Kann der Schutzbunker noch genutzt werden?
Relikt aus dem Kalten Krieg: Die Stader Bunker-Klinik
Nach dem Untergang der Sowjetunion wurden die Bundeswehr-Standorte Stade und Buxtehude aufgegeben. Die Kasernengebäude verwandelten sich in Wohnhäuser. Auch ein anderes Bauwerk, das in Zeiten des Kalten Krieges errichtet wurde, hat inzwischen eine andere Funktion: Im Stader Stadtteil Wiepenkathen befand sich ein unterirdisches Krankenhaus. Genutzt wurde die Bunker-Klinik, deren ein Meter dicke Stahlbetondecke vor Artilleriebeschuss schützen sollte, nie. Nun stellt sich die Frage: Könnte der rund 2.800 Quadratmeter große Komplex in diesen unsicheren Zeiten womöglich als Schutzraum reaktiviert werden? Die Antwort aus dem Kreishaus ist ziemlich eindeutig.
Ausgelegt war das sogenannte Hilfskrankenhaus auf 226 Patienten und 108 Mitarbeiter. Zur Ausstattung der zwischen 1984 und 1990 errichteten Anlage gehörten fünf Operationssäle, Sicherheits-Schleusen, eine eigene Großküche sowie Schlafsäle mit dreistöckigen Hochbetten. Die medizinischen Gerätschaften wie OP-Tische waren schon damals veraltet, die hygienischen Bedingungen eher schwierig: Die einzige Gemeinschaftsdusche war lediglich mit sechs Brausen bestückt. Im Notfall hätten Abwasser und Fäkalien mittels einer Handkurbel in die Kanalisation gepumpt werden müssen. Die Wasserversorgung war über einen 38 Meter tiefen Brunnen gesichert, Heizöl zum Betrieb der Notstromaggregate konnte in riesigen, mehr als 90.000 Liter fassenden Tanks gebunkert werden.
Die Pläne des Bundes sahen vor, dass das Notfall-Lazarett im Ernstfall binnen vier Wochen in Betrieb gehen sollte. Warme Wolldecken lagen zwar schon stapelweise bereit, doch es ist fraglich, ob eine Nutzung über einen Zeitraum von mehreren Wochen oder gar Monaten überhaupt möglich gewesen wäre. Denn laut Auskunft der für den Katastrophenschutz zuständigen Kreis-Dezernentin Nicole Streitz fehlt eine leistungsfähige Lüftungsanlage. "Wenn sich dort unten mehr als 300 Menschen aufhalten würden, wäre allein durch die Atemluft die Luftfeuchtigkeit extrem hoch." Ohne eine entsprechende Entlüftung könnten die Räume gar nicht ausreichend klimatisiert werden.
Jodtabletten für den atomaren Ernstfall
Das war letztlich auch kein Thema mehr, als der Landkreis 2009 den zwischenzeitlich zum "Schutzraumbau" umgewidmeten Klinik-Bunker übernahm. Seitdem seien die Räumlichkeiten nicht mehr als ein "hochwertiger Keller", so Streitz. Ende der 1980er Jahre beliefen sich die Baukosten auf 7,6 Millionen D-Mark (ca. 3,8 Millionen Euro). Ein Abriss würde ebenfalls Millionen verschlingen. So beschloss der Landkreis, die Anlage als Lagerraum zu nutzen. Ein Teil der Räume ist an die Elbe Kliniken vermietet, die dort ihre Krankenakten archivieren. "Von den Mieteinnahmen finanzieren wir die Unterhaltung der gesamten Anlage", so Streitz.
Das Krankenhaus-Interieur mitsamt der Betten sowie Paletten mit Lebensmittelmarken wurde in den vergangenen Jahren ausgeräumt. Dafür lagert dort jetzt tief unter der Erde Ausrüstung für den Katastrophenschutz. Auch für einen atomaren Zwischenfall ist vorgesorgt: Es stapeln sich Kartons mit Jodtabletten. Massenweise Trainingsanzüge sind für diejenigen bestimmt, die ihre radioaktiv kontaminierte Kleidung ablegen müssen.
Feuerwehr übt Menschenrettung
Außerdem tummelt sich immer wieder die Feuerwehr in den unterirdischen Räumen. "Die Atemschutzträger aus den Ortswehren üben in den Gängen und Zimmern die Rettung von Menschen aus verqualmten Gebäuden", berichtet Streitz. Um die Bedingungen während des Einsatzes zu simulieren - die Sicht ist dann wegen des Rauchs gleich null - werden die Masken zugeklebt. Ab und zu habe der Ex-Bunker noch als Ausflugsziel für die Jugendfeuerwehr gedient, so die Dezernentin. "Das war für die Jugendlichen schon ein kleines Abenteuer, dort zu übernachten."
Dass das unterirdische Bauwerk wieder seine alte Funktion zurückerhält, scheint ausgeschlossen. Eine erneute Nutzung als Schutzbunker sei nicht realistisch, erklärt Streitz in Hinblick auf die mangelnde technische Ausstattung. Und wenn das wirklich ein Thema wäre: "Wer soll denn die rund 300 Personen bestimmen, die dort im Ernstfall untergebracht werden können?"
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.