Diskussion auch unter WOCHENBLATT-Lesern
Demo gegen Tetsche-Cartoons am Stader Fischmarkt
jab. Stade. Im Landkreis Stade ist eine heftige Diskussion entbrannt: Grund dafür sind die Tetsche-Cartoons, die seit dem Sommer am Stader Fischmarkt hängen. Eine Gruppe Frauen hatte sich von diesen persönlich angegriffen gefühlt. Sie empfinden sie als sexistisch und frauenfeindlich. Sie äußerten öffentlich ihre Kritik, eröffneten eine Petition für die Entfernung der vier Exponate und riefen sogar zu einer Menschenkette am Fischmarkt auf.
Rund 30 Personen inklusive einiger Kinder hatten sich am Sonntag am Fischmarkt getroffen, um sich gegen Sexismus stark zu machen. Ein Vorwurf, den sie gegen die Werke Tetsches richten. Sie habe sich, so sagte Initiatorin Andrea Breimeier, sehr verunsichert gefühlt, aufgrund der verbalen Angriffe, die sie im Internet bereits ertragen musste. Doch sie erhielt von Männern und Frauen aus der Region Unterstützung. Auf den Schildern der Menschen standen Sprüche wie "Altherrenwitze waren nie lustig", "Nein zu Sexismus" und "Aufgepasst, was Sprache macht".
Das Argument der Kunstfreiheit lassen die Demonstranten bei dieser Ausstellung nicht gelten. Einige seien selbst Künstler und setzen sich daher dafür sein, so Breimeier. Allerdings sei bei dieser Ausstellung das Problem, dass sie nicht in einem geschlossenen Raum stattfindet, für dessen Besuch sich jeder selbst entscheiden oder ihn bei Nichtgefallen wieder verlassen kann. Im öffentlichen Raum habe man die Entscheidungsfreiheit nicht. "Öffentlicher Raum ist für alle Menschen da und muss frei von Sexismus, Rassismus und Antisemitismus sein, darf niemanden herabwürdigen."
Am Ende blieb es während der Demo friedlich. Allerdings seien teils heftige Diskussionen geführt worden, so Breimeier. Passanten, die die Menschenkette sahen, schüttelten teilweise den Kopf. Es fielen Sätze wie "Haben wir keine anderen Probleme?", "Was für ein Quatsch" und auch häufiger das Wort "Luxusprobleme".
Zahlreiche Reaktionen erhielt auch das WOCHENBLATT. Mehrheitlich richteten sie sich gegen die Kritik an den Tetsche-Comics, wie beispielsweise die Nachricht von Helga Hoffman: "Die Cartoons von Tetsche empfinde ich nicht als sexistisch!! Tetsches Kunst, sein Humor, seine Ideen sind großartig und ich habe mich persönlich in den vielen Jahren, die ich seine Bilder ansehen durfte, nie angegriffen oder unangenehm 'berührt' gefühlt. Ich bin zwar auch schon eine sehr alte Frau, empfinde mich aber als selbstbewusste freie Frau, die herzlich lachen kann und viel Verständnis für Wortspielereien hat, die sich in humorvoller Richtung bewegen."
Doch auch einzelne Stimmen, die die Sexismusvorwürfe unterstützen, wurden laut. Petra Müller aus Hammah stimmte dabei der Kontra-Stellungnahme von Redakteurin Christine Bollhorn zu. "Es handelt sich um Comics, die exponiert - völlig unkommentiert - im öffentlichen Raum gezeigt werden. Comics, die inhaltlich auch stereotyp mit negativen Konnotationen des 'Frauenbilds und der Frauenrolle' verknüpft sind. Warum wurden genau diese 'Inhalte' ausgewählt? Wenn wir nicht darüber diskutieren und zudem endlich verstehen, dass Sexismus täglich still und leise akzeptiert und nicht beanstandet wird - sozusagen zur Selbstverständlichkeit wird -, wird sich die Situation für Frauen nie verändern! Ich persönlich kann darüber weder lachen noch schmunzeln. In einem Museum würde ich es 'Zeitkritisch, nach Gefallen, nach Kunstverstehen' einordnen, im öffentlichen Raum nicht! Hierfür habe ich keine Akzeptanz!"
