Virtual Reality lässt die Hansestadt aus der Zeit um 1620 lebendig werden
Mit der Hightech-Brille zurück in die Vergangenheit
jd. Stade. Es ist nicht der Blick durch die rosarote Brille, den Christian Kairies hier wirft, sondern durch eine ganz spezielle Brille: Der Mitarbeiter der Stader Museen hat sich im Schwedenspeicher eine sogenannte Virtual-Reality-Brille aufgesetzt. Diese Hightech-Brille entführt ihren Träger 400 Jahre in die Vergangenheit. Wer sie aufsetzt, kann einen Rundgang durch das Stade aus der Zeit um 1620 unternehmen. Das technische Wunderwerk wird ab sofort im Museum eingesetzt, um Besucher auf einer virtuellen Zeitreise mitzunehmen und sie mittels Computertechnologie durch das frühere Stade zu führen. Auch für Stader ist dieser historische Blick durchaus sehenswert.
Die Idee, Virtual Reality (VR) einzusetzen, kam von Stades Stadtarchäologen Dr. Andreas Schäfer. "Seit 2018 haben wir an dem Projekt gearbeitet", berichtet Museumsdirektor Dr. Sebastian Möllers. Umgesetzt wurde das Vorhaben von Wissenschaftlern der "HafenCity Universität Hamburg" (HCU) unter Federführung von Professor Thomas Kersten. Bereits im Frühjahr 2020 hätte das Schwedenspeicher-Museum mit den virtuellen Rundgängen starten können, doch dann kam die Pandemie.
Ursprünglich waren individuelle VR-Rundgänge geplant. Die Besucher hätten es sich in einem Sessel bequem gemacht, die Brille aufgesetzt und wären dann sitzend sozusagen durch die Gassen des alten Stade spaziert. "Das können wir Corona-bedingt derzeit nicht anbieten", sagt Museumspädagogin Wiebke Etzold. Daher nehmen die Teilnehmer vorerst im Vortragssaal des Schwedenspeichers Platz. An der Leinwand bekommen sie mittels Beamer das zu sehen, was Kairies gerade durch seine Brille betrachtet. Aus Hygienegründen sei es derzeit leider nicht möglich, die Brille an Besucher auszuhändigen, so Etzold.
Grundlage der virtuellen Darstellung ist ein Stader Stadtmodell, das sich im historischen Rathaus befindet und von Kerstens Team digital erfasst wurde. Um aus den Einzelaufnahmen eine begehbare virtuelle Welt zu schaffen, haben die Hamburger eine sogenannte Game Engine eingesetzt, die auch für Computerspiele verwendet wird, um visuelle Effekte zu erzeugen und Bilder in 3D-Grafiken zu übertragen. "Es war eine Herausforderung, die großen Datenmengen so zu reduzieren, dass eine flüssige Darstellung in Echtzeit möglich ist", sagt Kersten.
Museumschef Möllers ist höchst zufrieden mit dem Ergebnis: "Das wirkt alles sehr realistisch." Die Häuser würden nicht wie in anderen VR-Programmen wie grobe Würfel wirken, sondern seien detailreich dargestellt. Da längst nicht von allen Gebäuden Abbildungen aus dem 17. Jahrhundert vorgelegen haben, griffen die Experten von der HCU auch auf historische Ansichten aus Lübeck zurück. Die Grundstruktur für alle 974 dargestellten Stader Stadthäuser bildeten letztlich aber nur 13 verschiedene Hausvarianten.
"Um das Ganze lebendiger zu gestalten, haben wir noch Menschen und Tiere eingefügt", sagt Kersten. Diese könne man als Zusatzmodule dazukaufen, so der Professor. Als Orientierungshilfe sei ein weiteres Feature eingefügt worden: "An bestimmten Stellen lässt sich zurück in die Gegenwart gelangen, um zu wissen, wo man sich gerade befindet." Mittels 360-Grad-Ansicht lasse sich so das historische Stade mit dem heutigen Stadtbild vergleichen.
Ab sofort findet jeden ersten Sonntag im Monat eine öffentliche Führung statt, die eine Stunde dauert. Kosten: 12 Euro, Kinder 4 Euro. Diese Führungen können auch für Gruppen gebucht werden. Buchungen über das Schwedenspeicher-Museum: www.museen-stade.de/schwedenspeicher.
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