Das Geschäft mit dem Tod
Über Sterbehilfe wird heiß diskutiert / Was denken Menschen, die sich täglich mit dem Tod beschäftigen?
(lt). Obwohl er jeden von uns früher oder später ereilt, sprechen die meisten Menschen nicht gern über den Tod. Heiß diskutiert wird dagegen in Deutschland derzeit ein Gesetzesentwurf von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) zum Verbot der gewerblichen Sterbehilfe.
Weil sich die Koalition nicht einigen kann, ob nur die kommerzielle Beihilfe zum Freitod verboten werden soll oder jede organisierte Form von Sterbehilfe, soll das Gesetz nun doch nicht – wie bisher geplant – Ende Januar beschlossen werden.
Wie denken Menschen in der Region, die sich täglich mit dem Tod und dem Sterben auseinandersetzen, über das geplante Gesetz? Das WOCHENBLATT hat nachgefragt:
Dr. Thomas Kück, Superintendent aus Stade: "Beim Sterben aktiv zu helfen, ist nicht der richtige Weg. Die Begleitung beim Sterben ist die Aufgabe. Pflege, Schmerztherapie, Besuche und auch Seelsorge können dabei helfen. Grundsätzlich begrüße ich eine klare gesetzliche Regelung, denn die bisherige Lage lässt viele Grauzonen. Unsere Gesetze sollten das Leben fördern, aber keine Sterbehilfe erlauben."
Peter Johannsen, Geschäftsführer des Hospiz' Nordheide in Buchholz: "Dass eine gewerbsmäßige Beihilfe zur Selbsttötung unter Strafe gestellt wird, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Ich kann mich aber nicht gleichzeitig für den Hospizgedanken stark machen und einen Gesetzesentwurf unterstützen, bei dem ein nicht gewerbsmäßig Handelnder straffrei bleibt.
Wir erleben immer wieder, dass sich Menschen in bestimmten Lebensumständen und mit Ängsten den Tod wünschen. Verzweifelte Menschen brauchen Hilfe und keine Legalisierung der Beihilfe zum Suizid. Der Wert des Lebens wird durch dieses Gesetz geschmälert!"
Karl Neuwöhner, Psychologe am Zentrum f. Palliativmedizin der Klinik Dr. Hancken in Stade: "Meine Erfahrung zeigt, dass die Patienten sich zwar ein würdiges Sterben ohne Schmerzen wünschen, und dass sie auch niemandem zur Last fallen wollen. Nur ganz wenige wollen aber den Todeszeitpunkt selbst bestimmen.
Häufig steht der Wunsch zu Sterben unter dem Schock einer Krebsdiagnose. Erfahren die Patienten, dass sie mit einer unheilbaren Krankheit auch bis zum letzten Tag in Würde leben können, verschwindet der Wunsch sehr bald.
Eine gewerbliche oder organisierte Beihilfe zur Selbsttötung muss verboten werden, weil die "Kunden" oder "Mitglieder" überwiegend unter denen geworben werden, die durch eine schwere Diagnose verunsichert sind. Die gesellschaftlichen Probleme im Umgang mit Krankheit, Leid und Tod werden durch die Werbung für einen eleganten Suizid ja nicht gelöst, sondern eher zementiert."
Peter Görlich, Präsidiumsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) aus Buxtehude: "Ich finde eine gewerbsmäßige Förderung der Selbsttötung auch verwerflich, aber dem Selbstbestimmungsrecht der Menschen bis zu ihrem Lebensende wird mit dem diskutierten Gesetz nicht Genüge getan. Ein Verbot der gewerbsmäßigen und vielleicht sogar der organisierten Sterbehilfe ist lebensfremd, solange es Ärzten nicht erlaubt wird, unter Wahrung ihrer Gewissensfreiheit bei einem Suizid zu assistierten.
Die DGHS fordert seit Jahren eine gesetzliche Regelung, unter welchen Umständen Sterbehilfe gewährt werden darf und regt die Schaffung von halbstaatlichen Suizidberatungsstellen an. Darüber sollte die Politik jetzt sprechen.“
• In Deutschland ist Beihilfe zum Suizid grundsätzlich nicht strafbar, wenn der Helfer zwar das Mittel zur Selbsttötung bereitstellt, die Person, die sterben möchte, es aber selbst einnimmt. Das Gleiche gilt für den "gerechtfertigten Behandlungsabbruch" (früher als "passive Sterbehilfe" bezeichnet) sowie die indirekte Sterbehilfe (in Kauf genommene Beschleunigung des Todes als Nebenwirkung einer Medikamentengabe).
Die Tötung auf Verlangen (aktive Sterbehilfe) ist dagegen strafbar und wird mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren geahndet.
Aktive Sterbehilfe ist weltweit nur in den Niederlanden, Belgien, Luxemburg und im US-Bundesstaat Oregon erlaubt.
Redakteur:Lena Stehr |
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