"Wir brauchen diese Leute sogar"
"Neukölln ist überall": Ex-Berliner Stadtteilbürgermeister Heinz Buschkowsky sprach in Stade über Jugendkriminalität und Flüchtlingszustrom
tp. Stade. "In einer Stunde haben Sie schlechte Laune", nahm der wegen seiner deftigen politischen Statements beliebte Talkshow-Gast, Buchautor und ehemalige Bürgermeister des Berliner Multi-Kulti-Stadtteils Neukölln, Heinz Buschkowsky (67 SPD), die Reaktion auf seinen Vortrag im Stader Rathaus vorweg. Buschkowsky sprach anlässlich des zwölften Kennenlern-Tages, zu der die Polizei am Mittwoch Verantwortliche aus Jugendämtern, der Bewährungshilfe, aus Heimen und Schulen eingeladen hatte.
Schwerpunktthema war die Jugendkriminalität, so ging Buschkowsky in seinem Vortrag auf die Übergriffe junger männlicher Asylbewerber "ohne Triebabfuhr" auf Frauen am Kölner Hauptbahnhof in der Silvesternacht ein - schlug in seinen Ausführungen vor 150 Zuhörern den Bogen aber deutlich weiter.
Angesichts des von ihm erwarteten Zustromes von 50 Millionen Flüchtlingen in den kommenden 20 Jahren nach Europa sieht Buschkowsky eine gewaltige Integrationsaufgabe auf Deutschland zukommen und spricht dabei aus Erfahrungen aus dem 320.000 Einwohner-Viertels Neukölln, die er auch in seinen Bestsellern "Die andere Gesellschaft" und "Neukölln ist überall" schilderte: Jedes zweite Kind mit Migration in Berlin könne kaum Deutsch und "verharren in der Sprache ihrer Großeltern". Etwa ebenso viele beherrschten die Grundrechenarten nicht. Vor diesem Hintergrund fordert Buschkowsky ein stärkeres Engagement des Staates in die Bildung und Erziehung bereits im frühen Kindesalter eine Vorschul- und Kindergarten sowie flächendeckend Ganztagsschulen.
In Neukölln gebe es Schulkassen, in denen 90 Prozent der Kinder aus Arbeitslosenfamilien stammten. Buschkowsky warnte vor einem negativen "Abfärbe-Effekt" und davor, Integration sich selbst zu überlassen: "Wenn wir so weiter machen wie bisher", würden sich die sozialen Brennpunkte erweitern und vermehren. "Dann bilden sich Parallel-Gesellschaften mit Parallel-Polizei." Sieben Clans beherrschten Neukölln.
Buschkowsky: "Wenn solche Verhältnisse auf dem flachen Land eintreten, werden sich die Menschen das nicht bieten lassen. Das wird Ärger geben."
Integration werde Deutschland 20 Jahre beschäftigen und bis 2020 rund 100 Milliarden Euro Kosten aufwerfen. Eine Steuererhöhung nach der Bundestagswahl sei daher programmiert.
Trotz des finanziellen Aufwands und der enormen gesellschaftlichen Herausforderungen - insbesondere bei der Bildung und Sprachvermittlung - sieht Buschkowsky die Zuwanderung als Chance: "Wird brauchen diese Menschen sogar", sagte er mit Blick auf die demografische Entwicklung: "Wir sind 'Schrumpfgermanen', werden älter und weniger." Weltweit müsse sich Deutschland daher der Konkurrenz um die klugen Köpfe stellen. "Doch zur Zeit haben wir eine Zuwanderung der Bildungsferne."
Schlussendlich gehöre Integration ins Grundgesetz und in die Hand der Bundesregierung und ein neues streng kontrolliertes Zuwanderungskonzept - in Teilen nach dem Vorbild Kanadas oder Australiens.
Redakteur:Thorsten Penz aus Stade |
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