Mini-Serie über die Stader Ortschaften
Wiepenkathen - Mehr Stadtteil als Dorf: Ein Gespräch mit Ortsbürgermeister Horst Deede
jd. Stade-Wiepenkathen. Zu Stade gehören vier Stadtteile, die als sogenannte Ortschaften ein gewisses Maß an Eigenständigkeit besitzen. Das sind die ehemals selbstständigen Gemeinden Bützfleth, Haddorf, Hagen und Wiepenkathen. Diese vier Dörfer verfügen über eine Besonderheit, die es in den anderen Stadtteilen nicht gibt: Sie haben Ortsräte und Ortsbürgermeister. Das WOCHENBLATT stattet den vier Ortsbürgermeistern in loser Reihenfolge einen Besuch ab, um mit ihnen über ihr Dorf und dessen Besonderheiten zu sprechen. Diesmal kommt Wiepenkathens Ortsbürgermeister Horst Deede zu Wort.
Seit 1972 im Ortsrat
Als "politisches Urgestein" ist Deede schon öfter bezeichnet worden. Im vergangenen Jahr beging der 77-Jährige ein Jubiläum: 25 Jahre Ortsbürgermeister. Im Herbst gibt es wieder ein Jubiläum zu feiern. Dann gehört der Fleischermeister im Ruhestand seit 50 Jahren dem Wiepenkathener Ortsrat an - und zwar von Anfang an. Das Gremium wurde 1972 gebildet, als Wiepenkathen nach Stade eingemeindet wurde. Jahrzehntelang war seine politische Heimat die CDU, die er 2010 im Streit verließ. Der Abtrünnige gründete die Unabhängige Bürger-Liste Stade (UBLS), die aktuell sieben von 15 Sitzen im Ortsrat innehat und damit die größte Fraktion stellt.
Als Deede in die Politik ging, hatte Wiepenkathen rund 1.000 Einwohner. Jetzt sind es etwa 4.500. "Es waren aber schon mal mehr", sagt Deede. In den 1990er Jahren habe das Dorf die 5.000er-Marke geknackt. Die rasante Bevölkerungsentwicklung in dieser Zeit war logische Konsequenz der größeren Neubaugebiete, die seinerzeit rund um den alten Dorfkern entstanden. Damals setzte auch der Zuzug der sogenannten Russlanddeutschen ein. "Viele von ihnen fanden hier Arbeit auf dem Bau und wohnten in Wiepenkathen in Mehrfamilienhäusern, die ein Bauunternehmer aus der Region errichtet hatte", berichtet der Ortsbürgermeister.
Diese Neubürger aus Osteuropa seien zunächst weitgehend unter sich geblieben, so Deede. Viele hätten in Wiepenkathen dann ihr eigenes Haus gebaut. Die nachfolgende Generation habe sich inzwischen gut im Dorf integriert und engagiere sich auch in den Vereinen. Problematischer aus seiner persönlichen Sicht sei hingegen der Standesdünkel einiger alteingesessener Bauernfamilien gewesen, meint Deede. Diese hätten sich früher manchmal wie Grundherren aufgeführt. "Ich selbst bin als gebürtiger Stader von einigen dieser Herrschaften nie richtig als Wiepenkathener akzeptiert worden." Diese Zeiten seien aber vorbei: "Von ehemals 30 Höfen im Dorf ist nur ein einziger landwirtschaftlicher Betrieb übriggeblieben."
Lesen Sie hier unsere Mini-Serie über die vier Stader OrtschaftenHervorragende Infrastruktur
Seinen dörflichen Charakter habe Wiepenkathen ohnehin verloren, so Deede. "Die Zeiten, dass hier jeder jeden kannte, sind längst vorbei." Das Wachstum habe aber auch seine Vorteile: "Die Infrastruktur ist hervorragend. Wir haben Hausarzt und Zahnarzt, eine Poststelle und auch einen Lottoladen - und dann noch jeweils zwei Supermärkte, Frisöre und Gaststätten." Früher habe es fünf Wirtshäuser gegeben, berichtet Deede, der bis in die neunziger Jahre neben seiner Schlachterei selbst noch eine Gaststätte betrieb.
Größeren Zuzug wird es in Wiepenkathen vorerst nicht geben. "Wir haben zwar zwei kleinere Baugebiete ausgewiesen, doch die Eigentümer wollen nicht verkaufen", sagt Deede. Wer übrigens meint, an der B 74 ende Wiepenkathen, irrt: "Das halbe Gewerbegebiet am Steinkamp gehört zu unserer Ortschaft - ebenso wie der Penny-Markt jenseits der B 73." In finanzieller Hinsicht habe die Ortschaft davon aber nichts - genauso wenig wie von den vielen örtlichen Gewerbebetrieben: "Die Gewerbesteuer kassiert komplett die Stadt."
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