Edle Silberarbeit soll Torarolle zieren
Auftrag für Stader Goldschmiedin: Erster in Deutschland gefertigter Tora-Schmuck seit der Nazi-Zeit
jd. Stade/München. Erstmals seit der Nazi-Herrschaft wird in Deutschland wieder Tora-Schmuck hergestellt - von zwei jungen Goldschmiedinnen. Eine davon lebt und arbeitet in Stade: Theresa Maria Tyroller ist jetzt für 14 Tage in ihre bayerische Heimat zurückgekehrt, um dort zwei Rimonim anzufertigen. Das sind röhrenförmige Aufsätze, die auf die beiden Holzstäbe einer Torarolle aufgesteckt werden - als wertvolle Zierde für ein ganz besonderes Schriftstück. Denn die Tora ist für die Juden das von Gott gegebene Wort, in ihr ist die Geschichte des Volkes Israel von der Schöpfung bis zur Ansiedlung im gelobten Land niedergeschrieben.
Den Auftrag für den Tora-Schmuck hat Tyroller, die beim traditionsreichen Stader Juweliergeschäft Hahn arbeitet, vom Jüdischen Museum in München erhalten. In der bayerischen Landeshauptstadt befindet sich auch die Meisterschule für Gold- und Silberschmiede, die die 28-Jährige im vergangenen Jahr erfolgreich absolviert hat. An der Schule lief ein Wettbewerb, den eine jüdische Gemeinde ausgeschrieben hatte. Zwar erhielt eine Mitschülerin den Zuschlag. Doch das Jüdische Museum wurde auf Tyrollers Entwurf aufmerksam. Das Modell besteht aus versilbertem Messing, die außergewöhnliche Auftragsarbeit führt die Goldschmiedemeisterin nun in Feinsilber aus.
"Silber ist ein wundervolles Material. Es hat einen schönen Glanz und lässt sich gut bearbeiten", schwärmt Tyroller, die für ihren Traumjob den Beruf als Lehrerin an den Nagel gehängt hat. Auch ihr Meisterstück hat sie aus diesem Edelmetall gefertigt: ein fein ziselierter Halsreif in maritimer Optik. Mittels Punzen hat sie Wellen und Wogen in das Silber getrieben. "Der Silberreif bringt meine Liebe zur See und zur Küste zum Ausdruck", sagt die gebürtige Bayerin, die im September 2021 nach Stade gezogen ist. An ihren ersten Tag in der Hansestadt kann sie sich noch gut erinnern: "Zur Begrüßung gab es Windböen und Sprühregen."
Am Montag ging es nun für zwei Wochen zurück nach München. Tyroller hat damit begonnen, aus Silberblechen die Tüllen zu formen. "Zu einem Rimonim gehört typischerweise auch eine Klangkugel", erläutert die Goldschmiedin. So wird ein sanfter Klang erzeugt, wenn die Torarolle feierlich zum Lesepult getragen wird. Die Kugel versinnbildlicht dabei einen Granatapfel, denn das ist die Bedeutung des hebräischen Wortes Rimonim. Tyroller gibt unumwunden zu: "Mit den religiösen Riten in einer Synagoge und jüdischen Gebräuchen habe ich mich vorher nie befasst." Erst im Rahmen des Wettbewerbs sei sie tiefer in die Welt des Judentums eingetaucht.
Ihrer Arbeit hat Tyroller den Titel "Zwei Gewalten" gegeben. Diese beiden Elemente spiegeln sich in dem Werkstück wider: Wie eine kleine Spirale schrauben sich eine mattierte und eine glänzende, mit Hammerschlägen versehene Seite nach oben, um zunächst auseinanderzulaufen und sich dann an der Spitze zu vereinigen. "Das soll Deutschland und das Judentum symbolisieren", erklärt Tyroller. "Was jahrhundertelang miteinander verwoben war, wurde durch die Nazis brutal auseinandergerissen. Nun fügt sich beides allmählich wieder zusammen, allem rechten Gedankengut zum Trotz."
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