Betreuungsdienste und Politik nehmen Stellung
Bingo-Frust und Kuchen-Ärger bei Stader Seniorinnen
Bingo spielen macht den Seniorinnen aus Stade, die sich regelmäßig in gemütlicher Runde im Café "Schöne Zeit" in der Stader Altstadt einfinden, derzeit nur noch halb so viel Spaß. Grund für den Unmut der alten Damen ist die Streichung des zweiten wöchentlichen Bingo-Termins in der Senioren-Begegnungsstätte. Was bei ihnen für weiteren Frust sorgt: Es wird auch kein Kuchen mehr gereicht. Die Seniorinnen sind hochgradig verärgert über das Verhalten der Stader Betreuungsdienste. Der städtische Pflegedienst betreibt das Café und organisiert Angebote wie Bingo-Nachmittage und Spieletreffen. In der Ausgabe vom vergangenen Samstag kamen die Seniorinnen zu Wort (der Artikel ist hier online nachzulesen: bitte klicken). Hier folgt jetzt die Sichtweise der Stader Betreuungsdienste.
Die Streichung des zweiten Bingo-Termins erfolgte nach Angaben von Betreuungsdienste-Geschäftsführerin Katharina Goedicke aus Kostengründen. Für den Bingo-Nachmittag beschäftigen die Betreuungsdienste eine Minijobberin. Eine zweite Kraft habe gekündigt, so Goedicke: "Diese Stelle kann aus wirtschaftlichen Gründen nicht nachbesetzt werden." Sollte weiterhin ein zweiter Bingo-Termin gewünscht werden, müsste die Gruppe das selbst organisieren: "Selbstverständlich können sich die Seniorinnen und Senioren auch ein zweites Mal zum Bingo und zwecks anderer Aktivitäten oder Zusammenkünfte treffen", erklärt die Geschäftsführerin. Sie verweist auf andere Gruppen, die sich im Café "Schöne Zeit" treffen und unter ehrenamtlicher Regie laufen - wie beispielsweise den Computerclub für Senioren.
Seniorinnen sollen selber backen
Dabei spricht Goedicke auch das Thema Kuchen an: Diese selbstorganisierten Gruppen würden schließlich auch "ihren eigenen Kuchen mitbringen". Meist werde dann reihum gebacken. Das heißt: Die Betreuungsdienste werden keinen Kuchen mehr bereitstellen. Goedicke betont in diesem Zusammenhang, dass die Betreuungsdienste bereits für sämtliche laufenden Kosten bei den bereitgestellten Räumlichkeiten aufkommen. Die Finanzierung erfolge ausschließlich aus selbst erwirtschafteten Mitteln. Doch das erforderliche Geld sei "in der Pflege leider mehr denn je schwieriger zu erwirtschaften".
Die Lösung aus Goedickes Sicht: Ehrenamtliche kümmern sich um Bingo-Nachmittag und Spieletreffen sowie um das Kuchenbacken. Schließlich sei das Café in seinen Ursprüngen eine "ehrenamtlich begleitete" Senioren-Begegnungsstätte. Gerne würde man die Angebote für die Senioren wieder ausweiten. Das gehe aber nur mit Unterstützung freiwilliger Helfer.
• Jetzt ist ein Gespräch mit den Seniorinnen aus der Bingo-Gruppe angesetzt. Ob sich dann eine Lösung abzeichnet, bleibt abzuwarten.
Das sagt die Stader Politik zum Bingo-Ärger
Wie steht die Stader Politik zu den Kürzungen beim Angebot für Senioren im Café "Schöne Zeit"? Das WOCHENBLATT hat zu dem Thema die Vorsitzenden (oder aus Urlaubsgründen deren Stellvertreter) der Fraktionen im Stader Rat befragt. Hier ihre Statements in der Reihenfolge des Eingangs in der Redaktion:
Kai Holm, SPD:
Ich sehe es grundsätzlich als unverzichtbar städtische Aufgabe, für sinnvolle und gute Seniorenbetreuung zu sorgen. Wenn diese bewährten Angebote bereits durch den Wegfall einer Minijobberin infrage gestellt werden, gibt es mangels Rückfallpostion offenbar gravierende systemische Mängel. Unsere Betreuungsdienste sind städtische Tochter und können sich an Aufsichtsrat sowie Ratsmitglieder wenden, wenn Defizite finanzieller oder anderer Art auftreten. Dann suchen wir gemeinsam nach Lösungen, Leistungseinschränken sind zu vermeiden. Teilnehmende an Computerkursen oder anderen Aktivitäten mögen mobil genug für Eigenlösungen sein. Für Seniorengruppen mit hohem Altersschnitt ist weder Selbstorganisation noch der Ruf nach ohnehin schon überforderten Ehrenamtsprinzip zielführend, hier sind wir gesellschaftspolitisch mehr schuldig. FSJ’ler, Minijobber oder Bufdi’s sollten schnellstens gesucht werden, Finanzierung und Anstellung ist notfalls von Seiten der Stadt zu schultern. Gleiches gilt auch für die Bereitstellung von Kaffee und Kuchen. Wenn Querfinanzierung aufgrund gestiegener Pflegekosten nicht weiter möglich ist, braucht es Alternativen. Leisten wir uns in der Frage bitte keinen Offenbarungseid, das können Stadt, Rat und Betreuungsdienste besser.
