Kartenguthaben statt Bargeld
Bezahlkarte für Geflüchtete: So stehen die Landkreise Stade und Harburg zu dem Thema
Eine Bezahlkarte statt Bargeld: Leistungen für (abgelehnte) Asylbewerber sollen in Deutschland künftig auf eine spezielle Karte gebucht werden, statt sie bar auszuzahlen. Die Idee dahinter: Es wird davon ausgegangen, dass viele Menschen hierzulande nur wegen des Geldes Asyl beantragen und dieses dann in ihre Heimatländer senden - um etwa Angehörige zu unterstützen oder Schulden bei Schleppern zu begleichen. Mit der Bezahlkarte sollen die finanziellen Anreize für illegale Migration wegfallen. In dieser Woche haben sich 14 von 16 Bundesländern auf eine bundesweite Einführung einer solchen Karte verständigt. Mecklenburg-Vorpommern und Bayern wollen eigene Modelle umsetzen. Eine Handvoll Landkreise sind bereits vorgeprescht und haben die Bezahl- bzw. Guthabenkarte bereits als Insellösungen eingeführt. Aus zwei Landkreisen in Thüringen wird berichtet, dass die ersten Asylsuchenden bereits von dannen gezogen sind, weil sie nicht auf Bargeld verzichten wollen. Das WOCHENBLATT fragte bei den Kreishäusern in Stade und Winsen nach, wie man dort zum Thema Bezahlkarte steht.
Landkreis Stade
"Ich unterstütze die Einführung einer Bezahlkarte für Flüchtlinge ausdrücklich", sagt Stades Landrat Kai Seefried. Die Diskussion über das Für und Wider sei im vergangenen Jahr bereits sehr intensiv auf allen politischen Ebenen geführt worden. Es müsse das Ziel sein, keine falschen Anreize für eine Flucht nach Deutschland zu schaffen. Die Position der Kommunen und auch der Bundesländer sei eindeutig: Die Einführung einer Bezahlkarte werde als ein wichtiger Baustein zur besseren Steuerung der Migration betrachtet. Allerdings sei ein Flickenteppich nicht hilfreich, so der Landrat, der auf eine bundesweit einheitliche Regelung gehofft hat. Nur dann gehe davon auch die entsprechende Signalwirkung aus.
Im Landkreis Stade erhalten derzeit 995 Personen Zahlungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Diese Leistungen beziehen (abgelehnte) Asylbewerber, Geduldete und ausreisepflichtige Ausländer. Wer einen anerkannten Status als Flüchtling hat, erhält die höheren Sozialleistungen. Im Jahr 2023 betrugen die Aufwendungen des Landkreises Stade für Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz rund 15,6 Millionen Euro. Ein Großteil der Summe wird vom Land erstattet. Im Kreis-Haushalt für 2024 sind derzeit Ausgaben in Höhe von 17,8 Millionen Euro und rund 17 Millionen Euro an Erstattungen eingeplant. In dem Betrag sind neben den direkten Leistungen an die Asylbewerber die Kosten für die Krankenhilfe und die Unterbringung enthalten.
Landkreis Harburg
"Wir warten die einheitliche Lösung ab. Wie hoch der organisatorische und bürokratische Aufwand durch das neue Modell sein wird und welche Kosten es verursacht, lässt sich derzeit nicht abschätzen. Wir gehen davon aus, dass zusätzliche Kosten für Bezahlkarten und die Aufladung dieser Prepaidkarten von Bund und Land übernommen werden. Nicht sagen lässt sich zum derzeitigen Zeitpunkt auch, inwieweit Geschäfte dieses Bezahlmodell akzeptieren", sagt Ana Cristina Bröcking, Kreisrätin des Landkreises Harburg.
Im Landkreis Harburg leben rund 4.000 Menschen, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten bzw. in den Unterkünften leben. Im vergangenen Jahr wendete der Landkreis allein 10,85 Millionen Euro für Sozialleistungen für Asylsuchende und Geduldete auf. 12,2 Millionen Euro werden es nach jetzigem Plan für dieses Jahr sein. Insgesamt wendete der Landkreis Harburg im vergangenen Jahr aber fast 48 Millionen Euro auf (Defizit nach Abzug der Landeserstattung in Höhe von 31,4 Millionen Euro: 11,8 Millionen Euro), für dieses Jahr sollen es rund 47 Millionen Euro sein (Defizit: 9,4 Millionen Euro). Den größten Ausgabeposten machen zudem die Unterkunftskosten aus (rund 33 Millionen Euro 2023; rund 30 Millionen Euro voraussichtlich in diesem Jahr). Für die Krankenhilfe wurden 4,1 Millionen Euro ausgegeben, für dieses Jahr laut Plan 4,8 Millionen Euro.
Sollen Bargeldauszahlungen möglich sein?
Die 14 an dem Kartenprojekt teilnehmenden Bundesländer haben sich auf die Einführung einer Guthabenkarte ohne Kontobindung geeinigt, die bundesweit gültig sein soll, von den einzelnen Ländern aber mit weiteren Beschränkungen versehen oder auch mit Zusatzfunktionen ausgestattet werden kann. Vorgesehen ist, dass das Geld aus den Leistungen für den notwendigen Bedarf nicht am Automaten abgehoben werden kann. Das sind aktuell 256 Euro pro Monat für alleinstehende erwachsene Geflüchtete. Die 204 Euro für den persönlichen Bedarf ("Taschengeld") sollen ebenfalls auf die Karte gebucht werden. Ob für diesen Betrag eine Barauszahlung - ggf. bis zu einer bestimmten Höhe - möglich sein soll, entscheiden die Bundesländer selbst.
Der bayerische Innenminister Joachim Hermann (CSU) hatte sich bereits beklagt: "Wenn manche Bundesländer planen, dass Flüchtlinge dann doch wieder Bargeld mit der Karte abheben können und damit im Einzelfall sogar Drogen kaufen oder das Geld an die Schlepper geben, dann ist das genau das, was wir verhindern wollen." Bayern will in den kommenden Wochen mit einer eigenen Guthabenkarte an den Start gehen.
Funktionen der Bezahlkarte einschränken
Geplant ist, die Bezahlkarte bis zum September - noch vor den Landtagswahlen in Ostdeutschland - einzuführen. Allerdings ist zuvor eine europaweite Ausschreibung erforderlich. Mit welchen Funktionen und Möglichkeiten die Karte ausgestattet werden soll, bleibt weitgehend den Ländern überlassen. Ihre Gültigkeit könnte, wie bei dem Beispiel aus Thüringen, auf den jeweiligen Landkreis begrenzt sein.
Auf jeden Fall steht fest: Ein Einsatz der Karte im Ausland ist nicht möglich. Hingegen ist die Überlegung, die Karten nur für den Einkauf bestimmter Warengruppen freizuschalten, offenbar vom Tisch. Ihre Nutzung für das Online-Shopping ist eingeschränkt. Überweisungen sind grundsätzlich gesperrt. Denn, so erläutert Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD): "Die nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bereitgestellten finanziellen Mittel sollen den Lebensunterhalt in Deutschland sichern, sie dienen – bei allem Verständnis – nicht der Finanzierung der Familien im Heimatland."
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