Feierabend am Freitag, 18 Uhr: Wer im Landkreis Stade dann noch auf der Corona-Liste steht, muss warten
Positiver Corona-Test: Krankenschwester wartet tagelang auf Nachricht vom Gesundheitsamt
jd. Stade. Seit acht Monaten hat die Pandemie Deutschland im Griff. Man möchte meinen, dass die Verantwortlichen in diesen fast 250 Tagen eine Routine entwickelt haben, um beim Thema Corona zielgerichtet vorzugehen. Schließlich spielt der Faktor Zeit eine große Rolle: Je früher positiv Getestete benachrichtigt und in Isolation geschickt werden, umso effektiver kann die Ausbreitung des Coronavirus ausgebremst werden. Doch immer wieder berichten Betroffene von verschleppten Fällen, die Zweifel am effizienten Handeln der Gesundheitsbehörden aufkommen lassen. Ein erneutes Beispiel, über das man sich nur wundern kann: Eine Frau aus Oldendorf wurde positiv auf Corona getestet, das Stader Gesundheitsamt kontaktierte sie aber erst drei Tage nach Vorliegen des Ergebnisses. Das Fatale dabei: Sie ist Krankenschwester an einem großen Hamburger Klinikum.
Erkältungsbeschwerden mit Symptomen, wie sie auch für Corona typisch sind: Melanie H.* hatte am Donnerstag vergangener Woche gleich ein ungutes Gefühl, als sie bei ihrer Hausarztpraxis anrief. Die Ärztin nahm einen Abstrich. Das Labor arbeitete zügig: Am Freitagnachmittag ging die Probe ein, sechs Stunden später - nachts um halb elf - wurde das positive Testergebnis übermittelt. Die Krankenschwester hatte ihren Arbeitgeber bereits benachrichtigt, dass sie vorsorglich zu Hause bleibt. Sie rechnete nun damit, umgehend, zumindest aber im Laufe des Wochenendes, einen Anruf vom Gesundheitsamt zu erhalten.
Doch Fehlanzeige. Stattdessen rief die Ärztin an, die am Samstag noch mal in den Computer geschaut hatte und Melanie H. über den positiven Corona-Test informierte. Auch der folgende Montag verstrich ohne Anruf aus Stade. Sie selbst versuchte es mehrfach bei der Corona-Hotline des Landkreises. "Da ertönte aber immer nur ein Besetztzeichen", so die Oldendorferin. Frustriert schilderte sie ihren Fall dem WOCHENBLATT. Das hakte gleich am Dienstagmorgen nach - und, oh Wunder: Keine zwei Stunden später rief das Gesundheitsamt bei Melanie H. an und teilte ihr endlich offiziell mit, dass sie sich in Isolation begeben müsse.
Hätte die Krankenschwester nicht so verantwortungsvoll gehandelt, wer weiß, wie viele Kollegen und Patienten sie in der Hamburger Klinik angesteckt hätte. Warum aber rief das Gesundheitsamt erst so spät an? Angeblich soll es in der Handynummer einen Zahlendreher gegeben haben. Auf die Idee, es mit der Festnetznummer zu versuchen, die im Telefonbuch steht, kam das Gesundheitsamt offenbar erst mit einiger Verspätung.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob am Wochenende überhaupt im Gesundheitsamt gearbeitet wird: "Selbstverständlich, gerade angesichts der derzeitigen Pandemie-Situation", heißt es auf WOCHENBLATT-Anfrage. Allerdings sei die Personalstärke eingeschränkt. Was immer das heißen mag. Positive Befunde teile man den Betroffenen bis zum Dienstschluss am Freitagabend gegen 18 Uhr mit, so der Landkreis. Am Wochenende sei eine Benachrichtigung aufgrund der dünneren Personaldecke nicht immer zeitnah möglich. Zudem seien viele Getestete am Wochenende schlechter erreichbar.
Melanie H. kann damit nicht gemeint sein: Sie hatte das ganze Wochenende auf den Anruf aus Stade gewartet - leider vergeblich.
* Name v.d. Red. geändert
27 Mitarbeiter in Sachen Corona tätig
Nach Angaben des Landkreises sind derzeit 27 Personen beim Gesundheitsamt in Sachen Corona (Testung, Kontaktverfolgung, Benachrichtigung usw.) im Einsatz, davon sind neun Mitarbeiter aus anderen Bereichen der Kreisverwaltung und sechs Angehörige des DRK. Insgesamt handelt sich aber nur um 19 Vollzeitstellen, da viele in Teilzeit arbeiten.
KOMMENTAR: Das Virus geht auch nicht ins Wochenende
Dieser Fall zeigt mal wieder auf, dass im Umgang mit Corona-Fällen manches im Argen liegt: Gerade bei einer Person, die an exponierter Stelle im Gesundheitswesen tätig ist, dürfen doch nicht mehrere Tage verstreichen, bis sich endlich das Gesundheitsamt rührt und Isolation anordnet. Hier sind zwingend Vorgaben erforderlich, dass Betroffene noch am selben Tag über ein positives Testergebnis informiert werden.
Und wenn am Freitag um 18 Uhr noch Personen auf der Liste stehen, dann müssen eben Überstunden gemacht werden. Dienst nach Vorschrift passt nicht zum ausufernden Pandemie-Geschehen.
Und es passt auch nicht zusammen, wenn einerseits Labore bis spät in die Nacht tätig sind, um die Behörden möglichst zügig über Testergebnisse zu informieren, diese Ergebnisse aber bei den Gesundheitsämtern übers Wochenende liegen bleiben, weil die Mitarbeiter pünktlich nach Hause gegangen sind.
Das Argument, die personellen Kapazitäten beim Gesundheitsamt würden nicht ausreichen, zählt für mich nicht: Auch Mitarbeiter aus anderen Abteilungen können beim Wochenenddienst einspringen. Es geht doch nur darum, Anrufe zu tätigen. Dazu dürfte doch wohl jeder in der Landkreis-Verwaltung in der Lage sein.
Jörg Dammann
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