• Mehr Leserreaktionen: siehe unten. Auffällig: Bis auf einen Leserbrief waren alle für die Karikaturen am Fischmarkt, wobei doch rund 35 Prozent der Umfrage-Teilnehmer die Cartoons als sexistisch einstuften.
Umfrage: Mehrheit findet Comics nicht frauenfeindlich
Nach Sexismusvorwürfen an vier Exponaten der Tetsche-Ausstellung: Ist die Kritik an den Tetsche-Comics am Stader Fischmarkt berechtigt? Diese Frage stellte das WOCHENBLATT in der vergangenen Samstagsausgabe. Die Leser hatten online auf www.kreiszeitung-wochenblatt.de die Möglichkeit, darüber abzustimmen. Das Ergebnis hier war eindeutig. Die Mehrheit hielt die Cartoons nicht für sexistisch oder frauenfeindlich. Doch rund ein Drittel schlossen sich der Kritik von Andrea Breimeier, die die Kritik vergangene Woche öffentlich gemacht hatte, an.
53,56 Prozent der Teilnehmer hielten die Diskussion über die vier Exponate für unnötig. 9,62 Prozent beriefen sich hierbei auf die künstlerische Freiheit des Cartoonisten. Sie sind der Meinung, dass daher gar nicht über die Bilder diskutiert werden sollte.
Dass die Diskussion durchaus gerechtfertigt ist und somit die entsprechenden Cartoons sexistisch bzw. frauenfeindlich sind, das meinen 34,73 Prozent der Umfrage-Teilnehmer. Allerdings war nur ein geringer Bruchteil davon auch dafür, dass die entsprechenden Bilder abgehängt werden sollen. 13,31 Prozent der Kritiker der Cartoons forderte wie auch Breimeier, dass die entsprechenden Bilder abgehängt werden sollen.
Lediglich 2,09 Prozent war das Thema egal.
WOCHENBLATT-Leser melden sich zu Wort
Betr: "Sind Tetsches Bilder Chauvi-Kunst?" (WOCHENBLATT 39a/21) - WOCHENBLATT befragt seine Leser zu Sexismusvorwürfen an Tetsche-Comics in Stade.
"Dabei fühle ich mich nie angegriffen, da steh' ich drüber"
Ich stimme Stephanie Bargmann voll zu! Die Cartoons sind immer mit Worten auf den Punkt gebracht. Dabei fühle ich mich nie angegriffen, da steh' ich drüber! Vielleicht sind gerade in der Zeit, wo alles erneuert werden "muss", solche Witze zum Schmunzeln befreiend!
Renate Röttmer, Neu Wulmstorf
"'Mudder Flint' hätte sich sicher auch über die Ausstellung amüsiert"
Ich finde die Ausstellung lustig und amüsiere mich immer wieder darüber, obwohl ich die Cartoons schon lange kenne! Ich fand auch Tetsches Cartoons im Stern immer witzig und vermisse die Seite bis heute noch! Bei mir zu Hause hängen mehrere Poster und Postkarten von ihm und sie bringen mich im Vorübergehen immer zum Schmunzeln. Über manche Cartoons konnte/kann ich sogar herzlich lachen, wenn ich sie zum ersten Mal sah/sehe! Humor ist, wenn man trotzdem lacht - das sollten sich die Unterzeichnenden der Petition gern einmal in Erinnerung rufen! (Und ich glaube, "Mudder Flint" hätte sich auch über die Ausstellung amüsiert. Leider können wir sie nicht mehr fragen.)
