Stade
Altländer Viertel: "Ganzes Quartier ins Abseits gestellt"

Die Hochhaus-Siedlung genießt in Teilen der Stader Bevölkerung einen schlechten Ruf | Foto: tp
  • Die Hochhaus-Siedlung genießt in Teilen der Stader Bevölkerung einen schlechten Ruf
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bc. Stade. So unterschiedlich wie Tag und Nacht fallen die Leser-Zuschriften auf die Umfrage zum Altländer Viertel aus. Wie berichtet, äußerten CDU, SPD und Wählergemeinschaft im Stader Stadtrat im Zuge der Diskussion über den Standort für die neue Oberschule, dass die Hochhaus-Siedlung unweit der Innenstadt kein geeigneter Ort für eine Schule sei. Das Umfeld sei zu unsicher. Nun wird die Schule am Stadtrand in Riensförde gebaut. Die Meinungen darüber gehen weit auseinander.

• Britta Binhold gehört zur Pro-Fraktion, also zu Denjenigen, die das Viertel verteidigen. Sie schreibt: „Fast zehn Jahre haben wir das Altländer Viertel nahezu täglich aufgesucht, weil unsere beiden Kinder dort die städtische Kita und im Anschluss die Montessori-Grundschule besucht haben. In den zehn Jahren dort im Viertel habe ich mich nicht ein einziges Mal unsicher gefühlt und ich bin dort in der Regel mit dem Fahrrad unterwegs gewesen, auch abends nach dem Elternabend. Ich denke, es kommt darauf an, wie man den Menschen, die dort leben, begegnet: Tut man es offen und respektvoll, kommt das auch zurück.“ Die Montessori-Grundschule habe sich ganz bewusst diesen Stadtteil ausgesucht, um wichtige pädagogische Arbeit dort direkt vor Ort zu leisten.

• Auch Eckart Börner findet es gut, wenn eine Oberschule an der Altländer Straße gebaut werden würde - einschließlich Turnhalle. „Das Altländer Viertel wird aufgewertet.“ Zum Thema Wildmüll im Viertel sagt er: „Die Stadt ist gut beraten, wenn sie auch am Wochenende Personal für die Reinigung einteilt und nicht nur von Montag bis Freitagmittag.“

• Hilde und Günter Pape schreiben dem WOCHENBLATT: „Einen ganzen Stadtteil ins Abseits zu stellen, ist eine Diskriminierung aller Anwohner rechts und links der Altländer Straße.“ Da auch die Harschenflether Vorstadt demnächst völlig neu geordnet werden soll, bleibe der Stadtteil Richtung Altes Land wohl ganz auf der Strecke. Für die Vorstadt wäre die Schule eine tolle Aufwertung gewesen. Günter Pape: „So wird der schlechte Ruf wohl weiter Bestand haben.“

Contra

• Für Jana Bender hat es keinen Fortschritt durch die Sanierung im Altländer Viertel gegeben: „Es wurde sehr viel Geld in diesen Stadtteil investiert, aber geholfen hat es nichts. Jedes Mal, wenn ich dort hinfahre, bekomme ich Angst. Ich weiß nicht, wie oft ich da die Polizei im Einsatz sehe, einfach gruselig. Ich sehe, dass zwar einiges neu gemacht wurde, aber lange blieben die Dinge nicht heil, weil sie sinnlos zerstört werden.
Ich finde, dass man da einfach mal realistisch sein sollte. Nur wer da oft ist oder leben muss, weiß, wie es wirklich ist, dort zu leben.“
• Andreas Orlowski lebt seit 49 Jahren in Stade. Er sagt: „Das Altländer Viertel hatte immer schon diesen negativen Touch. Ich glaube auch nicht, dass es eine Verbesserung gibt, solange an der Wohnstruktur nichts geändert wird. Auch ich sehe die neue Schule besser aufgehoben in Riensförde. Eine Schule im Altländer Viertel hätte, glaube ich, keine Chance, sich einen guten Ruf zu erarbeiten.“
• Detlef Bahr formuliert es drastisch: „Die Sanierung ist herausgeschmissenes Steuergeld.“

• Weitere Meinungen sind erwünscht! Mails an
bc@kreiszeitung.net oder an die Neue Buxtehuder Verlagsgesellschaft, Hinterm Hagedorn 4, 21682 Stade.

