Wenn Frauen zum ersten Mal auf ein Rad steigen
Radfahren lernen bei der Stader Verkehrswacht: Frauen mit Migrationshintergrund nahmen an Kurs teil

Das muss noch geübt werden: Peter Stötzner will den Zebrastreifen passieren, doch Serpil Dagdelen hält nicht an | Foto: jd
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jd. Stade. Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr: Mehrere Frauen aus Stade haben bewiesen, dass diese alte deutsche Weisheit nicht zutrifft. Sie lernten innerhalb weniger Tage Radfahren - und das in einem Alter zwischen 30 und fast 60 Jahren. Die Migrantinnen nahmen an einem Kurs der Verkehrswacht Stade teil. Auf einem Drahtesel haben die meisten von ihnen bisher nicht gesessen. Sie mussten die Fertigkeiten, die zum sicheren Lenken eines Rades gehören, von der Pike auf lernen. Das fing an mit dem Kinder-Laufrad, um das Gleichgewicht zu halten.

Ausrichter des viertägigen Intensiv-Lehrgangs in Sachen Radfahren ist die "MachMitZentrale" (MaMiZ) für ehrenamtliche Integrationsarbeit, die beim Diakonieverband angesiedelt ist. "Die Anregung zu einem solchen Kurs ist aus dem Kreis unserer ehrenamtlichen Betreuerinnen gekommen", sagt MaMiZ-Mitarbeiterin Karin Lange. Diese hätten festgestellt, dass viele Frauen mit Migrationshintergrund nicht Rad fahren können.

Lange ist die ganze Zeit vor Ort und assistiert Peter Stötzner von der Verkehrswacht bei der Schulung auf dem Gelände des Stader Verkehrsübungsplatzes in Hahle. Wo sonst vornehmlich Grundschulkinder die Verkehrsregeln trainieren, dreht Rima Kasem ihre Runden. Die 32-jährige Syrerin, die vor rund vier Jahren nach Deutschland gekommen ist, bewältigt den Parcours bereits in flottem Tempo. "Das ist die gelehrigste Schülerin", sagt Stötzner. Sie habe er bereits auf den Übungsplatz schicken können, während die anderen noch die Grundlagen wie das Auf- und Absteigen, das Bremsen und das Geben von Handzeichen lernen müssen.

Rima Kasem beherrscht das Slalom um die Hütchen schon ganz gut. Dabei hat die 32-Jährige das Radfahren erst kurz vorher erlernt - auf einem Kurs der Verkehrswacht | Foto: jd
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In der Aufregung unterlaufen Rima Kasem aber noch einige Fehler. Mal biegt sie falsch herum in den Kreisel ein, mal überfährt sie das Stopp-Schild. Sobald die Regeln sitzen, will sie in Stade regelmäßig mit dem Rad unterwegs sein. Hier darf sie es. "In Syrien fahren erwachsene Frauen nicht Rad. Das ist einfach so", erzählt Rima Kasem. Das Gleiche berichtet Heresteh Haghi aus dem Iran. Seit 13 Jahren lebt sie in Deutschland. Nun werde es endlich Zeit, selbst mal in die Pedale zu treten. Denn sicher Rad fahren zu können, gebe ihr auch ein Stück weit Unabhängigkeit.

Schließlich geht es mit allen auf die Übungsstrecke. Für Peter Stötzner ist das eine schweißtreibende Angelegenheit. Er muss überall seine Augen haben, um Regelverstöße gleich mit mahnenden Worten zu ahnden. Dennoch merkt man es ihm an: Das Ganze macht ihm sichtlich Spaß. Zu den Frauen hat er schnell einen guten Draht gefunden - und er ist ihnen auch nicht böse, wenn sie mal wieder seine Anweisungen zum richtigen Verhalten im Straßenverkehr ignorieren. "Einige müssen sich eben immer noch darauf konzentrieren, sich auf dem Rad zu halten", meint Stötzner. Da werde schon mal ein Verkehrsschild nicht beachtet.

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So wie bei Serpil Dagdelen: Die gebürtige Türkin übersieht glatt den Zebrastreifen, wo Stötzner den Passanten mimt. Der Mann von der Verkehrswacht reißt theatralisch die Hände in die Luft, als er mit dem Rad kollidiert. Was hier noch gestellt ist, kann in der Realität böse ins Auge gehen. Dagdelin verspricht Stötzner, künftig besser aufzupassen. Die 56-Jährige aus Bützfleth hat einige Probleme. "Ein 28-Zoll-Rad ist einfach zu groß für mich." Ihr Mann habe ihr aber schon ein "26-Zoller" gekauft. Künftig will sie damit regelmäßig in die Stader City radeln. Üben unter realistischen Bedingungen kann sie am letzten Kurstag. Dann wollen Stötzner und Lange mit ihren Schützlingen eine Radtour durch Hahle unternehmen.

Redakteur:

Jörg Dammann aus Stade

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