Robert Gahde, Grüne:
Das Café "Schöne Zeit" in der Poststraße steht seit Jahrzehnten älteren Menschen in Stade als Treffpunkt zur Verfügung und leistet damit einen wichtigen Beitrag gegen die Vereinsamung im Alter. Eine älter werdende Gesellschaft braucht mehr solcher Begegnungsorte in allen Stadtteilen.
Die Enttäuschung der Seniorinnen und Senioren darüber, dass ihre Spielenachmittage nicht mehr in der gewohnten Form und Häufigkeit stattfinden, ist menschlich zu verstehen. Deshalb ist es gut, dass jetzt ein Treffen zwischen den Stader Betreuungsdiensten und den Teilnehmern stattfinden soll, um wieder aufeinander zuzugehen und in einem lösungsorientierten Gespräch zu klären, was möglich ist. Dabei ist es keine Zumutung, den Seniorinnen und Senioren mehr Mitverantwortung zu übertragen und auch auf ehrenamtliche Mitarbeit zu setzen, wenn die Stader Betreuungsdienste die bisherigen Angebote nicht mehr in vollem Umfang leisten können. Ganz im Gegenteil: Solche aktive Beteiligung und Mitwirkungsmöglichkeiten schaffen Verbundenheit und Sinnstiftung. Nur hätte ein erklärendes Gespräch wohl besser früher stattgefunden.
Daniel Friedl, CDU:
Die CDU-Fraktion begrüßt grundsätzlich jede Art von Veranstaltungen für Senioren, denn es ist uns ein großes Anliegen, dass die Bedürfnisse und Wünsche der älteren Generation in unserer Stadt einen wichtigen Stellenwert haben. Um so mehr bedauern wir es, wenn solche Angebote aus personellen Gründen eingeschränkt werden müssen. Der Rückgang an Mitarbeitern durch Kündigungen stellt zweifellos eine Herausforderung in der heutigen Zeit dar. Ehrenamtliches Engagement könnte hier eine wertvolle Lösung bieten, um weiterhin ein vielfältiges Angebot für unsere älteren Mitbürger zu gewährleisten. Jede Möglichkeit zum Angebotserhalt oder neue Angebote für Senioren sehen wir positiv.
Aufgrund der Sommerferien konnten wir die Hintergründe der aktuellen Situation im Café "Schöne Zeit" nicht vollständig ermitteln. Nach der Sommerpause werden wir dieses Thema im Aufsichtsrat ansprechen und nach möglichen Lösungen suchen. Wir setzen große Hoffnung auf das angekündigte Gespräch zwischen den Seniorinnen und den Betreuungsdiensten, in dem hoffentlich tragfähige Lösungen gefunden werden.
Hendrik Deede, FDP/UBLS:
Nachdem die Stader Betreuungsdienste den Umzug nach Riensförde vollzogen hat, bin ich froh, dass das Café "Schöne Zeit" noch erhalten geblieben ist. Der komplette Sitz der Stader Betreuungsdienste hat damals die Innenstadt verlassen und der Aufsichtsrat hat sich für eine Erhaltung des Seniorentreffs starkgemacht, damit ein Anlaufpunkt in der Innenstadt erhalten bleibt.
Deshalb bin ich auch der Meinung, dass wenn sich beide Parteien an einen Tisch setzen, hier eine Lösung gefunden wird. Diese wird aber um ehrenamtliche Unterstützung nicht herum kommen. Die Stader Betreuungsdienste stellen die Räumlichkeiten (Miete, Strom und Heizung), was angesichts steigender Kosten eine tolle Sache ist. Ich denke, mit ehrenamtlicher Unterstützung und Unterstützung der Küche der Stader Betreuungsdienste sollte sich hier etwas regeln lassen.
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