Christina Reszkowski half eine Woche lang im Hochwassergebiet
Sie opferte ihren Urlaub, um zu helfen: Staderin schaufelte an der Ahr Schlamm und Schutt
jd. Stade. "Ich muss das Erlebte jetzt erst einmal für mich verarbeiten." - Christina Reszkowski merkt man an, dass diese Tage Spuren bei ihr hinterlassen haben. Die Staderin packte in ihrem Urlaub als freiwillige Helferin im Hochwasserkatastrophengebiet an. Eine Woche lang schaufelte sie im Ahrtal (Rheinland-Pfalz) Schlamm, räumte Schutt beiseite und versorgte Menschen mit dem Nötigsten. Das Besondere an ihrem ehrenamtlichen Einsatz: Die Hafenfacharbeiterin gehört keiner Hilfsorganisation an. Sie hat sich auf eigene Faust auf den Weg in das Katastrophengebiet gemacht. Unweit der Ahr gibt es ein spezielles Camp, das eigens für private Helfer eingerichtet ist.
"Unsere Firma hat eine eigene Info-App. Da ploppte die Meldung auf, dass in den Hochwasserregionen noch helfende Hände benötigt werden", berichtet die 40-Jährige. Noch am selben Abend packte sie ihre Tasche, besorgte sich von einem Bekannten Arbeits-Gummistiefel und stieg ins Auto. Am frühen Morgen kam sie im Camp in der Gemeinde Grafschaft an. Der Ort liegt im besonders schwer von den Fluten getroffenen Landkreis Ahrweiler. Dort wurde die Staderin gleich von anderen Helfern begrüßt und zu ihrer ersten Einsatzstelle mitgenommen. "Das hieß nur: Lass das Auto hier mal stehen. Dein Zelt kannst du heute Abend noch aufbauen."
Mit einem Reisebus ging es die rund zehn Kilometer ins Ahrtal. Noch im Bus sei die Ansage gekommen, die Handys vorerst in den Taschen zu lassen, so Reszkowski. "Es gab wohl schon einige Katastrophen-Touristen, die nur Bilder für ihre Instagram-Story geknipst haben statt wirklich zu helfen." Sie selbst war an den ersten Tagen zum Schlammschippen und zum Beseitigen von Schutt eingeteilt. "Das war schon ziemlich anstrengend", sagt Reszkowski. Eine richtige Plackerei sei aber der Einsatz in einem Jugendheim gewesen, wo zehn Kellerräume von stinkendem Matsch befreit werden mussten. "Wir hatten eine Eimerkette gebildet." Der feuchte Schlamm sei aber so schwer gewesen, dass die Eimer nur halb gefüllt werden konnten.
Danach übernahm die Helferin Aufgaben, die körperlich nicht ganz so anstrengend waren. Den einen Tag zogen sie und andere Freiwillige mit einer großen Schubkarre vollbepackt mit Masken, Handschuhen, Verbandszeug, Desinfektionsmittel und anderen wichtigen Utensilien durch die zerstörten Straßenzüge an der Ahr und schauten, ob sich in den Hausruinen noch Menschen aufhielten, die irgendetwas benötigten. "Die Menschen, die geblieben sind, waren dankbar auch für ganz kleine Dinge wie etwa Zettel und Kuli, um sich etwas aufschreiben zu können", berichtet Reszkowski. Auch Zeitungen seien begehrt gewesen: "Viele Menschen dort haben mir gesagt, sie würden gar nicht mehr wissen, was in der Welt passiert." Fernseher und Radios seien kaputt, der Strom abgeschaltet und auch das Handynetz funktioniere noch nicht richtig.
Das Ausmaß der Schäden sei ihr eigentlich erst vor Ort richtig klar geworden, so die Staderin. "Diese Bilder musste ich erst einmal verarbeiten." Hilfreich seien die abendlichen Runden im großen Versammlungszelt des Helfer-Camps gewesen. "Da konnten wir gemeinsam über das Erlebte sprechen. Das tat uns allen wirklich gut."
Oftmals belastend seien für sie die Gespräche mit den Einheimischen gewesen. Die meisten hätten inzwischen realisiert, dass sie jetzt vor dem Nichts stünden. Die Menschen seien zwar dankbar für jede helfende Hand, die mit anpackt. Doch viele würden sich darüber ärgern, dass es seitens der Behörden bisher so gut wie keine Unterstützung gab. Die Ungewissheit, ob und wie viel Geld sie für den Wiederaufbau ihrer Häuser bekommen, mache die Betroffenen mürbe.
Reszkowski wurde immer wieder mit Schilderungen der Katastrophennacht konfrontiert: "Eine Frau erzählte mir, wie sie mitten in der Nacht die Eltern aus dem Nachbarhaus zu sich hinübergeholt haben und sich dann alle vor den Wassermassen aufs Dach retteten. 13 Stunden haben sie dort ausgeharrt, bis Hilfe kam. Die Familie musste mit ansehen, wie das Elternhaus dann einfach wegschwamm." Sie habe sich zusammenreißen müssen, um bei solchen Berichten nicht selber in Tränen auszubrechen, meint Reszkowski. "Schließlich sollten wir zuhören, wenn die Menschen sich ihre Last von der Seele reden, und nicht auch noch anfangen zu weinen."
Lobende Worte findet die Staderin für die Organisation im Helfer-Camp: "Wir wurden bestens verpflegt. Abends gab es immer eine warme Mahlzeit." Ein Getränkelieferant habe einen Gratis-Ausschank eingerichtet und die Firma Haribo, die nebenan produziert, habe jede Menge Süßigkeiten gespendet. Die habe sie auch gebraucht: "Die süßen Sachen waren meine Nervennahrung."
Nach zwei Regennächten konnte Reszkowski sogar vom Zelt in ein bequemes Bett umsiedeln. Ein Ehepaar, dessen Haus nicht durch das Hochwasser beschädigt wurde, hatte ihr angeboten, sich bei ihnen einzuquartieren. "Einfach eine wildfremde Person bei sich aufzunehmen - das zeugt schon von enormer Gastfreundschaft."
Auch wenn der Einsatz oftmals physisch und auch psychisch sehr belastend war: "Ich würde immer wieder an die Ahr runterfahren. Dort wird noch so viel Hilfe benötigt." Ihre Gastgeber würden sie jederzeit wieder aufnehmen. Reszkowski will jetzt bei ihrem Arbeitgeber nachfragen, ob er ihr für einen weiteren Einsatz freigibt.
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