Viktor Henze arbeitet als Streetworker im Altländer Viertel
Schwieriges Umfeld, schwierige Fälle
jd. Stade. Seine Arbeitszeit endet an manchen Tagen erst nach Mitternacht, sein Arbeitsplatz ist sowohl der Schreibtisch als auch die Straße und seine Arbeitsleistung lässt sich weder nach bearbeiteten Aktenstapeln noch nach anderen bürokratischen Kategorien bemessen: Viktor Henze (57) arbeitet seit knapp zwei Jahren als Streetworker und Quartiermanager im Altländer Viertel. Die Politik erhielt jetzt einen Einblick in seine Tätigkeit, die geprägt ist vom Bemühen um eine besonders schwierige Klientel: Jugendliche und junge Erwachsene mit Migrationshintergund, oftmals aus der Türkei, dem arabisch-afghanischen Raum oder Südosteuropa stammend und bildungsfernen Familien angehörend.
"Meine Zielgruppe sind junge Menschen bis 27 Jahre", sagt Henze. Im Umgang mit seiner Klientel zeigt Henze "klare Kante". Schließlich kann er als Streetworker nur bestehen, wenn er sich Respekt verschafft und deutliche Ansagen macht. Was es heißt, als Fremder nach Deutschland zu kommen, hat der Diplom-Sportlehrer selbst erfahren: Henze ist 1996 als "Spätaussiedler" von Russland hierher gezogen.
Er wolle nicht behaupten, dass die von ihm betreuten Jugendlichen faul seien, meint Henze. Aber sie würden einige Zeit benötigen, um zu begreifen, dass sie nur durch Lernen und Arbeit etwas erreichen können. Integrationsarbeit zu leisten, sei vor diesem Hintergrund eine große Herausforderung. "Gerade Schüler aus dem Altländer Viertel leben oftmals in zwei Welten", so Henze: Da sei einmal die Schule und dann gebe es das ganz anders strukturierte Umfeld zu Hause.
Henze zog den Vergleich zu Haddorf, wo er bereits seit 2006 auf Honorarbasis als Streetworker arbeitet und wo er immer noch mit einer Viertelstelle tätig ist: "Dort habe ich immer viel mit jungen Russen und Polen zu tun gehabt." Die seien anders als die Jugendlichen im "Viertel": "In Haddorf wollen die jungen Menschen von Haus aus arbeiten. Dazu werden sie von ihren Eltern angehalten."
Besonders ärgert sich Henze darüber, wenn seine jugendlichen Klienten nicht zu den vereinbarten Gesprächsterminen in der Begegnungsstätte "ALVI" erscheinen. Rund 40 Prozent der abgemachten Beratungstermine würden platzen, weil die betreffende Person nicht kommt - obwohl es oft um Bewerbungen, Ausbildungsplätze oder wichtige persönliche Dinge geht. "Viele jüngere Bewohner des Altländer Viertels sehen eine solche Terminabsprache offenbar nicht als verbindlich an und kommen hinterher mit faulen Ausreden." Als Streetworker müsse man ohnehin damit rechnen, dass "die Jugendlichen Sachen erzählen, die nicht stimmen".
Neben dem Altländer Viertel und Haddorf gehören auch die Altstadt und das Bahnhofsumfeld zu Henzes "Revier". Dort ist er vor allem in der sogenannten "aufsuchenden Jugendarbeit" tätig: Der Streetworker geht auf die Cliquen zu, die sich am Burggraben oder auf dem Skaterpark aufhalten, spricht die jungen Leute an und erkundigt sich, wie es auf dem Arbeitsamt oder bei der Berufsberatung gelaufen ist.
Dass diese Jugendlichen denkbar schlechte Voraussetzungen für einen erfolgreichen Start ins Berufsleben haben, weiß auch Henze: "Viele haben keine ausreichende Schulbildung, haben Lernprobleme, konsumieren Drogen oder sind bereits kriminell geworden." Dennoch hat der Streetworker es geschafft, einige von ihnen in Jobs zu vermitteln oder in Ausbildung zu bringen.
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