Ein "Ankerplatz" für Straßenkinder
Jugendcafé bietet jungen Menschen in Stade Unterstützung

Susanne Wilkens und ihr Team haben stets ein warmes Getränk und ein offenes Ohr für die Besucher des Jugendcafés | Foto: jab
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  • Susanne Wilkens und ihr Team haben stets ein warmes Getränk und ein offenes Ohr für die Besucher des Jugendcafés
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jab. Stade. Sie fliegen unter dem Radar der Gesellschaft und doch sind sie da: Jugendliche, die kein richtiges Zuhause haben, die auf der Straße leben müssen oder bei Freunden unterkommen und für das System kaum greifbar sind. Auch wenn man denkt, im florierenden Stade oder Buxtehude mit den belebten Innenstädten gibt es so etwas nicht - weit gefehlt. Dies ist kein Großstadtphänomen. Auch hier haben einige Kinder und Jugendliche kein richtiges Zuhause. Einer, der weiß, wie sich das Leben ohne ein Heim anfühlt, ist Maik* (20) aus Buxtehude. Drei Jahre lebte Maik* (20) auf der Straße. Bei seinen Eltern - das Verhältnis war schon immer schwierig, akzeptiert wurde er von ihnen nicht - war er nach vielen Auseinandersetzungen nicht mehr erwünscht. "Ich wanderte von Couch zu Couch", sagt er. Wie ihm geht es einigen Jugendlichen im Landkreis. Aus diesem Grund gibt es ab sofort das Jugendcafé "Ankerplatz". Hier finden junge Menschen bis 25 Jahre einen Ort zum Aufwärmen, zum Kontakteknüpfen, aber auch Unterstützung, wenn das Leben nicht mehr in geraden Bahnen verläuft. Gefördert wird das Jugendcafé durch das Jobcenter, durchgeführt wird es vom Christlichen Jugenddorf (CJD) Bremervörde.

Zunächst fühlte es sich noch gut an, als Maik nicht mehr zuhause wohnte, "um weg von allem zu sein". Doch schnell wurde es komplizierter. Nach und nach rutschte er in eine Alkoholsucht ab. "Ich habe mich und mein Leben lange reflektiert, wollte einen Entzug machen, aber der Schritt war immer zu groß", sagt Maik. Mit seinem Freund, auf dessen Couch er ein Jahr lang schlief, verkrachte er sich, seine Ausbildung brach er ab. Die kommenden Jahre konnte er abwechselnd bei guten Freunden, die im Gegensatz zu ihm mitten im Leben standen, bleiben. Er lebte von Hartz IV. Vor einem Jahr stellte er sich seinem Alkoholproblem, machte einen Entzug, bewarb sich um eine Ausbildung und brachte sein Leben wieder auf die Reihe.

Junge Menschen, die in der gleichen Situation wie Maik stecken, haben mit dem neuen Jugendcafé "Ankerplatz" einen Zufluchtsort bekommen. Vier Sozialpädagogen stehen hier zur Verfügung, um sich um die Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu kümmern - wenn sie es wollen. Derzeit gebe es allerdings noch keine Möglichkeit, Schlafplätze für obdachlose Jugendliche anzubieten, sagt CJD-Standortleiterin Susanne Wilkens. Gerade mit Blick auf die kommenden Wintermonate mache man sich aber Gedanken darüber.
Denn in erster Linie ist das Café ein Ort, an dem sich die Menschen aufwärmen können, ein heißes Getränk oder einen Mittagsimbiss erhalten und ganz zwanglos in Kontakt mit den Mitarbeitern des CJD und den übrigen Besuchern kommen können. Dennoch dient die Maßnahme der "Förderung schwer zu erreichender junger Menschen", sagt Wilkens.

Diese Menschen seien Personen, die aus dem System gefallen sind, die nicht auf Briefe vom Jobcenter reagieren wollen oder können aufgrund von sozialen Problemen wie Drogensucht, Schulden etc., oder die gar keine Meldeadresse haben. Dennoch würden die CJD-Mitarbeiter versuchen, die Menschen zu besuchen und zu beraten. Dazu steht ihnen ein Bus zur Verfügung, der zudem genutzt wird, um an verschiedenen Brennpunkten Kontakt zu Jugendlichen zu bekommen.

Im Jugendcafé kann gemeinsam am Tischkicker gezockt, gemeinsam Musik gemacht oder auch nur geredet werden. Im Kontakt zu den Auszubildenden des CJD, die sich teilweise im gleichen Haus befinden, können die Jugendlichen sehen, dass auch Menschen mit schwierigen Lebensgeschichten eine Perspektive haben. "Der Austausch zwischen den jungen Menschen ist gewollt und sogar gewünscht", meint Wilkens. Wer Hilfe möchte oder eine Beratung wünscht, erhält diese direkt vor Ort oder wird an die entsprechende Fachstelle, z.B. Drogenberatung, verwiesen. "Das Tempo geben die Jugendlichen vor, sie erhalten Hilfe, wenn sie es möchten. Sie sollen sich hier zuhause fühlen, daran können wir dann anknüpfen", erklärt Wilkens.
• Das Jugendcafé "Ankerplatz", Altländer Straße 6, in Stade ist von montags bis freitags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Kontakt: Telefonnummer 0170-2423696; E-Mail: info@cjd-bremervoerde.de.

*Name von der Redaktion geändert

Angebote im Landkreis Harburg

(os). Im Landkreis Harburg gibt es über das Jobcenter zwei Angebote für Menschen bis 25 Jahre, die mit dem "Ankerplatz" in Stade vergleichbar sind. Im Bistrocafé "Like" in Winsen (Bahnhofstr. 3, Telefonnummer 04171-6407996) werden Menschen betreut, die "ungünstige Startchancen" haben. Sie werden u. a. zu Beratungsstellen, Berufs- oder Schuldnerberatern oder zu Gerichtsterminen begleitet, zudem erhalten sie Hilfe bei der Wohnungssuche, bei Ernährungsproblemen oder beim Stellen von Anträgen.

Das Angebot "FindUs" in Kooperation mit der A&A Ausbildung und Arbeit Plus GmbH in Buchholz (Bremer Str. 44, Telefonnummer 04181-9259880) richtet sich an Personen, deren Wohnsituation unklar ist bzw. die wohnungslos sind, die den Kontakt zum Jobcenter abgebrochen haben oder die keine Ausbildung haben. Sie erhalten Hilfe in allen Lebenslagen, können im Café der Einrichtung aber auch Wäsche waschen und kostenfreies WLAN in Anspruch nehmen.

Redakteur:

Jaana Bollmann aus Stade

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