Ein paar Container und viele Paletten
Das WOCHENBLATT auf Stippvisite beim "Ankerplatz" in Stade
Im Juli 2022 wurden die ersten beiden Container auf dem Platz Am Sande in Stade aufgestellt. Ziel ist es, den tristen Platz zwischen Kreishaus, Gerichtsgebäuden und Fußgängerzone mit Leben zu füllen - als ein Ort der kreativen Ideen und eine Stätte der Begegnung. In das Projekt rund um die Idee, ausgediente Container für unterschiedliche Verwendungszwecke aufzustellen, fließen städtische Gelder, öffentliche Fördermittel und Zuwendungen von dritter Seite - wie etwa Preise bei Wettbewerben (siehe linker Meldungstext). Insgesamt geht es am Ende um einen Betrag im mittleren sechsstelligen Bereich. Worin ist das Geld bisher investiert worden? Das WOCHENBLATT schaute sich nach einem Jahr "Ankerplatz" dort mal um.
Die auffälligste Neuerung ist die große Palettenlounge, die vor rund einem Monat im Rahmen eines Mitmachprojektes entstanden ist. Die tribünenartige Lounge mit mehreren Etagen zum Sitzen ist mit Fördermitteln aus dem Zukunftspaket des Bundes realisiert worden. Eine Urlauberfamilie, die sich auf den wenig sehenswerten Platz verirrt hat, nutzt gerade die Sitzgelegenheit für eine kleine Verschnaufpause beim Sightseeing, als der WOCHENBLATT-Reporter vorbeischaut. Für diesen Zweck dürfte es reichen. Doch bequem geht anders. Das gilt noch mehr für die "Enzis", sogenannte Stadt- oder Hofmöbel, die aus Wien stammen.
"Urban Gardening" in vier Holzkisten?
Auch von "Urban Gardening" ist beim "Ankerplatz"-Projekt die Rede. Tatsächlich findet sich ein wenig Grünzeug in zwei etwas größeren Kisten. Das sollen offenbar die vom Verein angepriesenen "Klimakisten" sein. Im Grunde sind es zwei simple Kräuterkisten, bei denen einige Pflanzen gut und gern mal wieder einen Schwung Wasser vertragen könnten. Ganz am Rande des Platzes stößt man auf zwei weitere, allerdings recht spärlich bepflanzte Kisten.
Rätsel geben ein Stück weiter mehrere graue Plastik-Behälter auf. Sollen sie ebenfalls bepflanzt werden? Ihre Funktion lässt sich vor Ort jedenfalls nicht erschließen. Auch der Sinn und Zweck der vier kleinen Container nebenan bleibt unklar. Ist einer davon der "Next Generation"- Jugendcontainer, der eines der zentralen Projekte des "Ankerplatzes" werden soll? Die Frage bleibt unbeantwortet, alle vier Container sind verschlossen.
Dafür gibt es aber rund um die Uhr Getränke. Ein Automat bietet allerlei süße Durstlöscher mit reichlich Zucker an. Recht robust wirkt daneben der Tischkicker. Halbstarke dürften sich daran die Zähne ausbeißen. Stattdessen könnten sich potenzielle Randalierer womöglich bei den zahlreichen Resten der Paletten-Bauaktion bedienen. Es liegen genügend Holzpaletten herum, um damit bösen Unfug zu treiben. Insgesamt wirkt die gesamte Seite zum Kreishaus hin ziemlich unaufgeräumt und unansehnlich.
Anspruch und Realität klaffen noch auseinander
Fazit des Ortstermins: Verglichen mit dem hippen Auftritt der "Ankerplatz"-Macher auf ihrer Homepage mit maritimen Sprüchen, frischer Optik und großen Ideen hinkt die Realität hinter dem Anspruch her. Auf dem Platz Am Sande ist noch jede Menge Luft nach oben, bis daraus - wie auf der Internetseite versprochen - "ein einzigartiger, spannender Ort in der Innenstadt" wird. Die im Online-Auftritt beschriebene Funktion der einzelnen Container ist derzeit noch Wunsch statt Wirklichkeit. Selbst der bereits aufgestellte Spiel-Container mitsamt Rutsche scheint im Moment nicht nutzbar zu sein. Gerade beklagt sich eine verärgerte Mutter, dass der Container abgeschlossen ist. Ihr Kleiner hätte sich doch so auf das Rutschen gefreut.
Beim Thema "Urban Gardening" sollte sich das Ankerplatz-Team mal in anderen Städten umschauen, was dort gemacht wird. Ein Beispiel ist Lübeck: In der Hansestadt werden ebenfalls Pflanzkisten für die Gestaltung eines Platzes genutzt. Dort hat man daraus aber gleich einen ganzen "Kisten-Park" geschaffen - mit Sitzgelegenheiten, die zum Teil mit Sonnensegeln versehen sind. Das wirkt allemal lebendiger als schnöde Stahlcontainer und stellt eine grüne Oase inmitten der Innenstadt dar.
• Das WOCHENBLATT fragt die Stader: Wie finden Sie den Ankerplatz? Was ist Ihre Meinung zu dem Projekt? Schicken Sie uns eine E-Mail an folgende Adresse: #+jd@kreiszeitung.net.
Schon viele Preise eingesackt
Bloße Ideen und Konzepte reichen heutzutage offenbar, um bei den verschiedensten Wettbewerben Preise
einheimsen zu können. Virtuelle Entwürfe scheinen wichtiger zu sein als konkrete Umsetzungen von Vorhaben. Ein Beispiel ist der Stader „Ankerplatz“: Obwohl der Platz noch ein ganzes Stück weit davon entfernt ist, zu einem urbanen Mittelpunkt zu werden, landet das Projekt in dieser Woche erneut ganz vorn bei einem bundesweiten Wettbewerb. Stolz verkündet der „Ankerplatz“-Verein, dass er es mit seinem „urbanen Dorf“ unter die 15 Finalisten beim Innovationswettbewerb „Digitale Orte im Land der Ideen“ geschafft und sich damit gegen rund 170 Bewerber durchgesetzt habe. Der „Ankerplatz“ stehe nun gemeinsam mit zwei weiteren Projekten in der Kategorie „Gemeinschaft“ im Finale.
„Das Stader Projekt sorgt damit nicht das erste Mal für bundesweite Aufmerksamkeit“, heißt es in der Mitteilung des Vereins. Verwiesen wird u.a. auf eine „Top-25-Platzierung beim Programm 'Update Deutschland', eine Auszeichnung als „Best-Practice-Beispiel zur Innenstadtbelebung“ und die Nominierung für den „Bundespreis Startsocial mit Auszeichnung durch den Bundeskanzler in Berlin“ sowie auf den Gewinn von drei Wettbewerben: erstens „Gemeinsam handel(n) vor Ort“ der IHK, zweitens der Klimaschutzwettbewerb der EWE und drittens der Innovationspreis des Landes Niedersachsen in der Kategorie Zukunftsvisionen.
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.