WOCHENBLATT-hautnah-Serie: Krebspatientin würde am liebsten die Chemotherapie abbrechen
Iris Brehm (52): "Ich bin am absoluten Tiefpunkt"
tp. Freiburg. Krebspatientin Iris Brehm (52) aus Nordkehdingen machte sich nach der Schockdiagnose Brust-Tumor, die Ärzte im Mai stellten, auf "ein hartes Jahr" gefasst und gab sich - ihrer lebensbejahenden Wesensart entsprechend - anfangs kämpferisch und zuversichtlich. Doch nach mehreren Chemotherapie-Behandlungen, die ihr körperlich und seelisch zusetzten und ihre schlimmsten Erwartungen übertrafen, ist sie nach eigenem Bekunden "am absoluten Tiefpunkt" angelangt. Im Rahmen der WOCHENBLATT-hautnah-Serie, in der sie Leser in ihren Kranken-Alltag blicken lässt, gibt die Frührentnerin offen zu: "Am liebsten würde ich die Therapie abbrechen."
Noch Ende Juni feierte Iris Brehm fröhlich ihren Geburtstag im Kreise ihrer Familie in Freiburg, war guter Hoffnung, dass die gerade begonnene Chemotherapie Wirkung zeigen würde. Anfang August war sie erleichtert über die gute Nachricht der behandelnden Ärzte in der Stader Klinik Dr. Hancken, dass der bösartige Tumor in ihrer Brust um 50 Prozent auf 0,6 Zentimeter geschrumpft war. Iris Brehm feierte dies mit einem Gläschen Sekt.
Beim jüngsten Treffen mit dem WOCHENBLATT in Stade war die Hochstimmung ins Gegenteil gekippt: "Ich stecke in einer seit Wochen anhaltenden depressiven Phase", sagt Iris Brehm. Diesen Zustand führt sie auf die Begleiterscheinung der hinter ihr liegenden vier großen Chemotherapie-Sitzungen, zwischen denen jeweils drei Wochen lagen, und den sich anschließenden wöchentlichen kleinen Behandlungen zurück. "Ich komme kaum noch zur Erholung", klagt Iris Brehm, die sich erschöpft und ausgelaugt fühlt. Nicht nur wegen der direkten Nebenwirkungen der per Infusion verabreichten Chemotherapie-Arzneien wie Schwindel, Übelkeit und Konzentrationsschwäche, sondern auch wegen der anhaltenden Müdigkeitsphasen, die ihren Alltag negativ beeinflussen.
"Ich liege fast rund um die Uhr im Bett und finde doch nicht in den Schlaf", sagt Iris Brehm.
Grund sei eine anhaltende innere Unruhe: "Meine Gedanken kreisen ständig um meine Krankheit und um meine ungewisse Zukunft", berichtet sie. Die psychsischen Beschwerden gehen mit weiteren körperlichen Beeinträchtigungen wie Gliederschmerzen in den Armen, Verspannungen in den Schultern und im Nacken und Anfälligkeit für grippale Infekte einher. Zudem plagen sie Hitzewallungen. Wegen der Schweißausbrüche mag sie ihre hübsche rotbraune Langhaar-Perücke nicht tragen. Um ihren nach Haarausfall kahlen Kopf zu verbergen, trägt sie in der Öffentlichkeit meistens ein Baseballcap.
Allmählich macht der Alleinstehenden auch die Einsamkeit zu schaffen, die sie inmitten der zumeist deutlichen älteren Nachbarn in der Seniorenwohnanlage in Freiburg verspürt. Zwar bekomme sie Unterstützung von einem guten Freund aus Jugendtagen, ihren drei erwachsenen Kindern - und insbesondere muntere sie ihr kleiner Enkelsohn (1) auf. Alles in allem aber fehlten ihr die sozialen Kontakte: Als ehemalige Servicekraft in der Ex-Gaststätte "Bahnsteig 4" in Stade war sie früher dauernd von Menschen umgeben - "und jetzt bin ich doch die meiste Zeit allein".
Willkommene Abwechslung war kürzlich ein Tag unter zehn Frauen, die mit ihr das Krebs-Schicksal teilen: In der Hancken-Klinik belegte sie einen Kosmetik-Kursus des Krebsnachsorge-Vereins und freute sich über eine prallvoll mit Kosmetikartikeln im Wert von 150 Euro gefüllten Tasche - einem Geschenk des "Deutschen Knochenmarkspender-Datei" (DKMS). Die teuren medizinischen Kosmetika wären für die Hartz-IV-Empfängerin normalerweise kaum erschwinglich. Auch auf weitere Extras muss sie wegen ihres knappen Budgets verzichten: "Dabei würde ich so gerne einmal eine Kurzreise unternehmen."
Erholung würde ihr sicherlich gut tun: Im Dezember steht eine OP an, bei der erkranktes Gewebe aus der Brust entnommen wird.
Redakteur:Thorsten Penz aus Stade |
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