"VW steht für Verkehrswende"
Auch in Stade: Grüne gehen Fake-Kampagne auf den Leim
Die Grünen stehen wegen des Braunkohle-Kompromisses in der Kritik. Umwelt-Aktivisten werfen der Partei vor, "grüne" Ideale verraten zu haben. Stecken diese Kreise jetzt hinter der Kampagne "Starterpaket für mehr Klimaschutz"? Diese soll angeblich vom Fraktionsvorstand der Grünen im niedersächsischen Landtag initiiert worden sein, was aber nicht stimmt. Die Kampagne, bei der die grüne Vize-Ministerpräsidentin und VW-Aufsichtsrätin Julia Willie Hamburg auf einem Plakat den Spruch "VW steht für Verkehrswende" raushaut, wurde so geschickt mit falscher Pressemitteilung und Fake-Homepage in der Öffentlichkeit lanciert, dass viele Parteimitglieder darauf hereingefallen sind. Auch die Stader Grünen gingen den Nachrichten-Fälschern zunächst auf den Leim.
Grüne Maßnahmen werden aufgelistet
In der fingierten Pressemitteilung zum "Starterpaket" werden Maßnahmen aufgelistet, die durchaus grüne Positionen darstellen. Gefordert wird u.a. ein Baustopp für die Autobahnen A20, A33 und A39, die Stärkung der E-Mobilität und die Förderung des ÖPNV sowie des Radverkehrs. Wer auf die im Text genannte Internetseite www.grüne-nds.de/starterpaket klickt, erhält weitere Hintergrund-Infos zum Themenkomplex Klimaschutz und Verkehrswende. So soll VW zu einem "Mobilitätskonzern" umgebaut werden. Statt Pkw müssten Busse, Bahnen und Lastenräder produziert werden. Das Ganze wird von einer Plakataktion flankiert. In ähnlicher Form, aber mit anderen Inhalten ist eine Kampagne tatsächlich so vor einigen Wochen von der Grünen-Bundestagsfraktion präsentiert worden.
Diese Fake-Kampagne ist jedenfalls so gut gemacht, dass beim Stader Ortsverein zunächst niemand stutzig wurde. Im Gegenteil: Die Grünen aus der Hansestadt nahmen die Pressemitteilung zum Anlass, gleich noch mit eigenen Forderungen draufzusatteln. Man begrüße das "Starter-Paket", heißt es. "In Stade und Umgebung ist es an der Zeit, dass Angebote und Infrastruktur für Bahn, Rad und Bus modernisiert und ausgebaut werden." Außerdem sei ein Weiterbau der A26 kaum mit den Zielen der Verkehrswende vereinbar, denn: "Wer Straßen sät, erntet Verkehr."
Stunden später dann das Dementi: Man sei einem Fake aufgesessen, so die Stader Grünen. "Sämtliche Inhalte sind frei erfunden und stammen nicht von den Grünen." Doch nun stellt sich die Frage: Wer betreibt so viel Aufwand, um der Partei eins auszuwischen? Immerhin wurde für den gefakten Online-Auftritt (www.grüne-nds.de) die gesamte Original-Grünen-Homepage www.gruene-niedersachsen.de eins zu eins kopiert. "Wir wissen noch nicht, wer dahintersteckt", erklärt die Pressesprecherin der niedersächsischen Grünen, Heike Köhn, auf WOCHENBLATT-Nachfrage. "Wir haben inzwischen Strafanzeige gegen Unbekannt erstattet."
Öffentlicher Diskurs soll angeregt werden
Die Redaktion nahm Kontakt mit den Urhebern der Aktion auf, um etwas über deren Motivation zu erfahren. Diese verstehen ihre Fake-Kampagne als Einladung zu einem öffentlichen Diskurs über das Ziel der Grünen, die Klimawende sozial verträglich zu gestalten. Dieses Vorhaben geht nach Meinung der Aktivisten, die vorerst weiter anonym bleiben wollen, viel zu schleppend voran. Inzwischen ist der Fake-Internetauftritt mit einer neuen Startseite versehen worden, in der weitere Hintergrund-Informationen geliefert werden.
Der Vorwurf der Grünen, die "Außendarstellung einer demokratischen Partei zu kapern, um eigene Botschaften zu verbreiten", wird von den Aktivisten mit dem Hinweis gekontert, dass es sich schließlich um "Botschaften der Grünen selbst" handele. Auch zu den Plakaten gibt es Erläuterungen: "Dass VW für Verkehrswende steht, mag Julia Willie Hamburg noch nicht ganz genau so öffentlich gesagt haben, aber es wäre durchaus denkbar und vor allem wünschenswert."
• Eines muss man den Urhebern der Aktion jedenfalls lassen: Sie haben auf originelle Weise aufgedeckt, in welchem Dilemma die Grünen derzeit stecken. Die Fake-Kampagne macht das Spannungsfeld deutlich zwischen den realpolitischen Erfordernissen einer Regierungspartei und den umweltpolitischen Idealen, die von den Ursprüngen als Protestbewegung herrühren.
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