So wird der ländliche Raum abgehängt
Kein Telefonanschluss für zwei Ahlerstedter Neubaugebiete
jd. Ahlerstedt. Smart Home - so lautet das Zauberwort für die digitale Zukunft des Wohnens. In Ahlerstedt werden aber die künftigen Bewohner zweier Neubaugebiete ohne die Annehmlichkeiten von Alexa und Co. auskommen müssen. Und selbst mit dem simplen Telefonieren wird es wohl nichts werden. Denn derzeit sieht es ganz danach aus, dass diese beiden Baugebiete nicht einmal eine Telefonleitung aus Kupfer erhalten. Alle Bemühungen des Bürgermeisters Uwe Arndt liefen bedauerlicherweise bisher absolut ins Leere (das WOCHENBLATT berichtete). Die Nachfragen dazu bei EWE und Telekom haben ergeben: Ahlerstedt wird kein Einzelfall bleiben. Der mangelhafte Ausbau der Telekommunikations-Infrastruktur könnte für ländliche Kommunen zu einem grundsätzlichen Problem werden.
Kein Telefonnetz im Neubaugebiet
Auf der einen Seite werden Förderprogramme aufgelegt, um bestehende Hausanschlüsse von DSL auf Glasfaser aufzuwerten. Unternehmen wie Telekom und EWE erhalten Bundes- und Landesmittel als Zuschuss, damit schnelles Internet auch auf den Dörfern realisiert werden kann. Andererseits soll es aber nicht möglich sein, ein Neubaugebiet ans Telefonnetz anzuschließen, weil es sich für die Unternehmen nicht rechnet.
Allerdings hat die EWE in dieser Hinsicht selbst die Latte hoch gehängt: Es muss schon Glasfaser sein, was natürlich das Vorhandensein einer entsprechenden Infrastruktur erfordert. So teilt die EWE auf WOCHENBLATT-Nachfrage mit, dass man "grundsätzlich keine Kupferkabel" mehr verlege. Bei dem Neubaugebiet im Ahlerstedter Ortsteil Kakerbeck habe eine intensive Prüfung ergeben, "dass eine wirtschaftliche Erschließung mit Glasfaserkabeln für uns leider nicht gegeben ist", so EWE-Pressesprecher Mathias Radowski.
Nur selten wird noch Kupfer genutzt
Auf keinen Fall mehr Kupferkabel: So rigoros wie die EWE handhabt es die Telekom noch nicht. Aber: "Die Telekom nimmt nur noch sehr wenig Neubaugebiete zur Erschließung in Kupfer an", erklärt deren Pressesprecherin Stefanie Halle. Manchmal sei diese Ausbauvariante aber wirtschaftlicher als Glasfaser und Bandbreiten von bis zu 250 Megabit pro Sekunde möglich. "Mit dieser Brückentechnologie ist es der Telekom gelungen, Deutschland mit einer so guten Infrastruktur zu versorgen, dass im Lockdown Homeoffice und Homeschooling für über 32 Millionen Haushalte stabil möglich waren", betont Halle.
Den Vorwurf, die Telekom stürze sich bei der Breitbandversorgung nur auf die "Sahnestücke" in den Städten und ziehe sich aus der Fläche zurück, will Halle nicht gelten lassen. "Kein Anbieter baut so viel im ländlichen Raum aus wie die Telekom", sagt die Sprecherin.
Halle kündigt an, dass die Telekom "in Zukunft aktiver als in der Vergangenheit in Kontakt mit Kommunen und Bauträgern treten" will, damit Hauseigentümer zu einem Anschluss kommen. Sie kritisiert aber: "Die Bundesregierung erlaubt leider bisher keinen geförderten Ausbau von Neubaugebieten." Auch für EWE-Sprecher Radowski ist das ein Ärgernis: "Einen Zuschuss einer Kommune für diese Erschließung dürfen wir aus EU-rechtlichen Gründen nicht annehmen, hier sind uns die Hände gebunden."
Telekom muss Grundversorgung sichern
Wenn nichts mehr geht, muss am Ende doch die Telekom in die Bresche springen. Das besagt die sogenannte "Universaldienstleistungsverpflichtung". Das Wort ist genauso lang wie es kompliziert klingt. im Grunde besagt es aber nur eines: Die Telekom hat die Pflicht, eine Grundversorgung sicherzustellen, sobald ein Hauseigentümer dies verlangt.
Der Haken ist aber dabei: "Ein Anspruch auf eine bestimmte Festnetztechnik mit Tiefbau besteht nicht", sagt Sprecherin Stefanie Halle. "Diese Universaldienste können wir grundsätzlich auch kabellos erfüllen." Doch gerade in Ahlerstedt und umzu ist der Handyempfang ziemlich miserabel. So wäre die Option Internet per Mobilfunk wohl keine sinnvolle Alternative.
KOMMENTAR: Nostalgische Telefonleitung
Wie die Rückkehr ins vergangene Jahrhundert mutet ein Vorschlag der Telekom an, um den Anschluss von Neubaugebieten ans Telekommunikationsnetz profitabler zu gestalten. Die Telekom regt allen Ernstes an, dass Kommunen außerhalb von Ortschaften künftig wieder eine "oberirdische Linienführung" genehmigen sollten, um das Verlegen von Telefonkabeln wirtschaftlich zu gestalten. Das würde heißen: Aus Kostengründen versetzen wir uns wieder hundert Jahre zurück und stellen Telefonmasten auf. Nostalgie ist doch gerade in. Dazu würde dann das gute alte Bakelit-Telefon mit Wählscheibe passen.
Jörg Dammann
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