Inobhutnahmen in den Kreisen Stade und Harburg
Kindeswohlgefährdung: Die Meldungen nehmen zu

66.400 Fälle von Inobhutnahmen waren es deutschlandweit im vergangenen Jahr | Foto: adobe/MQ-Illustrations
  • 66.400 Fälle von Inobhutnahmen waren es deutschlandweit im vergangenen Jahr
  • Foto: adobe/MQ-Illustrations
  • hochgeladen von Tom Kreib

Die Zahl der Inobhutnahmen ist 2022 in Deutschland spürbar angestiegen. Im Vergleich zum Vorjahr wurden 40 Prozent mehr Kinder und Jugendliche vorübergehend oder dauerhaft aus ihren Familien herausgenommen. Zudem steigt die Zahl minderjähriger, unbegleiteter Flüchtlinge stark an. Auch sie sind ein Fall für die Jugendämter. 66.400 Fälle von Inobhutnahmen waren es deutschlandweit im vergangenen Jahr. Was auf Bundesebene passiert, lässt sich anhand der Zahlen auch in den Landkreisen Stade und Harburg beobachten: Die Jugendämter haben immer mehr zu tun.

Ein Grund - aber nicht der einzige - sind die steigenden Zahlen minderjähriger und unbegleiteter Flüchtlinge. Die Zahl dieser Fälle hat sich im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt. Sie stieg um 153 Prozent auf insgesamt 28.600 Fälle in Deutschland. Das ist aber nur die eine Seite der Statistik. In den Jugendämtern treffen verstärkt Meldungen der Polizei wegen häuslicher Gewalt ein, bei denen Kinder und Jugendliche betroffen sind. Und: Als eine Art Nachwehe der Pandemie kommt es auch verstärkt zu Meldungen aus Schulen, Kitas und Krankenhäusern.

Wenn der ASD (Allgemeiner Sozialer Dienst beim Jugendamt) intervenieren muss, geht es um Schicksale. Über ihre Erfahrungen, über besondere Fälle können die Mitarbeitenden nicht berichten. Der Schutz der Betroffenen hat oberste Priorität. Die Pressestelle des Landkreises Stade hat für das WOCHENBLATT aber einen Blick auf das geworfen, was den ASD beschäftigt und welche Probleme es in Familien gibt, um eine Inobhutnahme zu erwägen.

Schläge mit dem Ledergürtel

Die Praktiker im Jugendamt beim ASD nennen viele unterschiedliche Gründe, die eine Intervention notwendig machen: körperliche Gewalt, Vernachlässigung oder Verwahrlosung, Wohnungsverlust, Gewalt von Eltern gegeneinander, aber auch kulturell bedingtes Abweichen des Erziehungsverhaltens - etwa das Schlagen von Kindern mit einem Ledergürtel mit Metallschnalle. In solchen Fällen, so die ASD-Mitarbeiter, kommen die Hinweise häufig von Polizei und Staatsanwaltschaft - und diese Fälle nehmen aktuell zu.

Mitunter sind es auch Babys, die nicht ausreichend versorgt werden, so dass eine Unterversorgung zu hohen Risiken für das Kind führen würde. Weitere Fälle, die beim ASD landen: Eltern, die ihren Nachwuchs quasi beim Jugendamt abgeben, weil sie komplett überfordert sind, muslimische Mädchen, die gegen ihren Willen verheiratet werden sollen, aber auch Kinder und Jugendliche als sogenannte Selbstmelder, die also selbst Schutz und Hilfe jenseits ihrer Familien und Bezugspersonen suchen.

Lange Wartezeit für therapeutische Hilfe

Was den Expertinnen und Experten beim ASD Sorge bereitet: Familien, Kinder und Jugendliche, die dringend psychotherapeutische Hilfe brauchen, landen immer öfter auf einer langen Warteliste. Eine zeitnahe Versorgung gibt es nicht. Also wird das Jugendamt eingeschaltet. Das sei eine besorgniserregende Entwicklung, so die ASD-Mitarbeiter.

Und schließlich die wachsende Zahl der minderjährigen Geflüchteten ohne Begleitung: "Das ist eine enorme Herausforderung", heißt es im ASD. Es gebe Sprachbarrieren und mögliche Traumatisierungen seien zu beachten. Allein die Altersfestsetzung benötige viel Erfahrung und gutes Einschätzungsvermögen. Zudem erfordere die Betreuung dieser Gruppe einen hohen Zeitaufwand.
Wer einen Blick auf die steigenden Zahlen der Inobhutnahmen auch in der Region wirft, kann erahnen: Die Arbeit für die Jugendämter wird eher zu- als abnehmen.

Zahlen zu Inobhutnahmen

Im ersten Halbjahr 2023 gab es im Landkreis Harburg 60 Inobhutnahmen. Im Vergleichszeitraum 2022 waren es nur 47. Von den bisherigen Inobhutnahmen 2023 betrafen 23 Fälle minderjährige, unbegleitete Flüchtlinge. Zum Vergleich: Im Vorjahreszeitraum waren das nur zwölf.

Zahlen für den Landkreis Stade: Im Jahr 2021 wurden acht minderjährige Flüchtlinge und 109 weitere Kinder und Jugendliche in Obhut genommen. 2022 waren es schon 50 Geflüchtete und 114 weitere Fälle.

Redakteur:

Tom Kreib aus Buxtehude

Webseite von Tom Kreib
Tom Kreib auf Facebook
Tom Kreib auf Instagram
Tom Kreib auf YouTube
following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

2 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Service

Wichtige WOCHENBLATT-Mail-Adressen

Hier finden Sie die wichtigen Email-Adressen und Web-Adressen unseres Verlages. Wichtig: Wenn Sie an die Redaktion schreiben oder Hinweise zur Zustellung haben, benötigen wir unbedingt Ihre Adresse / Anschrift! Bei Hinweisen oder Beschwerden zur Zustellung unserer Ausgaben klicken Sie bitte https://services.kreiszeitung-wochenblatt.de/zustellung.htmlFür Hinweise oder Leserbriefe an unsere Redaktion finden Sie den direkten Zugang unter...

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.