Mietersorgen nach Eigentümerwechsel
jd/ank.Stade. "Was bedeutet das für uns Mieter?", fragt sich Kathrin M.* und blickt sorgenvoll zu dem Brief auf ihrem Couchtisch. In dem Schrei-ben wird ihr mitgeteilt, dass ihre Wohnung einen neuen Eigentümer hat. Die alleinerziehende Mutter wohnt im Altländer Viertel in Stade - in dem langgezogenen Mietshaus an der Jorker Straße, das von den Stadern als "langer Jammer" bezeichnet wird. Die Bezeichnung "lang" erklärt sich von selbst - und jämmerlich ist der Anblick tatsächlich, wenn man vor dem in die Jahre gekommenen Wohnblock mit der heruntergekommenen Fassade steht, an dem die Farbe von den Balkonen blättert und sich die Müllberge davor stapeln.
Der "lange Jammer" ist mitsamt zwei benachbarten Objekten an die Deutsche Invest Immobilien GmbH (DII) verkauft worden. Die DII mit Sitz im hessischen Wiesbaden agiert bundesweit und erwirbt nach eigenen Angaben vorzugsweise sanierungsbedürftige Altbauten aus den sechziger und siebziger Jahren, um sie zu modernisieren und so deren Wert zu steigern.
Das Geschäftsprinzip ist simpel: Die DII nimmt eine energetische Sanierung vor, wodurch die Nebenkosten für die Mieter sinken. Im Gegenzug wird die Kaltmiete angehoben. Schließlich geht es - wie bei jedem Unternehmen in der freien Wirtschaft - um Rendite. Einer der DII-Manager erklärte es mal so: "Was wir investieren, wollen wir über eine angemessen erhöhte Miete wiedererhalten."
Doch was bedeutet angemessen? Genau das beunruhigt Kathrin M. Für ihre 68 Quadratmeter große Wohnung, die sie selbst mit erheblichem eigenen Aufwand renoviert hat, zahlt sie derzeit 469 Euro kalt. Das entspricht einem Quadratmeterpreis von nicht einmal 7 Euro. So günstig lässt sich in Stade nur im Altländer Viertel wohnen. "Es ist sehr schwierig, überhaupt eine bezahlbare Wohnung zu finden", so die Hartz-4-Empfängerin, die von ihren Nachbarn weiß, dass diese ähnliche Sorgen haben.
Derlei Befürchtungen versucht die DII immer wieder zu entkräften. Das Unternehmen sichert moderate Mieterhöhungen nach einer Sanierung zu: So wird die Erhöhung der Netto-Kaltmiete für einen Zeitraum von drei Jahren auf 1,80 Euro gedeckelt. Das hat die DII in einer Sozialcharta festgelegt. "Im Rahmen dieser Sozialcharta verpflichten wir uns zu sozialen Standards im Umgang mit unseren Mietern", erklärt DII-Marketingreferentin Katja Müller auf WOCHENBLATT-Anfrage.
Diese Charta besagt auch, dass Senioren und Personen mit geringem Einkommen unter einem besonderen Schutz stehen. So sollen Mieter, die 70 Jahre oder älter sind, eine lebenslange Wohngarantie erhalten. Wer nicht in der Lage ist, nach einer Sanierung die höhere Miete zu zahlen, dem soll durch Umzug in eine kleinere Wohnung oder einen Teilerlass der Mieterhöhung der Verbleib in der Wohnanlage ermöglicht werden.
Welche Sanierungsmaßnahmen die DII jetzt konkret bei den angekauften Mietshäusern im Altländer Viertel umsetzen will, dazu hüllt sich Müller vorerst in Schweigen. Die Fragen des WOCHENBLATT ließ sie unbeantwortet - mit dem Hinweis, dass erst noch ein Konzept erarbeitet und beschlossen werden müsse.
Mehr weiß offenbar der neue Hausmeister. "Hier wird bald alles eingerüstet sein", erzählt der stämmige Mann, während er dabei ist, die Müllhaufen vor dem Haus in der Jorker Straße zu beseitigen. Schließlich wolle der neue Eigentümer bis Ende Mai die Renovierungsarbeiten abgeschlossen haben.
Dass noch in diesem Jahr Sanierungsmaßnahmen anstehen, be-stätigt auch Stades Stadtbaurat Lars Kolk. Die Stadt habe mit der DII einen städtebaulichen Vertrag geschlossen, in dem sich das Unternehmen verpflichtet, eine energetische Sanierung vorzunehmen. Angefasst werden sollen die Fassade mit den Balkonen, die Hauseingänge, die Dächer und die Treppenhäuser.
Die vereinbarten Sanierungsmaßnahmen seien Voraussetzung dafür gewesen, dass die Stadt dem Eigentümerwechsel zugestimmt habe, so Kolk. Da sich die Häuser in einem offiziellen Sanierungsgebiet befinden, besitze die Stadt bei einem Verkauf ein Mitspracherecht.
Für das Altländer Viertel stellt die geplante Sanierung des "langen Jammers" eine Aufwertung dar. Vielleicht findet sich dann auch ein schönerer Spitzname für den "langen Jammer".
* Name v.d. Red. geändert
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