Stress auf der Schiene: Nur leere Versprechungen der Verkehrsmanager?
Bahnexperten wollen vieles besser machen - aber: Pendler fühlen sich weiterhin nicht gut informiert
jab/tk. Landkreis.
"Das wird alles nicht so schlimm", versprachen jüngst die Vertreter mehrerer Bahnunternehmen den Verkehrspolitikern im Landkreis Stade. Der Grund ihrer Beschwichtigungs-Mission: In den kommenden Jahren stehen Riesenbauprojekte auf der Strecke zwischen Stade und Hamburg an. Das werde gut koordiniert, die Pendler und Reisenden werden rechtzeitig informiert, die Negativfolgen werden so klein wie möglich gehalten (das WOCHENBLATT berichtete). Die, die es betrifft, die Berufspendler, sehen das weniger optimistisch.
Sie sind schon jetzt genervt und kritisieren: Der Investitionsstau der Bahn werde jetzt mit massiven Maßnahmen behoben, die nicht ohne gravierende Folgen bleiben. Von den angekündigten Ideen der Bahnexperten - etwa der besseren Information - sei bisher nichts umgesetzt oder spürbar, kritisieren die Pendler auf WOCHENBLATT-Nachfrage.
"Wie wird das erst im Sommer, wenn es mit den Baustellen richtig losgeht?", fragt sich eine Leserin, die nach eigenem Bekunden "schon schlaflose Nächte" hat. Weitere Kritikpunkte der WOCHENBLATT-Leser: Die Busse im Schienenersatzverkehr seien schon jetzt überfüllt und würden zu spät losfahren. Anschlusszug erreichen? Fehlanzeige. Eltern kommen zu spät nach Hause, um ihre Kinder rechtzeitig von der Kita abzuholen. Pendler kommen zu spät zur Arbeit und fotografieren daher die Infotafeln und das Chaos an den Ersatzbus-Haltestellen für ihren Arbeitgeber als Beweis für ihr unverschuldetes Zuspätkommen.
"Wir sehen alle ein, dass Baumaßnahmen sein müssen, aber man möchte nicht veralbert werden", schrieb Wiebke Meinke, Pendlerin aus Horneburg, in einem Leserbrief an die WOCHENBLATT-Redaktion. Sie berichtete von ihren Erfahrungen auf der Strecke von Horneburg Richtung Hamburg Jungfernstieg und nahm dabei Bezug auf die bevorstehenden Baumaßnahmen an den Gleisen.
Sie habe bereits vergangenen Sommer das Bahnchaos erlebt, bei dem die Pendler über die Bahnsteige und Treppen zum nächsten Zug hetzen mussten, um ihre Anschlüsse zu erreichen. Sie begrüße daher den Vorschlag der Bahnexperten im Verkehrsausschuss vergangene Woche, die Umstiegsmöglichkeiten für Reisende zu verbessern.
Der Schienenersatzverkehr sei für sie ein Witz: "Wenn auf den Schienen mal wieder gar nichts geht, sollen dann gefühlt 500 Menschen in einen Bus." Das Auto oder der Bus über Finkenwerder seien für sie keine Alternative, da die Straßen immer sehr staulastig seien, schrieb Meinke. Wende man sich als Privatperson an die Bahn oder den HVV, passiere gar nichts. Daher wünsche sie sich, dass auch Pendler im "Baustellenplenum" mitreden dürfen.
Mit ihrer Meinung steht die WOCHENBLATT-Leserin nicht allein da. Auch andere Pendler äußerten sich kritisch. Eine Berufspendlerin aus Harsefeld erzählte, sie merke noch nichts davon, dass sich in Baustellenphasen für Bahnfahrer etwas verbessert habe. Auch eine bessere Kommunikation seitens der Betreiber habe sie nicht bemerkt. Sie habe aber aus ihren jahrelangen Erfahrungen gelernt: "Wenn Baustellen angekündigt werden, spreche ich mit meinem Chef und versuche in der Zeit von Zuhause aus zu arbeiten."
Stella Lammers aus Buxtehude fährt täglich die Strecke nach Hamburg. Die Pendlerin hat bisher Glück, da sie mit der Verkehrsgesellschaft "Start" direkt nach Altona durchfahren kann und so bislang von großen Beeinträchtigungen verschont bleibt - noch. Denn: Ab Sommer fährt auch diese Bahn nur noch bis Harburg. "Da werden viele wieder auf das Auto umsteigen", meint sie. Bereits am Montag fiel auf ihrem Rückweg ein "Verstärkerzug" aus, der die Lücken der S-Bahn ausgleichen sollte. "Da stehen dann alle wie die Sardinen in der Büchse. Dazu gibt es nicht genügend Haltegriffe", so die Buxtehuderin. Aber man könne im Gedränge ja eh nicht umfallen, ergänzt sie. Lammers wünscht sich vor allem, dass die Verkehrsbetriebe rechtzeitig über die Baustellen und Sperrungen informieren, so wie diese es auch angekündigt haben.
Zum Hintergrund: Im Verkehrsausschuss des Landkreises Stade äußerten die Experten der Bahnbetriebe und -gesellschaften vergangene Woche mögliche Ideen, die den Pendlern entlang der Strecke Cuxhaven - Hamburg die täglichen Fahrten angenehmer machen sollen. Die anstehenden Baumaßnahmen, die bereits jetzt im Frühjahr auf dieser Strecke gestartet sind, werden voraussichtlich noch bis ins Jahr 2025 hineinreichen. Die Nerven der Pendler werden also ein ums andere Mal auf eine harte Probe gestellt werden.
Vorgeschlagen wurde, vor allem die Kommunikation untereinander, aber auch mit den Bahnreisenden zu verbessern. Kunden sollen rechtzeitig über anstehende Baustellen und alternative Fahrpläne informiert werden. Zusätzlich sollen Bauarbeiten besser koordiniert werden, um einen Verkehrsinfarkt zu verhindern.
Diese Vorschläge der Betriebe scheinen noch nicht bei den Bahnfahrern angekommen zu sein. Auch in Facebook-Gruppen im Landkreis Stade wird die Bahnsituation immer wieder heiß diskutiert. Die Pendler geben dort auch Meldungen zu aktuellen Vorkommnissen, wie Verspätungen, Sperrungen und überfüllten Zügen bzw. Bussen, ab. Auf die Frage, wie es morgens beim Schienenersatzverkehr aussehe, da die Regionalbahn 5 "brechend voll" gewesen sei, kamen prompt die Antworten zu den katastrophalen Zuständen an den Haltestellen. S-Bahn und Bus kamen hier als Alternative zum RE5 also nicht in Frage. Haben Sie solche oder andere Erfahrungen mit der Bahn gemacht? Welche Sorgen beschäftigen Sie im Zusammenhang mit den Baustellen?
Ihre Geschichten interessieren uns! Schreiben Sie einfach eine Nachricht an jaana.bollmann@kreiszeitung.net. Sind auch Sie betroffen?
Redakteur:Jaana Bollmann aus Stade |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.