Prunk und Männer-Rituale in Stade

Am Bruderbaum mit funkelnden Berufsemblemen (v. li.): Museumsdirektor Dr. Sebastian Möllers und die Brüderschaftsvertreter Lüder Scholz, Wolfgang Marienfeld, Christian Feneis und Jürgen BAacke
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  • Am Bruderbaum mit funkelnden Berufsemblemen (v. li.): Museumsdirektor Dr. Sebastian Möllers und die Brüderschaftsvertreter Lüder Scholz, Wolfgang Marienfeld, Christian Feneis und Jürgen BAacke
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"Den Armen tom Besten": Ausstellung "600 Jahre Brüderschaften" im Schwedenspeicher

tp. Stade. Frauen müssen draußen bleiben, bei den Feiern lassen die Zylinder-Herren buchstäblich die Fetzen fliegen, im prunkvollen Spendenpott landen auf einen Schlag bis zu 30.000 Euro. Die Welt der Brüderschaften mit ihren sonderbaren Ritualen ist für viele ein Rätsel.

Vier Brüderschaften gibt es in Stade. Alle bekämpfen verschämte Armut bedürftiger Menschen im Stadtgebiet. Gleichzeitig haben die Verbindungen im Lauf der Jahrhunderte Kunstschätze angesammelt, die in Banktresoren lagern.

In der Ausstellung "'Den Armen tom Besten' - 600 Jahre Brüderschaften in Stade" geben die St. Pankratii-Brüderschaft von 1414, die St. Antonii-Brüderschaft von 1439, die Rosenkranz-Gottes-Hülfe-Brüderschaft von 1482 und die Kaufleute- und Schiffer-Brüderschaft von 1556 im Schwedenspeicher Einblick in ihre Geschichte.

Brüderschaften waren Ausdruck der spätmittelalterlichen Frömmigkeitskultur. In ihnen schlossen sich wohlhabende Bürger verschiedener Berufsgruppen zu einer lebenslangen Gemeinschaft zusammen, das gemeinsame Totengedenken sicherte eine nahezu unbegrenzte Erinnerung an die einzelne Person.

Ein jähes Ende fanden die meisten Gebetsbrüderschaften im Zuge der Reformation. Martin Luther legte den Finger in die Wunden, mit einem Blick auf die „bösen Übungen der Bruderschaften“: „Eine unter ihnen ist die, dass man ein Fressen und Saufen ausrichtet, eine oder mehrere Messen halten lässt, nach denen der ganze Tag und die Nacht und der nächste Tag dazu dem Teufel zu eigen gegeben werden. Da geschieht nichts anderes, als was Gott missfällt."

Diese drastische Einschätzung haben die wenigsten Brüderschaften überlebt. Ganz anders in Stade, wo bereits kurz nach der Reformation evangelische und katholische Geistliche in den Brüderschaften gemeinsam feierten und sogar aus einem Pokal tranken.

Im 19. Jahrhundert gaben sich die Brüderschaften neue Satzungen und wurden als juristische Personen oder Vereine eingetragen. Aus dieser Zeit stammen die noch gültigen Tanz-, Kleider und Festordnungen. Bekannt ist etwa die symbolische Papierschlacht der Kaufleute- und Schiffer-Brüderschaft.

Die Ausstellung folgt den Stader Brüderschaften durch ihre 600-jährige Geschichte. Präsentiert werden Urkunden und Archivalien, Silberpokale, Spendenbüchsen und verschiedene Ritualgegenstände. Filme geben Einblick in die Feste. Interviews vergegenwärtigen den Spagat zwischen Tradition und Moderne.

Zur Ausstellung erscheint ein Begleitband für 12,80 Euro.

An den Sonntagen führen Mitglieder der Brüderschaften Besucher von 15 bis 16 Uhr kostenlos durch die Ausstellung.

Aus Anlass der Ausstellung wurden alle 4.470 Mitglieder der Brüderschaften seit ihrer Gründung in einer Datenbank zusammengefasst, die in Kürze über ein Recherchetool durchsucht werden kann: http://www.museen-stade.de/schwedenspeicher/medienstationen-online/bruder-gesucht/

Redakteur:

Thorsten Penz aus Stade

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