Ewiger Kampf gegen die „Umweltferkel“
bc. Stade. Lebensmittel-Kontrolleur, Veterinär, Archäologe: Beim Landkreis Stade arbeiten 800 Menschen - und längst nicht alle immer im Büro. Das WOCHEN BLATT stellt in der Serie „Jenseits der Akten“ interessante Berufe vor. Heute: die „Wildmüll-Fahnderin“.
Es ist selten das achtlos weggeworfene Bonbonpapier, der Kaffee-to-Go-Becher oder die Zigarettenschachtel, um die sich Corinna Gerken (48) von der Abfallwirtschaft des Landkreises kümmern muss. Viel zu häufig sind es ganze Küchenzeilen, Tonnen von Bauschutt oder mehrere Kubikmeter Grünabfall, die rücksichtslos und illegal in die Landschaft gekippt werden. „Wildmüll-Entsorgung kostet den Steuerzahler richtig viel Geld. Die Aufklärungsquote liegt nur bei zehn Prozent“, sagt die Verwaltungsmitarbeiterin, die seit mehr als 30 Jahren beim Landkreis tätig ist.
Corinna Gerken ist „Wildmüll-Fahnderin“ - ein Begriff, den es offiziell nicht gibt, der aber sehr gut einen Teil ihres Aufgabenbereiches umschreibt. Um es drastischer auszudrücken: Ihr Job ist der ewige Kampf gegen die „Umweltferkel“ dieser Welt.
Oft läuft es folgendermaßen ab: Aufmerksame Spaziergänger rufen die Hotline des Landkreises (04141-12610) an oder mailen an die Abfallwirtschaft (abfallwirtschaft@landkreis-stade.de), wo sie wilde Müllhalden entdeckt haben. Dann kommen Corinna Gerken und ihre Kollegen ins Spiel. „Viele Bürger melden uns regelmäßig Müllstellen. Es ist schön, wenn wir Hilfe aus der Bevölkerung erhalten“, sagt sie.
Ist die Meldung eingegangen, geht es an die Beantwortung der Kardinalsfrage: Welche Behörde ist zuständig? Der Landkreis ist prinzipiell nur für die Wildmüll-Entsorgung in der freien Natur zuständig, innerhalb von Städten und Dörfern, also innerhalb der Ortsschilder, sind es die Kommunen selbst.
Am Fredenbecker Weg in Stade muss die Hansestadt ran. Dort haben Unbekannte eine altertümliche Küchenzeile inklusive Kühlschrank und Herd abgeladen - mitten in der Botanik. Beim Anblick drängt sich eine Frage auf: Warum? „Das sind alles Rücknahme-Gegenstände. Die hätte das Abfallwirtschaftszentrum kostenfrei abgenommen“, sagt Corinna Gerken. Stattdessen müsse jetzt für mehrere hundert Euro Steuergeld eine Entsorgungsfirma beauftragt werden.
Auch Grünabfälle nehmen die Abfallwirtschaftszentren an - allerdings gegen kleines Geld. Offenbar zu viel für einige Menschen, was auf unserer Tour mit der „Wildmüll-Fahnderin“ an der B73 in Stade deutlich wird. Der Wall hinter einem Wohngebiet ist übersät mit Gartenabfall. „Es ist ein Irrglaube anzunehmen, dass Gartenabfälle nach dem Motto „Natur zu Natur“ im Grünen entsorgt werden dürfen“, sagt Corinna Gerken. Schlimmstenfalls noch in einem Wassergraben. Die Folge: Überdüngung.
„Auch werden heimische Pflanzen verdrängt, wenn Grünabfall nicht ordnungsgemäß entsorgt wird“, sagt Gerken. Sie wird den Anwohnern ein entsprechendes Infoschreiben schicken.
Geld kostet auch die Abgabe alter Autoreifen oder Bauschutt. Wer diese Abfälle, möglicherweise noch asbestverseucht, jedoch nicht fachgerecht entsorgt, muss erheblich tiefer in die Tasche greifen. Das illegale Abladen von gefährlichen Stoffen ist eine Straftat. Dann kümmern sich Polizei und Staatsanwalt um den Umweltfrevler. „Und trotzdem machen es viele“ sagt Corinna Gerken.
Wie gesagt: Ihr Job ist ein ewiger Kampf.
• Alle Adressen von Abfallwirtschaftszentren und Wertstoffhöfen im Landkreis Stade gibt es auf www.landkreis-stade.de
Daten und Fakten
• 2014 meldeten Bürger 100 illegale Müllhalden
• Insgesamt musste der Landkreis rund 40 Tonnen (t) Wildmüll abtransportieren, die Bundes- und Landesstraßenmeisterei nochmal etwa 33 t. Zusätzlich entsorgte die Straßenmeisterei am Vatertag rund drei Tonnen Müll.
• Die Jahresmenge des Wildmülls entspricht dem Inhalt von 2.250 Hausmülltonnen (60 Liter).
• Die Entsorgungskosten für den Landkreis betragen 35.000 Euro. Hinzu kommen noch die der Kommunen, Polizei und Straßenmeisterei.
Neue Ausstellung
Eine Wanderausstellung beschäftigt sich mit der „Wildmüll“-Problematik. Die Ausstellung mit Beispielen lokaler Müllsammlungen ist derzeit im Rathaus in Himmelpforten zu sehen. Rund 100 Aufräum-Aktionen unterstützt die Kreisabfallwirtschaft jährlich. Der Landkreis zahlt den Gruppen fünf Euro pro Person (maximal 375 Euro pro Gruppe) Bewirtungszuschuss und entsorgt den zusammengetragenen Müll.
Die Ausstellung kann auch andernorts gezeigt werden: Tel. 04141-12604
Redakteur:Björn Carstens aus Buxtehude |
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