Streit um Shishaladen in Buchholz
Tödliche Messerattacke in Stade: Die Hintergründe der Tat
Nach der tödlichen Messerattacke auf ein Mitglied der arabisch-stämmigen Großfamilie El-Zein/Al-Zein in Stade fahndet die Polizei weiter nach dem Täter. Nach WOCHENBLATT-Informationen könnte sich der Mann in die Türkei abgesetzt haben. Inzwischen gibt es auch einige Erkenntnisse zu den Hintergründen der Tat. Allerdings hüllt sich die Polizei zum Stand der Ermittlungen weiter in Schweigen. Das WOCHENBLATT hat aber mit Personen aus dem Umfeld der beiden beteiligten Familienclans gesprochen. Dabei kristallisiert sich immer weiter heraus, dass die Ursache des Streits zwischen den Stader Zweigen der Familien El-Zein und Miri in der Konkurrenz beim Betrieb von Shisha-Läden liegt. Mit einer derartigen Eskalation der Auseinandersetzung, dass am Ende sogar jemand getötet wird, habe aber niemand gerechnet, heißt es von den Familien.
Vorgeschichte der Tat beginnt in Buchholz
Auch wenn sich die Tat in Stade abgespielt hat: Grund für den Zwist zwischen beiden Familien soll die Eröffnung eines Shisha-Geschäfts in Buchholz durch einen Cousin der Stader El-Zeins im vergangenen Jahr sein. Das passte der Familie Miri nicht, die in der Nordheide-Stadt schon länger einen Shisha-Laden betreibt. Die El-Zeins bewarben ihren neuen Laden intensiv in den sozialen Medien. Bei der Konkurrenz staute sich Ärger auf. Die Miris drehten den Spieß um und dehnten den Konflikt auf Stade aus: Sie boten nun auch in ihrem Sportgeschäft nahe des Stader Fischmarktes Shisha-Zubehör und -Tabak an. Diese Sortimentserweiterung empfanden die Stader El-Zeins offenbar als Provokation. Der Familie gehört das Shisha-Geschäft in der Großen Schmiedestraße in Stade.
Sportgeschäft in Stade gestürmt
Vor der Bluttat am Rande der Stader Altstadt überstürzten sich offenbar die Ereignisse. Angehörige des El-Zein-Clans statteten dem Stader Miri-Laden einen "Besuch" ab, demolierten Teile der Einrichtung und verprügelten den jüngsten der drei Miri-Brüder, die das Geschäft betreiben. Daraufhin fuhren dessen Verwandte zu einer Wohnung der El-Zeins im Altländer Viertel, hämmerten an der Tür und bedrohten dort offenbar zwei Frauen. Während die El-Zeins ihren Frauen zu Hilfe kommen wollten, waren die Miris auf dem Rückweg. An der Straße "Beim Salztor" trafen die Konkurrenten aufeinander, durch einen absichtlichen Crash wurde ein Auto zum Stoppen gezwungen. Die Streithähne verließen die Fahrzeuge, ein Wort gab das andere, es folgten Handgreiflichkeiten. Ein Cousin der Stader Miris zückte schließlich ein Messer und stach zu.
Keine Rache: Streit soll beigelegt sein
So weit die Schilderungen zu den mutmaßlichen Tatumständen, die das WOCHENBLATT aus verschiedenen Quellen zusammengetragen hat. Der Zusammenhang mit Buchholz wird bereits dadurch deutlich, dass die Polizei dort im Nachgang der Tat ebenso wie in Stade erhöhte Präsenz zeigte. Die Befürchtung, dass die Auseinandersetzungen zwischen den beiden Großfamilien in Stade und Buchholz weiter eskalieren und womöglich Racheakte verübt werden, ist bisher nicht eingetreten. "Es wird auch zu keinen weiteren Taten kommen und es wird auch keine Rache geben. Der Streit ist beigelegt", versichert jemand, der beide Familien kennt, aber lieber anonym bleiben möchte. Der Täter sei ein entfernter Verwandter der Miris, den niemand in Stade kenne.
Verstoß gegen Ehrenkodex
Der Mann habe gegen die ungeschriebene Regel verstoßen, selbst bei handfesten Auseinandersetzungen niemals Waffen oder Messer einzusetzen, heißt es aus dem Umfeld der Clans. Außer Fäusten dürfen laut Ehrenkodex allenfalls Knüppel eingesetzt werden, wie beim "Überfall" auf das Geschäft der Stader Miris. Ebenfalls "ehrenlos" - wie es im Slang heißt - war es aber auch, Frauen in den Konflikt hinzuziehen. Solche Streitigkeiten auszufechten, sei Männersache - und dazu gehöre eben auch mal eine Prügelei. Den Vorfall als Clan-Kriminalität zu bewerten, sei jedenfalls grundsätzlich falsch, meint jemand, der die Beteiligten kennt: "Die Männer leben seit ihrer Kindheit in Stade, sie sind bodenständige und seriöse Geschäftsleute, haben weder mit Drogen noch mit anderen kriminellen Handlungen etwas am Hut."
Konflikt hat sich hochgeschaukelt
Die Einschätzung der WOCHENBLATT-Gesprächspartner lautet unisono: Hier habe sich ein Konflikt in einer Weise hochgeschaukelt, deren tragische Folgen niemand gewollt habe. Das Opfer hinterlasse eine Frau und zwei kleine Kinder. Die Rede ist von einer "Kurzschlusshandlung". Über Monate habe sich Ärger aufgestaut, inklusive "Beef" (verbale Scharmützel) in den sozialen Medien. Zuvor hätten sich die Stader Miris und El-Zeins immer gut verstanden. Beispielsweise habe man in der Vergangenheit wiederholt das Stader Metropol gemietet, um dort während des Ramadan gemeinsam das Fastenbrechen zu begehen, berichtet einer der Informanten: "Der Fall ist eine menschliche Tragödie, hat aber rein gar nichts mit kriminellen Clanstrukturen zu tun."
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