Heißer draht, der Leben rettet
25 Jahre Telefonseelsorge Elbe-Weser / 80 Ehrenamtliche, die den Schmerz verstehen
tp. Stade. Geduldig zuhören, auch in schwierigen Gesprächen auf keinen Fall den Hörer auflegen und bereit sein, Gefühle fremder Menschen zu verstehen: Die rund 80 Ehrenamtlichen der anonymen Telefonseelsorge Elbe-Weser können das. Seit einem Vierteljahrhundert halten die Freiwilligen den heißen Draht, der Leben rettet.
Eine von ihnen ist Annegret Warnecke (58). Die Sozialarbeiterin ist seit der Eröffnung der kirchlichen Telefonseelsorge Elbe-Weser vor 25 Jahren in Bad Bederkesa dabei und inzwischen für die vor vier Jahren eröffnete Zweigstelle in Stade verantwortlich. Neben dem Telefondienst - und neuerdings Chat-Seelsorge - gehört die fachliche Beratung (Supervision) der Mitarbeiter bei der verantwortungsvollen psychosozialen Tätigkeit zu den Aufgaben der Honorarkraft.
"Das Telefon klingelt eigentlich nonstop", sagt Annegret Warnecke. Daher wird dafür gesorgt, dass die beiden wohnlich eingerichteten Büros in Stade rund um die Uhr besetzt sind.
Wer ans Seelsorge-Telefon will, muss vorher eine einjährige Ausbildung durchlaufen. In drei Wochenend- und 15 Halbtagesseminaren lernen die Interessenten, die aus allen Berufssparten vom Landwirt bis zum Polizisten stammen, u.a. Grundlagen der Psychologie. Und sie erfahren, wie man gezielt ein Problemtelefonat beendet. Zeitvorgaben für ein Seelsorgetelefonat gibt es zwar nicht, doch jeder Ratsuchende soll an die Reihe kommen. Denn gerade nachts, wenn die Menschen mit ihren Problemen alleine sind, stehen Einsame und Verzweifelte in der Warteschleife.
Die anonymen Anrufer kommen aus allen Altersgruppen - vom zehnjährigen Kind mit Schulsorgen über jugendliche Missbrauchsopfer und Mittdreißiger mit Beziehungs- und Scheidungsproblemen bis zum alleinstehenden Senior. Nicht wenige seien "Stammkunden", so Annegret Warnecke. Eine große Gruppe der Ratsuchende seien psychisch Kranke oder schwer Depressive, die Suizidgedanken hegen.
Dann liegt es an den Stader Telefonseelsorgern, das Schlimmste zu verhindern. Kürzlich gelang dies der ehemaligen Lehrerin Luise* (65), die seit dem Eintritt ihres Ruhestandes vor drei Jahren dabei ist. In einer Zehn-Stunden-Seelsorge-Nachtschicht meldete sich eine Frau, die sich vom Leben verabschieden wollte. Luise und die Klientin entdeckten die gemeinsame Leidenschaft für Tee. Am Ende des langen Gesprächs herrschte eine vertraute und heitere Atmosphäre, und die Frau plante für den nächsten Tag frohen Mutes den Kauf einer Teesorte, den Luise ihr empfohlen hatte. "Ich kann diese Tätigkeit nur empfehlen", sagt Luise und fügt hinzu: "Man glaubt es kaum, aber manchmal wird am Seelsorge-Telefon sogar herzlich gelacht."
• Die Telefonseelsorge Elbe-Weser sucht weitere Ehrenamtliche. Infos unter Tel. 04745 - 6029. http://www.telefonseelsorge-elbe-weser.de. Die kostenlose Seelsorge-Hotline: Tel. 0800 - 1110111 gilt für Anrufer aus ganz Deutschland.
*Name von der Redaktion geändert
Redakteur:Thorsten Penz aus Stade |
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