Neue Impfempfehlung: Impfzentren wieder zu spät informiert
Erst AstraZeneca, dann Biontech oder Moderna - klappt das?

Auch Senioren können jetzt problemlos einen mRNA-Impfstoff erhalten - zumindest für ihre Zweitimpfung | Foto: Adobe Stock/Lightfield Studios
  • Auch Senioren können jetzt problemlos einen mRNA-Impfstoff erhalten - zumindest für ihre Zweitimpfung
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(jd). Seit einer Woche ist das Impf-Wirrwarr um eine Variante reicher: Die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO), dass alle Personen mit einer AstraZeneca-Erstimpfung nun eine Zweitimpfung mit einem mRNA-Vakzin (Biontech oder Moderna) erhalten sollen, hat die Impfzentren in der Region erneut vor gewaltige logistische Herausforderungen gestellt - und das ohne jegliche Vorwarnung. Die Verantwortlichen vor Ort erfuhren wieder einmal erst aus der Presse von der Neuregelung. Bei den angesetzten Impfterminen gab es reichlich Ärger.

"Der Tag nach der STIKO-Ankündigung war der Horror", sagt der ärztliche Leiter der Impfzentren Buchholz und Winsen, Dr. Jörn Jepsen. "Die Menschen zeigten keinerlei Verständnis dafür, dass wir nicht sofort die mRNA-Impfstoffe bereitstellen konnten." Es habe wüste Beschimpfungen gegeben und viele seien wieder gegangen, weil sie kein zweites Mal AstraZeneca haben wollten.

Die Crux mit der Kreuzimpfung: Impfportal ist immer noch nicht umgestellt

Einen Tag später sah die Welt dann schon anders aus: Seit dem vergangenen Samstag erhält jeder AstraZeneca-Erstgeimpfte auf Wunsch Biontech bzw. Moderna - auch im Landkreis Stade. Dort schwenkten 75 Prozent der Impflinge auf die Kreuzimpfung um. In den Harburger Impfzentren sind es nur noch zehn Prozent, die auch den zweiten Piks mit dem zu Unrecht in Verruf geratenen AstraZeneca bekommen möchten.

In beiden Landkreisen hat man sich nun ganz unbürokratisch auf die neue Situation eingestellt und das Prozedere so angepasst, dass die Menschen sich spontan in Sachen Zweitimpfung entscheiden können. Denn das Impfportal des Landes verfügt noch immer nicht über eine entsprechende Option, die bei Änderungswunsch angeklickt werden kann.

Viele Ältere weigern sich: Bloß nicht mit AstraZeneca impfen lassen

Wer will, erhält jetzt Biontech oder Moderna

Um bei den vielen anstehenden Zweitimpfungen nicht für weiteren Unmut zu sorgen, greift man im Landkreis Harburg auf die mRNA-Reserven zurück, die eigentlich für Erstimpfungen in der zweiten Julihälfte gedacht waren - "in der Hoffnung, dass das Land uns in den kommenden Wochen zusätzlichen Impfstoff liefert", sagt Jepsen. Sollten die Vorräte erschöpft sein, müsse man im schlimmsten Fall bereits bestätigte Termine für Erstimpfungen absagen, so Jepsen.

Im Stader Impfzentrum scheint die Lage ein wenig entspannter zu sein: "Wir haben gut vorgesorgt und können jedem, der wechseln will, eine mRNA-Zweitimpfung ermöglichen", sagt Kreis-Dezernentin Nicole Streitz, die das Impfzentrum leitet. Allerdings könne man noch nicht auf die verkürzten Impfintervalle reagieren und Termine für diese Zweitimpfungen vorziehen.

Die Wartelisten für die Impfzentren Buchholz und Winsen sowie Stade sind mittlerweile wieder unter die Marke von 10.000 gerutscht. In Stade standen am Donnerstag noch rund 8.000 Impfwillige auf der Liste, in Buchholz und Winsen warten etwa 5.000 Menschen auf den ersten Piks. Sowohl Streitz als auch Jepsen rechnen damit, dass die Warteliste bis Ende Juli abgebaut ist, sofern ausreichend Impfstoff geliefert wird.

Impfzentren schließen Ende September

Nach dem jetzigen Stand der Dinge sollen die Impfzentren Ende September ihre Pforten schließen. Derzeit bereite das Land die Umstellung auf mobile Impfzentren vor, erklärte Niedersachsens Sozialministerin Daniela Behrens (SPD) vorgestern im Landtag. In Abstimmung mit der Kassenärztlichen Vereinigung sollen u.a. die Gesundheitsämter in die Lage versetzt werden, bei Bedarf Sonder-Impfaktionen durchzuführen.
Jepsen zeigt sich skeptisch bei solchen Aussagen. "Derzeit sind 38 Prozent der Bevölkerung in der Region vollständig geimpft. Damit sind wir noch meilenweit von den 85 Prozent entfernt, die das RKI für das Erreichen der Herdenimmunität angibt." Das werde man auch bis Ende September nicht schaffen, so Jepsen, der die Auflösung der Impfzentren zu diesem frühen Zeitpunkt für einen fatalen Fehler hält. Er könne sich vorstellen, dass die Politik die Frist kurz vor Ablauf verlängert. "Aber dann fehlt uns das Personal, weil sich die Mitarbeiter in den Impfzentren längst neue Jobs gesucht haben."

Ob die niedergelassenen Ärzte in die Bresche springen können, halte er für fraglich, so Jepsen. Er wisse bereits von mehreren Kollegen, dass sie das Impfen einstellen, weil ihnen der bürokratische Aufwand viel zu hoch sei. "Ich blicke daher mit großer Sorge auf den Herbst, wenn bei uns die vierte Welle anrollt."

Landkreis Harburg: Warum "AstraZeneca und Johnson & Johnson für alle" noch ein leeres Versprechen ist
Redakteur:

Jörg Dammann aus Stade

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