Der gebrechliche Gigant
Geißel Marfan-Syndrom: Wie Thomas Klemp (48) die Kräfte verlassen
tp. Stade. Sehschwäche, dauernde Atemnot, lange und schwache Glieder - Thomas Klemp (48) hat ein schweres Schicksal: Er leidet unter dem Marfan-Syndrom, dass bei ihm in der Familie liegt.
Klemp erbte das Leiden von seiner Mutter Carola (74). Bei ihr ist - wie bei den meisten betroffenen Frauen - das Krankheitsbild jedoch schwächer ausgeprägt. Auch Klemps Schwester und deren Sohn haben das Marfan-Syndrom.
Thomas Klemp hat den für Marfan-Patienten typischen spinnenartigen Körperbau mit schlanken, langen Gliedern: Er ist 2,08 Meter groß und wiegt dabei nur 78 Kilo. Seine dünnen "Madonnen-Finger" sind extrem biegsam: Mühelos legt er seinen Daumen auf den Handrücken. Wegen der krankheitsbedingt schlaffen Sehnen sind die Kniescheiben verschoben. Thomas Klemp leidet zudem an einem Herzklappenfehler, einer Aussackung der Hauptschlagader (Aortenaneurysma), gelockertem Halteapparat der Seh-Linsen, Trichterbrust, schwach entwickelter Muskulatur, Neigung zum Leistenbruch, Herz- und Lungenschwäche. Er nimmt täglich viele Medikamente.
Wegen der Geißel "Marfan" führte Thomas Klemp schon als Kind ein Leben mit Einschränkungen: Um Verletzungen zu vermeiden, wurde er vom Sportunterricht freigestellt. Wegen seiner Sehschwäche saß er immer in der ersten Reihe. Von kleinauf klagte Klemp über Appetitlosigkeit und Niedergeschlagenheit. Trotz der Beschwerden: Klemp machte Abitur und wurde Beamter im gehobenen Postdienst. Er machte den Pkw-Führerschein und genoss sein Hobby, Motorroller-Fahren.
"Doch mit den Jahren wurde alles schlimmer", klagt Klemp. Inzwischen hat er ein knappes Dutzend Operationen hinter sich: Unter anderem wurden der Brustkorb gerichtet, die Augen-Linsen entfernt, das Aneurysma behoben, und Thomas Klemp bekam prophylaktisch einen Mini-Defibrillator zur Beseitigung eines drohenden Herzkammerflimmerns in den Brustkorb gepflanzt.
Den Tiefschlag seines Lebens erlitt Thomas Klemp im Jahr 2006. "Aus heiterem Himmel bekam ich auf dem Motorroller einen Herzinfarkt", erinnert sich Klemp mit Schrecken. "Davon habe ich mich nie wieder richtig erholt."
2007 ging der gebrechliche Riese in den Ruhestand. Materiell führt Thomas Klemp zwar ein sorgloses Leben - der Junggeselle wohnt mit seinen Eltern im schmucken Eigenheim -, "doch was nützt mir die finanzielle Freiheit?", fragt er. "Ich fühle mich ständig erschöpft, und die Atemnot macht mir zu schaffen." Seinen Motorroller hat er schweren Herzens gegen einen Krankenfahrstuhl (Elektro-Scooter) getauscht. Thomas Klemp glaubt, dass er nur noch kurze Zeit zu leben hat. "Ich warte auf das Ende", sagt er. Vor dem Sterben habe er keine Angst, sagt Thomas Klemp: "Aber pflegebedürftig zu werden, wäre für mich der Horror."
Redakteur:Thorsten Penz aus Stade |
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