Zu geringes Tempo bei der Deicherhöhung
Zwei Gefahren für den Deichschutz: Erstens der Maulwurf, zweitens das Land
Das hätte nasse Füße geben können: Am 19. Februar dieses Jahres brandete die vierthöchste Sturmflut aller Zeiten gegen die Elbdeiche. Die grünen Bollwerke im Landkreis Stade hielten zwar überall stand. Wie jetzt aber bekannt wurde, waren in Nordkehdingen einige Deichabschnitte einer besonderen Belastungsprobe ausgesetzt. Dort hatten Maulwürfe den Deichkörper ausgehöhlt. Wären die Fluten erneut angestiegen, hätte der Deich mit Folie abgedeckt werden müssen, um einen möglichen Deichbruch zu verhindern. Aber Maulwürfe sind nicht das einzige Problem, das den Verantwortlichen beim Landkreis Sorge bereitet. Ein Großprojekt dieses Jahrhunderts, die Erhöhung der Schutzdeiche, gerät zunehmend ins Stocken.
Maulwürfe schaden den Deichen
"Die Maulwurfsgänge haben erstmals dazu geführt, dass am Deich Schäden durch eine Sturmflut entstanden sind", berichtet Stephanie Wischkony von der Unteren Deichbehörde beim Landkreis. Durch die Wellen seien die Gänge freigelegt und so ein Teil der Deckschicht weggespült worden - teilweise in einer Größe von bis zu drei Quadratmetern. Bei einer neuerlichen Sturmflut hätte das Wasser eine Angriffsfläche gehabt - mit möglicherweise schwerwiegenden Folgen.
An den Nordkehdinger Deichen im Bereich zwischen Freiburg und Oste ist die Maulwurfsplage laut Wischkony ein ernstzunehmendes Problem. Der feuchte Marschboden dort sei extrem durchnässt, sodass die Maulwürfe ihre Gänge in den vergleichsweise trockenen Deichen anlegen. "Der Maulwurfsbekämpfer ist jetzt schon den ganzen Winter über im Einsatz statt wie sonst üblich erst ab dem Frühjahr", berichtet Wischkony. Inzwischen seien die Schäden ausgebessert. "Das war aber eine ordentliche Belastungsprobe für den Deich."
Abgesehen von dem Maulwurfs-Ärger in Nordkehdingen befinden sich die Deiche im Landkreis Stade aber in einem "guten, wehrhaften Zustand". Dieses Fazit zieht Landrat Kai Seefried nach dem Abschluss der Frühjahrs-Deichschauen. Dass die Deiche bestens in Schuss seien, verdanke man dem Engagement der vier Deichverbände im Landkreis, die überwiegend ehrenamtliche Arbeit leisten, um die Menschen in der Marsch vor den Fluten zu schützen.
Seefried verweist aber darauf, dass das Jahrhundertprojekt Deicherhöhung nur mit finanzieller und personeller Unterstützung des Landes zu bewerkstelligen sei. Die 76 Kilometer lange Deichlinie entlang der Elbe im Landkreis Stade muss je nach Abschnitt zwischen 1,60 Meter und 2,10 Meter - inklusive 50 Zentimeter Klimazuschlag für den Meeresspiegelanstieg - erhöht werden, um auch in den kommenden Jahrzehnten dem "blanken Hans" zu trotzen. Rund 30 Jahre sind für diese gewaltige Maßnahme angesetzt.
Geld kommt zu spät
Allerdings fürchtet Seefried, dass selbst diese Zeitspanne, die ihm ohnehin viel zu lang erscheint, nicht ausreichen wird. Ein Problem sei die Unterfinanzierung: "Das Land stellt jedes Jahr 62 Millionen Euro für den Küstenschutz bereit", so der Landrat. Diese Summe sei viel zu gering. Denn allein für die niedersächsischen Elbdeiche und Sperrwerke flussabwärts ab Hamburg sind Kosten in Höhe von fast einer halben Milliarde Euro veranschlagt. Außerdem kritisiert Seefried, dass die jährlichen Mittel viel zu spät fließen. Das Geld dürfe nicht wie bisher erst im April freigegeben werden, da sich das Zeitfenster für die Deichbaumaßnahmen nur über das Sommerhalbjahr außerhalb der Sturmflutsaison erstrecke.
Zudem stehe nicht ausreichend Personal für die erforderlichen Fachplanungen zur Verfügung, bemängelt der Landrat. "Die Deichverbände hier vor Ort fühlen sich vom Land alleingelassen." Seefried hofft, dass im kommenden Jahr endlich mit der Deicherhöhung im Landkreis Stade begonnen wird. Denn 2022 sei wieder ein verlorenes Jahr in Sachen Deichschutz. Der Landrat will auf der für den 5. Juli anberaumten nächsten Küstenschutzkonfernez mehr Tempo anmahnen. Er plädiert dafür, einen "Generalplan Elbe" aufzulegen. "Es wird Zeit, dass wir die Unterelbe als Ganzes in den Blick nehmen und uns über die Grenzen der Bundesländer hinweg in Sachen Elbe vernetzen."
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