Jeder zwölfte Schüler verliert sein Dauerticket
Landkreis Stade: Das Drama um die Schülerfahrkarte
So mancher Schüler aus dem Landkreis Stade dürfte sich am heutigen Freitag (10. Januar) gewünscht haben, in Südniedersachsen zu wohnen. Dort ist in mehreren Landkreisen witterungsbedingt die Schule ausgefallen. Die Schüler aus dem Landkreis Stade hingegen stapften tapfer durch den morgendlichen Schneematsch, um rechtzeitig an der Bushaltestelle für den Schulbus zu stehen. Der Gedanke, sich noch ein wenig länger im warmen Bett zu lümmeln, wich hier im Norden der kalten Realität: Trotz des miesen Wetters musste man pünktlich zum Unterricht erscheinen.
761 Ersatzfahrkarten in einem Jahr
Noch schlimmer, als frühmorgens bei Frost und Schnee mit klappernden Zähnen auf den Schulbus zu warten, ist aber das Drama, das sich im neuen Jahr bei einigen Familien am ersten Schultag nach den Weihnachtsferien abgespielt hat: In verzweifelter Hektik wurde die Schülerfahrkarte gesucht - oftmals vergebens. Dieses Drama der verschwundenen Busfahrkarte spielt sich im Landkreis Stade gar nicht so selten ab: Immerhin 761 Ersatzfahrten mussten die zuständigen Mitarbeiter bei der Kreisverwaltung im vergangenen Jahr ausstellen, weil Schüler ihre Fahrkarten "verbaselt" hatten. Bei rund 9.000 Schülern, die tagtäglich mit dem ÖPNV zur Schule gelangen, ist das ein ziemlich hoher Prozentsatz. Das bedeutet nämlich: Rund jeder zwölfte Schüler hat 2024 sein Dauerticket verloren.
Morgendliche Fahrkartensuche
"Jetzt nach den Weihnachtsferien haben meine Kolleginnen und ich wieder reichlich zu tun", sagt Inken Montzka, Leiterin der Abteilung Schülerbeförderung beim Landkreis Stade. Das Ausstellen von Ersatzfahrkarten ist für das Team geradezu ein Déjà-vu-Erlebnis, das sich regelmäßig nach den Ferien wiederholt. Dem Antrag im Kreishaus dürfte häufig ein heftiger Zoff zwischen dem schusseligen Schüler und den Eltern vorausgegangen sein. Denn die Beantragung einer Ersatzfahrkarte kostet immerhin 20 Euro. Das ist ärgerliches Geld, gerade wenn der Nachwuchs das Ticket bereits zum wiederholten Mal verschlampt hat.
Der Autor dieser Zeilen erinnert sich noch allzu an das aufreibende Nervenspiel, wenn morgens die halbe Wohnung auf den Kopf gestellt wurde: Einmal lag die Karte tief in den unergründlichen Weiten des Schulranzens, zwischen zerbröselten Keksen und einem seit Monaten vergessenen Apfel. Ein anderes Mal fand sie die Putzkraft der Schule unter einem Tisch, und in einem besonders denkwürdigen Fall kam sie nach einer 60-Grad-Wäsche aus der Maschine – kaum lesbar, aber immerhin sauber.
10 Mio. Euro für die Schülerbeförderung
Das Ausstellen neuer Fahrkarten ist aber bei Weitem nicht die einzige Aufgabe von Montzkas fünfköpfigem Team: Sie nehmen auch die Abrechnungen mit den Bus- und Taxiunternehmen vor. Dabei geht es um erhebliche Summen. Im vergangenen Jahr hat der Landkreis Stade allein zehn Millionen Euro für die kostenlose Schülerbeförderung aufgewendet. Zudem müssen die Taxi- bzw. Kleinbusbeförderung für Schüler mit einer körperlichen oder geistigen Behinderung koordiniert werden, was Montzka als große Herausforderung bezeichnet.
Diskussionen mit den Eltern
Und dann sind da noch Anträge von Eltern, die für ihren Nachwuchs eine Gratis-Schülerfahrkarte fordern, weil sie meinen, ihren Kindern sei der Schulweg zu Fuß oder mit dem Fahrrad nicht zuzumuten. Hier weichen die Vorstellungen einiger Mütter und Väter von den Regelungen des Landkreises manchmal erheblich ab. Denn nur wer tatsächlich weit genug von der Schule entfernt wohnt, hat Anspruch auf eine Gratis-Fahrkarte. So gilt bei Grundschülern eine Entfernung bis zwei Kilometer als zumutbar, bei Fünft- und Sechstklässlern sind es drei Kilometer und bei Schülern bis zur 10. Klasse können vier Kilometer.
Hohes Anspruchsdenken
Bei Beschwerden rücken Montzkas Mitarbeiterinnen Heike van den Berg und Anneke Glüsing auch schon mal vor Ort mit dem Messrad aus, um die exakte Länge von Schulwegen zu überprüfen. Stellt sich dann heraus, dass ein Schulweg zu kurz ist, damit der betreffende kostenlos mit dem Bus befördert, würden manche Eltern ungehalten reagieren, berichtet Montzka. Sie kann sich über das Anspruchsdenken einiger Erziehungsberechtigter nur wundern: So wurde eine neue Haltestelle direkt vor der eigenen Haustür gewünscht, mal wurde das Busfahren grundsätzlich abgelehnt und die alleinige Taxibeförderung gefordert oder aber eine Wartezeit auf den Bus von wenigen Minuten als unzumutbar beurteilt.
Witterungsbedingter Schulausfall
Zurück zum witterungsbedingten Schulausfall. Das regionale Landesamt für Schule und Bildung hat dazu folgende Hinweise gegeben:
Wenn die Sicherheit des Schulweges und die Schülerbeförderung aufgrund extremer Wetterverhältnisse nicht mehr sicher gewährleistet werden können, kann es zu Schulausfällen kommen. Gerade während der Wintermonate sind Schulausfälle bei entsprechenden Witterungsverhältnissen nicht ausgeschlossen. Die jeweiligen Landkreise sind für die Schülerbeförderung zuständig und treffen in der Regel erst am frühen Morgen des jeweiligen Schultages die Entscheidung, ob Unterricht stattfinden kann oder nicht.
Eine wichtige Informationsquelle bietet das Internet: Die Verkehrsmanagementzentrale Niedersachsen informiert aktuell und zuverlässig über Schulausfälle: https://www.vmz-niedersachsen.de/schulausfall/.
Wenn die Sicherheit der Schülerbeförderung nicht mehr gewährleistet ist, wird stets auch der Unterrichtsausfall angeordnet. Damit soll verhindert werden, dass Schülerinnen und Schüler trotz vorliegender Gefahrensituationen selbständig oder mit den Eltern versuchen, die Schule zu erreichen.
Grundsätzlich gilt, dass Eltern, die eine unzumutbare Gefährdung ihrer Kinder auf dem Schulweg durch extreme Witterungsverhältnisse befürchten, ihre Kinder auch dann zu Hause behalten oder vorzeitig vom Unterricht abholen können, wenn kein genereller Unterrichtsausfall angeordnet worden ist.
Wichtig: Trotz Unterrichtsausfall gewährleisten alle Schulen Betreuung für Schülerinnen und Schüler, die nicht zu Hause bleiben können und deswegen zur Schule kommen.
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