Das sagt die Quartiersmanagerin Margret Howe zur politischen Diskussion

„Die Diskussion um den Schulstandort im Schulausschuss – soweit sie in der Presse dargestellt war – hat mich entsetzt. Fast 3.000 Menschen wohnen im Altländer Viertel und sie werden in so einem schlechten Licht gesehen, dass man in der Nähe dieser Menschen in der Salztorsvorstadt noch nicht einmal eine Oberschule bauen kann.
3.000 Menschen, mit Stärken und Schwächen, wie überall in der Bevölkerung, die gern im Altländer Viertel leben, im Geschosswohnungsbau ebenso wie in den vielen Einfamilienhäusern. Wie mögen sich die Menschen bei dieser Diskussion fühlen, die gerade gebaut haben oder im neuen Baugebiet bauen wollen und die ebenfalls - wie in Riensförde - kleine und größere Kinder haben?
Mit dieser Diskussion, so wie sie in der Öffentlichkeit ankommt, wird jahrelange gute, wenn auch nicht immer leichte Arbeit von Menschen, die im oder für das Altländer Viertel tätig sind, vom Tisch gewischt.
Das gilt für die Grundschule, die Kindergärten, den Bauspielplatz, das Jugendhaus und natürlich auch die Stadtteilarbeit mit den unterschiedlichen Gremien. Das gilt aber auch für die städtischen Mitarbeiter und den Sanierungsträger der Hansestadt. Das gilt für die Qualifizierungsküche mit dem Bistro, für den Sprachunterricht der VHS, für die FABI mit ihrer Familienarbeit, die AWO, die Kirche, für Compass mit der Hausaufgabenhilfe und andere gemeinnützige Vereine und, nicht zu vergessen, die Hausverwaltungen und Hausmeister. Solche Diskussionen sind nicht förderlich und dienen niemandem – und das in Zeiten von „Integration und Inklusion“!
Natürlich muss in einem so großen Neubaugebiet wie in Riensförde eine Grundschule sein, natürlich müssen dort eine Sporthalle und andere Gemeinbedarfseinrichtungen entsprechend dem wachsenden Stadtteil gebaut werden. Aber ebenso natürlich gehört zu einem so großen Stadtteil, der Salztorsvorstadt inklusive der Hafenzeile und inklusive des Altländer Viertels - das seit Anfang der 1970er Jahre existiert - mit den meisten schulpflichtigen Kindern der Stadt schon lange eine Haupt- und Realschule, wenn nicht sogar eine weitere Integrierte Gesamtschule als Leuchtturm und Anker für gute pädagogische Arbeit. Der Standort Salztorsvorstadt ist ja nicht schlecht, aber nach meinem Dafürhalten ist der ideale Standort an der Steinkirchener Straße oder am Staatsarchiv. Der Bahnhof mit allen Bahn- und Busverbindungen ist direkt daneben, also gut erreichbar.“

„Aussage der zweiten stellvertretenden Bürgermeisterin ist beschämend“

Auch der Verein „Sozial“ hat sich mit einer Stellungnahme zur Diskussion über die Entwicklung im Altländer Viertel zu Wort gemeldet. Geschäftsführer Osman Can und der Vorstand Marian Lüthje schreiben:

"Es hat uns nicht überrascht, denn es hat sich wiederum bestätigt, dass die Kommunalpolitik in der Hansestadt Stade, keinen ausreichenden Zugang zu bestimmten Bevölkerungsgruppen hat, um Lösungen von Problemen gemeinsam zu erreichen. Es ist bedenklich wie Kommunalpolitiker der Mehrheitsparteien -SPD und CDU - mit den Sorgen der Menschen umgehen.
Die Aussagen über die Schulpolitik in der Hansestadt Stade durch die Politiker und zuletzt die Entscheidung über die neue Schulstandortwahl in der Stadt, zeigt uns dies sehr deutlich.
Menschen wollen nicht nur "Sonne" "Strand" und "Eierkuchen", sondern haben auch Probleme und wollen diese in der wachsenden Hansestadt Stade, mit der Politik, besonders mit von ihnen in den Stadtrat gewählten Kommunalpolitiker, gemeinsam nach gerechten Lösungen suchen.
Was bitte schön, ist passiert?
Der Stadtelternrat, als Sprachohr der Eltern ihrer Kinder, diskutiert und plädiert für einen geeigneten Standort für eine neue Schule in Stade. Nämlich für den Standort Altländer Viertel. Die Mehrheit im zuständigen Ausschuss des Stadtrates - SPD und CDU - entscheidet sich ohne Rücksicht auf existierende Probleme in der Stadt, wie im Altländer Viertel, für einen anderen Standort.
Wenn man die Argumente der SPD Stade, vertreten durch 2. stellvertretende Bürgermeisterin hört, so können die angesprochenen Probleme im Altländer Viertel nicht für eine neue Schule, im besagten Stadtteil sprechen. Hier verhält sich die CDU nichts anders, obwohl sie die Mehrheit im Rat hat und die Möglichkeit hätte den Elternratsvorschlag anzunehmen, versteckt sich aber hinter den gleichen Argumenten und bieten keine Lösungen um Missstände zu beseitigen.
Um Missverständnissen vorzubeugen, wir haben nichts dagegen, das alle Orte in der Stadt Stade genügend Angebote zum Lernen haben. Denn die Kinder brauchen Schulen und die Kinder sind die Investition in unsere Zukunft.
Aber was für eine Ratspolitik! Die Aussagen, aus den Munde der 2.stellvertretenden Bürgermeisterin Frau Monika Ziebarth, dass das Altländer Viertel nicht sicher sei, die Islamisierung, Jugendprobleme, keine Schule im Gewerbegebiet, nicht für einen Standort dort spricht, ist beschämend. Wenn das so ist, gerade deshalb braucht der Stadtteil Altländer Viertel die Schule und auch andere Einrichtungen.
Jugendhaus, Stadtteilhaus usw. sollten sich den Problemen stellen und mit den Betroffenen bearbeiten. Ein Sanierungsgebiet, die uns den Steuerzahlern Millionen gekostet hat, um dann schlecht geredet zu werden, und um sich für einen anderen Schulstandort zu entscheiden, ist eine billige sogar blinde Politik, die keine Probleme lösen, sondern Ratlosigkeit als Politik verkaufen versucht. Schande!
Tatsache ist, dass der Stadtteil Altländer Viertel auch nach der, Millionen gekosteten Stadtteilsanierung, immer noch genug Probleme hat.
Es ist richtig, das die dort lebende Jugendlichen immer noch viel mehr von der Arbeitslosigkeit betroffen sind als anderswo.
Es ist auch richtig, dass viele der Bewohner, immer noch keine Arbeit haben und auf staatliche Hilfen angewiesen sind.
Außerdem ist es auch richtig, dass immer noch Drogen und Alkohol ein großes Problem im Stadtteil ist.
Es ist auch richtig, dass viele Nationalitäten auf einen "Haufen" sitzen und auch untereinander Probleme haben.
So ist eben das Stadtteil Altländer Viertel, weil es hier viele Probleme gibt, verbirgt auch sich darin seine Stärke. Es gibt viele Nationalitäten, Vereine, Gruppen aller Art die sehr aktiv sind. Strukturen, die man für ein gemeinsames Leben im Stadtteil nutzen und sie noch mehr für Gemeinsamkeiten befähigen könnte. Der Verein Sozial e.V. hat es vorgemacht. In all den Jahren, nach seiner Gründung mit den vorhandenen Vereinen und Gruppen, hat das die Vereine zusammengebracht und unter anderem bei der Hilfe für die Asylsuchenden im voriges Jahr großartige Hilfen organisiert. Die Stadteilfeste mit Ihnen zusammen organisiert und viele Problemen im Stadtteil positiv beseitigt. Ehrenamt in ihren Reihen in den Vordergrund gestellt und sie dabei unterstützt. Gemeinsame Alltagsthemen miteinander diskutierend, thematisiert und damit miteinander den Stadtteil gefördert.
Hier, gerade bei dieser Arbeit im Ehrenamt von aktiven Bewohner des Stadtteils Altländer Viertel, brauchen diese Unterstützung des Rates und der politischen Parteien. Auch der SPD und der CDU. Nicht bitte schön sich davor zu drücken und ihrer Ratlosigkeit fern der Realität, dann für einen anderen Schulstandort, zu benutzen.

Es ist im Stadtteil Altländer Viertel bisher viel Positives passiert, und es sollte noch weiteres folgen:

Aber, das Jugendamt hat immer noch keine überzeugenden Konzepte entwickelt, um die Kinder und Jugendlichen mitzunehmen und in die vorhandenen Ressourcen des Stadtteils einzubinden.

Der Verein Sozial e.V. bietet mit seinen Erfahrungen, für diesen Stadtteil entsprechende Lösungen an. Ein Konzept ist möglich, das keine Probleme produziert, sondern sie löst. Beispiele sind anderswo vorhanden.

Das Stadtteilhaus ist immer noch nicht, obwohl vieles Positives passiert, ein Haus der dort lebenden Menschen. Hier sollte die Nutzung der Räumlichkeiten des Stadtteilhauses ausgebaut werden.

Eine Anlaufstelle, das Zusammenkommen und Miteinander der dort lebenden Menschen, Organisationen, Vereine und Gruppen fördert, Kommunikation und Begegnung schafft, eigenständiges Arbeiten der das Ehrenamt fördert und unterstützt, und eine Beratungs- und Begegnungsstätte, fehlt. Das alte Sparkasse Gebäude ist dafür vorgesehen. Die Bauarbeiten sollten schnell wie möglich zu beenden und das Haus als Beratungs- und Begegnungsstätte mit entsprechenden Mitteln und Personal an einen freien Träger, im Stadtteil freizugeben.

Sozial e.V.
Osman CAN / Geschäftsführer
Vorstand/ Marian Lüthje

Redakteur:

Björn Carstens aus Buxtehude

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