Als noch Pkw über den Pferdemarkt fuhren
Zwischen diesen beiden Fotos aus Stade liegt ein halbes Jahrhundert
jd. Stade. Die Hansestadt Stade mal in schwarzweiß, mal in den etwas antiquiert wirkenden Farbtönen eines Kodak-Farbfilms: So präsentieren sich die Motive eines historischen Stade-Kalenders für das Jahr 2022. Der von der Kalender-Manufaktur (www.historische-kalender.de) in Kooperation mit dem Stadtarchiv erstellte Kalender zeigt Stader Ansichten aus den sechziger und siebziger Jahren. Was dabei ungewöhnlich ist: Die Aufnahmen aus den 1970ern - einer Zeit, in der die Colorfotografie ihren großen Durchbruch hatte - sind ausgerechnet monochrom, während die Fotos aus den 1960ern fast durchweg farbig sind.
Die Aufnahmen stammen wie schon im Vorjahr allesamt vom Ehepaar Rihsé. Der 1991 verstorbene Stader Bildjournalist Viktor Rihsé hinterließ mit seiner Frau Sonja, die ebenfalls als Fotografin gearbeitet hat und 2014 verstarb, rund 125.000 Bilder. Das Lebenswerk des Fotografen-Ehepaares wurde vor rund neun Jahren vom Stader Stadtarchiv erworben. Die Rihsés unternahmen u.a. Fotoreportagen für Reisemagazine. Das Ehepaar gab auch Fotobücher mit Stader Ansichten heraus. Besonders beliebt war der Bildband "Farbiges Stade", der in mehreren Auflagen veröffentlicht wurde.
Die für den Kalender ausgewählten Motive aus der Sammlung Rihsé machen deutlich, welchen Wandel Stade durchgemacht hat. Um diesen Wandel exemplarisch darzustellen, hat die WOCHENBLATT-Redaktion ein Motiv ausgewählt und versucht, das historische Foto aus der gleichen Perspektive noch einmal zu knipsen. Die Wahl fiel auf die Aufnahme vom Pferdemarkt, die im Jahr 1966 entstanden ist.
So galt es nun, 55 Jahre später in etwa den gleichen Blickwinkel zu finden, den der Fotograf damals hatte. Dabei gab es eine kleine Hürde zu bewältigen. Das Foto aus den 1960ern entstand vom oberen Stockwerk eines Gebäudes - und zwar dort, wo heute die Hauptstelle der Sparkasse Stade-Altes Land steht.
Bei dem heimischen Geldinstitut zeigte man sich sofort aufgeschlossen gegenüber dem ungewöhnlichen Ansinnen des WOCHENBLATT. Der Fotograf durfte aus dem Fenster auf die Brüstung klettern und sein Motiv schießen. Allerdings machte die Natur dem Vorhaben einen kleinen Strich durch die Rechnung: Die beiden kahlen Kastanien auf dem Rihsé-Foto sind inzwischen zu stattlichen Baumriesen herangewachsen. Die vielen Äste und die zwar welken, aber noch immer reichlich am Baum hängenden Blätter verwehrten den Blick bis zum Postgebäude.
Der wichtigste Unterschied ist aber zu erkennen: Mitte der sechziger Jahre floss noch der Verkehr quer über den Pferdemarkt. Um die Autos in ihre Bahnen zu lenken, gab es mitten auf dem Platz einen Kreisel. Alle, die behaupten, Kreisverkehre sind eine Erfindungen der heutigen Verkehrsplaner, um die Autofahrer zu ärgern, liegen also voll daneben.
Der damalige Bereich mit dem Kreisel ist heute den Fußgängern bzw. den Marktbeschickern des Wochenmarktes vorbehalten. Und dort, wo sich einst Pkw-Parkplätze befanden, dürfen heute nur noch Busse fahren. Viele der schmalen Altstadtgassen sind für Autos inzwischen tabu. Im Zuge der großen Stader Stadtsanierung, die von 1972 bis 1986 lief, wurden Fußgängerzonen eingerichtet. Der Pferdemarkt wurde neben dem Bahnhof zum wichtigsten Busknotenpunkt in der Hansestadt. Die vor fast 50 Jahren formulierten Ziele der Stader Altstadtsanierung sind übrigens noch immer die gleichen: "Belebung des Einzelhandels und Dienstleistungsbereiches", stand damals im Sanierungskonzept. Bei allen Veränderungen haben manche Dinge eben doch weiter Bestand.
Besucher sind willkommen
Wer sich für Aufnahmen aus der Hansestadt von anno dazumal interessiert, sollte unbedingt dem Stadtarchiv einen Besuch abstatten. Leiterin Dr. Christina Deggim schätzt, dass ihr Archiv über rund eine halbe Million Aufnahmen verfügt, darunter unzählige Bilder aus Sammlungen von Stader Fotografen. Das Archiv steht allen Bürgern offen. Fotos können auf Wunsch gegen einen Obolus digitalisiert werden. Wer im Archiv stöbern möchte, zahlt eine Tagesgebühr von zehn Euro.
Deggim weist darauf hin, dass wegen der Corona-Beschränkungen zwingend eine telefonische Voranmeldung erforderlich ist.
Stadtarchiv Stade, Johannisstr. 5, Tel. 04141 - 401460; stadtarchiv@stadt-stade.de
Öffnungszeiten: dienstags bis freitags von 8.30 bis 12 Uhr;
zusätzlich: dienstags von 13.30 bis 15.30 Uhr und donnerstags von 13.30 bis 17.30 Uhr
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