Liane Kneesch-Schäfer, Stade
"Endlich Freude, Leben und mal etwas Witz in unserer Stadt"
Ich lebe seit 48 Jahren in Stade. Die Stadt hat sich natürlich mit den Jahren verändert. Einiges ist besser, einiges schlechter geworden. Besonders gefreut habe ich mich über die heiteren Cartoons am Fischmarkt. Endlich mehr Kunst, endlich mehr Humor. Mir vollkommen egal, ob verstaubt oder nicht. Es ist lustig. Wer Humor gepaart mit Kunst als sexistisch empfindet, hat irgendwo ein Problem mit sich selbst. Es darf sich auch, und besonders in schweren Zeiten, über Witziges amüsiert werden. Ist es angebracht, dass man heute als Frau alles an den Pranger stellen muss? Natürlich werden wir für gleiche Jobs immer noch schlechter bezahlt, natürlich werden Frauen oft benachteiligt. Das ist aber nicht erst seit gestern ein Thema. Darf man deshalb nicht einfach über einen Cartoon lachen? Ich habe vor lauter Freude über die Malerei bei uns sämtliche Cartoons fotografiert und mich weit über die Stadtgrenze mit anderen Frauen darüber gefreut. Endlich Freude, Leben und mal etwas Witz in unserer Stadt. Bitte weiter so, damit Lachen wieder einen Platz in unserer Stadt hat. Bitte einfach dranlassen und den vermeintlich "Gepeinigten" einen Kurs im Lachyoga spendieren.
Kirsten Schuldt, Stade
"Kunst ist Ansichtssache, wer eine Richtung nicht mag, kann weggucken"
Die liebsten Freunde die ich habe, sagen mir ruhig ehrlich, was sie denken. Wir leben in einer Demokratie, das bedeutet für mich, dass Toleranz gegenüber anders Denkenden ein großes Geschenk ist. Wir können gerne alles kritisieren, was uns stört. Wegen Karikaturen aber eine Demo veranstalten und dem Künstler Frauenfeindlichkeit zu unterstellen, finde ich absolut übertrieben. Ich fühle mich als Frau überhaupt nicht angegriffen. In diversen Kunstausstellungen gibt es jede Menge Nackte, na und? Kunst ist Ansichtssache, wer eine Richtung nicht mag, kann weggucken und muss sich nicht durch uferlose Aktionen m.E. lächerlich machen.
Anke Höft, Grünendeich
"Ach, wir armen Stader Frauen, was müssen wir nur aushalten"
Ach, wir armen Stader Frauen, was müssen wir nur aushalten. Und das halten wir sehr gerne aus, eine superwitzige Ausstellung von Tetsche, ein Hingucker für alle Gäste und Einheimischen in Stade. Da brauchen wir eigentlich keine Emanzen aus Hamburg, die uns bedauern. Also, weitermachen und am besten nochmal verlängert, das wär’s doch.
Rosi Eck-Höft, Stade
"Ich gehöre zur 'Spezies' der selbstbewussten, emanzipierten Frauen"
Liebe Frauen, habt ihr denn nichts Wichtigeres zu tun, als euch über u.a. die Tetsche-Werke in Stade zu echauffieren? Versteht ihr das unter Gleichberechtigung? Schon mal was von Humor bzw. Satire gehört?
Mir geht auch schon lange das sogenannte Gendern auf die Nerven. Ich gehöre zur "Spezies" der selbstbewussten, emanzipierten Frauen und fände es ausgesprochen traurig, wenn so Emanzipation definiert würde.
Marion Plathof-Best, Winsen
"Es geht doch vielmehr um Humor und Offenheit, Leichtigkeit"
Ich muss einfach nur schmunzeln und verstehe die ganze Diskussion und Aufregung gar nicht. Selbstverständlich sollen die Bilder hängen bleiben. Das ist pure Kunst! Einfach nur großartig! Als ich die Bilder das erste Mal sah, war ich so begeistert, dass es so etwas in unserer Stadt Stade gibt. Ich musste über die Sprüche einfach nur lachen. Es gibt diverse Leute, die extra nach Stade kommen, um sich diese Kunstwerke anzugucken. Klar, hat jeder einen anderen Geschmack und eine andere Meinung. Und das ist ja auch gut so. Das macht die Welt doch auch bunt, spannend und aufregend. Hatten wir nicht in den letzten eineinhalb Jahren genügend Sorgen und Ängste durch Corona, Kurzarbeit, familiäre Schicksalsschläge und andere Krankheiten? Es geht doch vielmehr um Humor und Offenheit, Leichtigkeit und nicht alles so ernst zu nehmen. Für mich persönlich haben diese Bilder absolut nichts mit Sexismus zu tun.
Tanja Plate, Stade
Redakteur:Jaana Bollmann aus Stade |
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