Gisa Gallermeyer ist blind: Mit Kunst dem Dunkel trotzen
Gisa Gallermeyers (93) Welt ist dunkel / Die Malerei gibt ihr Kraft weiterzuleben
bc. Drochtersen. Ihre Bilder sind bunt, mit leichtem Federstrich geschwungen, voll kindlicher Fantasie. Gisa Gallermeyer heißt die Künstlerin. Das Besondere: Die Dame ist 93 Jahre alt und blind. Sie wird ihre eigenen Bilder niemals sehen können.
Gisa Gallermeyers Welt ist dunkel wie die Nacht. Malen ist Therapie. Kunst lässt ihre Welt innerlich leuchten. "Malen war für mich die Lebensrettung. Ich möchte mit meiner Kunst Lebenskraft und Mut zum Ausdruck bringen", sagt Gisa Gallermeyer im WOCHENBLATT-Gespräch. In Kürze will sie ihre Bilder in Drochtersen in der Moormühle ausstellen.
Hätte sie das Malen nicht für sich entdeckt, wer weiß, wie es Gisa Gallermeyer ergangen wäre. Nach einer misslungenen Augen-Operation erblindete die gebürtige Bayerin, die mittlerweile in Hamburg lebt, vor wenigen Jahren. Für die Frau brach eine Welt zusammen. Die frühere Grund- und Hauptschul-Lehrerin war plötzlich an ihrer Wohnung gefesselt, auf fremde Hilfe angewiesen. "Ich war schwer depressiv, hatte schon ein Bett in der Psychiatrie reserviert. Dann habe ich mich entschieden, nicht zu verzweifeln, sondern etwas zu tun. Ich musste etwas tun", erzählt sie.
Im hohen Alter entschied sie sich fürs Malen, obwohl sie früher nie etwas Künstlerisches zu Papier gebracht hatte: "Für mich war das wie ein Neuanfang." Die Nase spielt bei ihrer Malerei eine wichtige Rolle. Offiziell gilt Gisa Gallermeyer als blind. Sie hat aber noch ein Rest-Sehvermögen von einem Prozent. Wenn sie mit der Nasenspitze über das Papier fährt, kann sie schemenhaft etwas erkennen. "Ich teile dann das Papier in neutrale Felder ein und male Feld für Feld aus. Allerdings sehe ich nicht, was ich male." Eine inneres Form- und Bewegungsgefühl ermögliche es ihr, sozusagen "mit der Nase zu malen", sagt Gisa Gallermeyer. Eines ihrer Bilder wurde jüngst sogar in einer Hamburger Berufsfachschule für Theatertanz und Tanzpädagogik als Choreografie-Grundlage für eine Tanzklasse eingesetzt. Den Kontakt stellte ihre Tochter Gretl Bauer her, der die Moormühle in Drochtersen gehört.
Gisa Gallermeyer malt nicht nur, sie spielt auch Klavier und schreibt eigene Kompositionen: "Obwohl ich nicht mehr verzweifelt bin, ist die Kunst der verzweifelte Versuch, in meinem Schicksal etwas Positives zu erkennen." Ihre Überzeugung: "Ohne Wunder geht gar nichts. Ohne Wunder blüht nicht einmal ein Gänseblümchen."
• Die Ausstellung "Lebensbaum und Früchte" in der Moormühle (Drochtersermoor 1) ist ein Projekt des "Cluster of Competence" im Initiativkreis Moormühle. Sie beginnt mit einer Vernissage am Sonntag, 15. April, von 15 bis 18 Uhr und endet am 29. April. Um eine telefonische Anmeldung wird gebeten ( (04148-5423).
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