Keine Welle wie bei Viren
Gemäßigter Anstieg bei psychischen Erkrankungen erwartet
jab. Stade. Experten sind der Auffassung, dass künftig mit einer Welle von psychischen Erkrankungen aufgrund der Corona-Krise gerechnet werden müsse. Vor allem depressive Erkrankungen und Anpassungs- sowie Angststörungen könnten zunehmen. Das WOCHENBLATT sprach dazu mit Professor Dr. Martin Huber, Chefarzt der Psychiatrie und Ärztlicher Direktor des Elbe Klinikums Stade.
"Psychische Erkrankungen entwickeln sich nicht an einem Tag und verbreiten sich auch nicht wie ein Virus in einer Welle", kann Huber beruhigen. Es sei zwar mit einem Anstieg an Erkrankungen aufgrund der aktuellen Lage zu rechnen, aber nicht in extremem Ausmaß und nicht auf einen Schlag. Bereits bestehende Erkrankungen, z.B. Sucht, könnten sich zudem weiter verschlimmern oder sich verändern. Diese Erfahrungen habe die Wissenschaft bereits bei anderen einschneidenden Situationen gemacht: Wirtschaftskrise, Euroumstellung und auch die Flüchtlingskrise bewirkten eine Zunahme an Erkrankungen.
Vielfältige Auslöser
Dennoch habe sich die medizinische Lage auch wieder entspannt, nachdem die Krise überstanden war, meint Huber. Die Auslöser für eine psychische Erkrankung während der aktuellen Lage sind vielfältig: In der ersten Phase habe es die Bedrohung durch das Virus gegeben, Diskussionen und Bilder in den Medien verunsichern außerdem, weiß Huber. Die bestehende Unsicherheit könne zusätzlich durch die Kontaktsperre verstärkt werden. In der zweiten Phase der Krise kämen dann wirtschaftliche oder soziale Probleme hinzu: Sorgen um den Arbeitsplatz, geschlossene Kitas und Schulen oder Homeoffice mit gleichzeitiger Kinderbetreuung. "Hier wirkt dann die Ungewissheit, wie wir wieder aus der Krise herauskommen", erklärt Professor Huber.
Geregelte Tagesstruktur
Um einer psychischen Erkrankung während der Corona-Krise entgegenzuwirken und der Corona-Lethargie zu entkommen, sollte laut Huber vor allem auf eine Tagesstruktur mit geregelten Schlaf- und Wachzeiten geachtet werden. "Da wir glücklicherweise keinen kompletten Lockdown haben, sollte außerdem für ausreichend Bewegung gesorgt werden", so Huber. Der Tag sollte zudem aktiv gestaltet werden, indem beispielsweise den Hobbys wieder mehr Beachtung geschenkt wird. Huber mahnt allerdings, bei den derzeitigen Lockerungen nicht übermütig zu werden und sich in Geduld zu üben.
Wenn aber auch diese Tipps nicht mehr helfen, die Traurigkeit oder negative Gedanken nicht verschwinden, Schlaf und Appetit immer schlechter werden, empfiehlt Huber den Gang zum Hausarzt. Dieser kläre zunächst körperliche Ursachen ab und leite den Patienten gegebenenfalls weiter zu einem Facharzt. Huber: "Bei Notfällen, also Personen, die nicht mehr weiterwissen, oder Personen mit Suizidgedanken, sollte die Vorstellung in der Klinik erfolgen, bevor ein Schaden entsteht."
Redakteur:Jaana Bollmann aus Stade |
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