„Dreht Euch noch einmal um!“
Mit dem Planwagen aus der Heimat geflohen - Eckehard Oldenburg schrieb ein Buch darüber
tp. Stade. Als Kind wurde Eckehard Oldenburg (76) aus Stade zum Kriegsflüchtling: "Dreht Euch noch einmal um!", rief damals seine Tante, dann stieg der damals Achtjährige auf einen von Pferden gezogenen Planwagen und ließ als Mitglied eines Flüchtlingstrecks sein Heimatdorf in Hinterpommern im heutigen Polen zurück. Seine Erinnerungen an drei gefährliche, entbehrungsreiche aber auch abenteuerliche Jahre der Flucht hat der Hobby-Autor nun in seinem erstem Buch, "Dreht Euch noch einmal um", niedergeschrieben.
"Der Krieg hat sämtliche sozialen Gefüge auf den Kopf gestellt", erinnert sich Oldenburg. Viele junge Männer waren gefallen oder dienten an der Front. Zurück blieben Frauen und alte Männer. Am Tag seiner Flucht war Eckehard Oldenburg allein bei Verwandten, sodass er seine Eltern aus den Augen verlor. Mit Tanten, Cousins, Cousinen und den Großeltern strandete Eckehard Oldenburg in einem winzigen Dorf in Hinterpommern, wo sie bis zu ihrer Überreise nach Westdeutschland im Jahr 1947 festgehalten wurden. "Wir Flüchtlinge waren von russischen Panzerverbänden eingeholt worden. Sie schnitten uns den Weg nach Westen ab", berichtet Oldenburg.
Der kleine Eckehard hatte unter den Flüchtlingen eine verantwortungsvolle Aufgabe: Wächter. "Die Frauen lebten in ständiger Angst vor sexuellen Übergriffen durch russische Soldaten", so Oldenburg. "Ich musste oft Wache halten und die Frauen warnen, wenn sich das Militär näherte", sagt er. "Das prägt einen fürs Leben. Ich war damals schließlich noch ein Kind."
Gleichwohl stehen in dem Buch auch heitere Anekdoten. Eckehard Oldenburg gibt zu: "Ich habe die schulfreie Zeit während der rund dreijährigen Flucht ausgekostet. Wir Kinder standen nur wenig unter der Kontrolle der Erwachsenen, die mit dem Überlebenskampf beschäftigt waren."
Erst zum im Herbst 1947, als Eckehard Oldenburg elf Jahre alt war, konnte er seine Eltern wieder in die Arme schließen. Mutter, Vater und zwei jüngere Schwestern hatte es in den Kriegswirren nach Bad Bederkesa verschlagen.
Über seinen beruflichen Werdegang als Finanzbeamter fand Oldenburg 1960 in Stade ein neues Zuhause. Erst als Pensionär hatte der verheiratete Vater von zwei Kindern und Großvater zweier Enkel Zeit zum Schreiben. Neben "Dreht Euch noch einmal um" verfasste Oldenburg unter anderem die Chronik zum 50-jährigen Bestehen der Stader Johannis-Kirchengemeinde. Außerdem engagiert er sich als Gastdozent an der Universität Oldenburg, wo er als Zeitzeuge des Zweiten Weltkriegs referiert. Und er ist Gästeführer in Stade.
• Das mit Zeichnungen und Fotos des Autors bebilderte Buch hat rund 200 Seiten und ist für 18 Euro im Handel erhältlich, ISBN 978-3-944068-01-5.
Redakteur:Thorsten Penz aus Stade |
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