Schönes Wetter ist kein Notfall
Notfallmodus bei der Stader Kfz-Zulassungsstelle: Keine Termine für das Saisonkennzeichen am Cabrio
jd. Stade. Der "Hilferuf" der alleinerziehenden Mutter erreichte das WOCHENBLATT am Dienstagmorgen. Der jungen Frau hätte am Mittwochmorgen bereits geholfen werden können. Worum ging es? Sie hatte vergeblich versucht, einen Termin bei der Kfz-Zulassungsstelle zu erhalten. Telefonisch sei sie nicht durchgekommen, und per Online-Reservierung hätte sie frühestens Mitte Mai einen Termin erhalten, so ihre Schilderung. Das Problem: Ihr altes Auto war kaputt gegangen und sie musste ihren frisch gekauften Gebrauchtwagen umgehend anmelden. Denn ohne Auto wäre die Frau aufgeschmissen, würde ihre beiden Jobs verlieren. Der Landkreis erwies sich spontan als Retter in der Not, wollte nach einer Anfrage des WOCHENBLATT umgehend helfen.
Die Geschichte hätte ein Paradebeispiel dafür sein können, wie auch die vielgescholtenen Behörden alles in die Wege leiten, um bei echten Notfällen zu helfen. Wohlgemerkt: hätte. Denn die junge Frau ließ den angebotenen Termin verstreichen. Sie war nicht ans Handy gegangen, als der Leiter des Straßenverkehrsamtes anrief, und hörte auch seine Nachricht auf der Mailbox nicht ab. Als das WOCHENBLATT bei ihr nachhakte, was los sei, stellte sich heraus, dass sie zwischenzeitlich über einen Bekannten die Angelegenheit regeln konnte.
Seitens des Landkreises wird jedenfalls betont: Auch ohne Intervention des WOCHENBLATT wäre der jungen Frau geholfen worden, da es sich tatsächlich um einen Notfall handelt. Allerdings möchte die zuständige Landkreis-Dezernentin Nicole Streitz die Sache nicht allzu hoch hängen: "Es darf hier nicht der Eindruck vermittelt werden, dass alles sofort machbar ist, wenn sich jemand an die Zeitung wendet." Soll es auch nicht, verehrte Dezernentin, meint dazu das WOCHENBLATT. Aber ein Zeichen dafür, dass sich in Corona-Zeiten alle ein wenig mehr um ein besseres Miteinander bemühen, ist es allemal.
Wegen Corona ist seit Mitte März bisher nur die Kfz-Zulassungsstelle in Stade geöffnet gewesen - und auch das nur für Notfälle und nach vorheriger Terminvergabe. Was genau als "Notfall" zu werten ist, das wurde vom Landkreis allerdings nicht definiert. Das Problem der jungen Frau hätte als solcher gegolten.
Bei den meisten, die einen Termin bei der Zulassungsstelle reservieren wollten, war das aber anders: "Bei 80 Prozent der Anfragen handelte es sich nicht um Notfälle", berichtet Streitz. Oftmals sei es um das Saisonkennzeichen gegangen: "Die Leute wollten jetzt ihr über den Winter eingemottetes Cabrio oder das Motorrad aus der Garage holen und bei dem schönen Wetter auf Spritztour gehen." Auch wegen Wohnwagen seien Anfragen eingegangen.
"Dafür haben die Mitarbeiter der Zulassungsstelle natürlich keine Termine vergeben", sagt Streitz. "Sonnenschein ist nun mal kein Notfall." Auch wenn der Wunsch verständlich sei, bei Sonnenschein mit offenem Verdeck durch die Gegend zu fahren. "Das galt auch für den Herrn, der regelmäßig zu Beginn des Sommerhalbjahres seinen Mercedes mit einem Porsche durchtauscht." Auch diesem Fahrzeughalter sei erklärt worden, dass er sich gedulden müsse, bis der Notfall-Betrieb in der Zulassungsstelle beendet sei.
Der Frust bei Anrufern, die abgewiesen werden, sei groß, so Streitz. Doch aufgrund der eingeschränkten Kapazitäten könnten die Mitarbeiter der Zulassungsstelle die anfallende Arbeit ohne Restriktionen nicht bewältigen. Im Hintergrund würden ja auch die Zulassungen für die Autohändler im vollen Umfang weiterbearbeitet. Streitz hofft, dass mit der Lockerung der Beschränkungen wieder etwas Normalität bei der Zulassungsstelle einzieht.
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