Weihnachtszeit beschert Stader Kirchenmusiker Martin Böcker einen vollen Terminkalender
Kinder dürfen auf die Empore
tp. Stade. Das Wort Stress mag er nicht hören. Wenngleich ihm der Advent, in dem besinnliche Musik Hochkonjunktur hat, einen vollen Terminkalender beschert, spricht Stades Kirchenmusiker Martin Böcker (58) von einer "tollen Zeit mit unheimlich schöner Musik". Familien mit Kindern, die in der Vorweihnachtszeit vermehrt die Altstadtkirche St. Cosmae besuchen, macht Böcker gern ein besonderes Geschenk: Sie dürfen oben auf der Empore stehen und dem international renommierten Organisten über die Schultern schauen, wenn sich seine Finger sanft und behände über die Holztasten der barocken Hus-Schnitger-Orgel bewegen.
Dabei wird mancher harte Kerl andächtig und still: Martin Böcker berichtet von einem Hünen mit breiten Schultern und Tattoos, der mit seiner Frau, einer zierlichen Asiatin, und seiner kleinen Tochter beim Konzert neben dem Organisten stehen durfte. Er bat gerührt um eine Zugabe.
Auch fröhliche Touristengruppen kommen im Advent vermehrt nach Stade, um den Weihnachtsmarkt und die Cosmae-Kirche mit der Krippenausstellung zu besuchen. Nach Böckers Beobachtungen betreten einige zunächst mit Widerwillen die Kirche, um den "Pflichtpunkt Kultur im Ausflugsprogramm abzuhaken". Als weit gereister und erfahrener Dozent an der Hochschule für Künste Bremen und künstlerischer Leiter der Stader Orgelakademie weiß Böcker, welche Register er ziehen muss, um sie umzustimmen: Mozarts Variationen über "Morgen kommt der Weihnachtsmann" öffnet musikalisch die Herzen. Ein Kegelbruder aus dem Ruhrpott schwärmte verzückt: "Sowas Schönes habe ich noch nie gehört."
"Auch Bachs Toccata in d-Moll ist sehr beliebt", sagt Böcker, der aus persönlichem Ehrgeiz gerade zu Weihnachten "Vielfalt bieten" will. Insbesondere Publikum von außerhalb, etwa Zugreisende mit dem Moorexpress aus Worpswede, wissen das zu schätzen. Aus der eigenen Stadt Stade hingegen komme nur ein eher kleines Stammpublikum.
Großen Anklang findet die Konzertreihe "Orgel Punkt 4" an jedem Donnerstag und Samstag um 16 Uhr in St. Cosmae. Viel Organisationsaufwand betreibt Böcker für das "Adventliche Singen und Musizieren" mit unterschiedlichen Gruppen vom Flöten-Ensemble bis zum Gospel-Chor samstags und Sonntags von 17.30 bis 18 Uhr.
Auch das gemeinsame Konzert mit dem schwedischen "Lucia"-Chor sei "erstaunlich gut besucht" gewesen.
Wegen der Dauerbeanspruchung müssen einige Pfeifen immer wieder nachgestimmt werden. Orgelexperte Böcker übernimmt das selbst. Diverse Andachten und viele weitere Auftritte in der Region, etwa das das traditionelle Adventskonzert in der Wulphardi-Kirche in Freiburg, halten den Kreiskantor auf Trab.
Die längste Orgelschicht des Jahres steht Martin Böcker an Heiligabend bevor. Von 15 Uhr bis Mitternacht greift er beinahe nonstop in die Tasten. Bescherung ist im Hause Böcker irgendwann zwischendurch. Der Familienvater mit der ruhigen Wesensart nimmt auch dies gelassen: Seine drei Kinder, die es ohnehin nicht anders kannten, sind inzwischen erwachsen.
http://www.kirchenmusikstade.de
http://www.orgelakademie.de
Redakteur:Thorsten Penz aus Stade |
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