Grüner Floskel-Staatssekretär
Brief an Stader Landrat: Der Wolf und die sieben Plattitüden
Man könnte sich fragen, ob die Text-Software im Bundes-Umweltministerium speziell für Phrasen programmiert ist. Das Antwortschreiben des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Jan-Niclas Gesenhues (Grüne) auf eine Anfrage des Stader Landrates Kai Seefried (CDU) zum Thema Wolf ist ein Paradebeispiel dafür, wie man mit Allgemeinplätzen viele Worte um nichts machen kann. Wer nach konkreten Ansagen sucht, bekommt hier vor allem eines: warme Luft – allerdings ohne den Hauch einer Gefahr für das Klima.
Das weiß jeder Fünftklässler
Schon der Einstieg weckt Erwartungen: „Der Wolf war lange Zeit in Deutschland ausgerottet und befindet sich seit der ersten Geburt von Wolfswelpen im Jahr 2000 in der Wiederbesiedlung Deutschlands.“ Das klingt doch fast poetisch. Doch anstatt dann mutig in das dornige Unterholz der Sachpolitik einzutauchen, bleibt Gesenhues lieber auf dem gut gepflegten Forstweg der Allgemeinplätze. Dass der Wolf eine „wichtige Funktion im Ökosystem“ hat und ein „Beispiel für die Rückkehr einst bedrohter Arten“ ist, weiß vermutlich jeder Fünftklässler aus dem Biologieunterricht.
Aha: Man sucht also Lösungen
Dann wird es in dem Schreiben aber noch richtig staatstragend. NABU-Mitglied Gesenhues lässt keinen Zweifel daran, dass das Ministerium „engagiert daran arbeitet, Lösungen zu finden, die ein friedliches Zusammenleben zwischen Mensch und Wolf ermöglichen.“ Wirklich? Ist das nicht genau der Job dieses Ministeriums? Wenn solche Selbstverständlichkeiten schon betont werden, erwartet man fast, dass als Nächstes der Einsatz für frisches Trinkwasser und freie Atemluft gelobt wird.
Wolke der Relativierung
Aber es gibt auch ein paar Passagen mit einer gewissen inhaltlichen Substanz. So werden die von der Umweltministerkonferenz beschlossenen Schnellabschüsse problematischer Wölfe erwähnt. Aber anstatt diese Maßnahmen klar zu positionieren, schwebt der Text auf einer Wolke der Relativierung: „Diese Möglichkeit sollte in Zukunft verstärkt genutzt werden.“ Sollte? Das klingt, als würde der Herr Staatssekretär darauf warten, um bei einer Tasse Kaffee mit Rotkäppchen und dem Wolf die Details zu besprechen.
Balance finden, aber wie?
Ebenso vage bleibt die Betonung, dass eine „Balance zwischen Weidetierhaltung und Artenschutz“ gefunden werden müsse. Klingt ja ganz gut. Aber wie soll das praktisch umgesetzt werden? Gesenhues’ Vorschläge wie bessere Herdenschutzmaßnahmen wirken dabei, als hätte man sie direkt aus dem Handbuch für umweltpolitische Floskeln kopiert. Offen bleibt, wie Landwirte konkret unterstützt werden sollen, wenn Schafherden weiterhin als Delikatesse auf dem Wolfsmenü stehen.
Man fragt sich unwillkürlich: Ist Gesenhues’ Buch „Offensiver Umweltschutz“ genauso voller Plattitüden wie dieses Schreiben? In dem im März 2024 erschienenen Buch tritt der Öko-Politiker - so die Eigenwerbung seines Verlages - für einen "offensiven, selbstbewussten Umweltschutz" und "eine neue, breitere Naturschutzbewegung" ein. Wenn das Buch inhaltlich ebenso spannend wie sein Brief an den Stader Landrat ist, könnte es sich als ideale Einschlaflektüre für frustrierte Schäfer und Landwirte herausstellen. Hoffentlich findet man darin etwas mehr Mut zur Klarheit und ein paar innovative Ideen, die über den „gemeinsamen und lösungsorientierten Dialog“, wie es im Brief abschließend heißt, hinausgehen.
Antwort kommt Monate später
Das Schreiben des Staatssekretärs ist eine Antwort auf einen Brief Seefrieds an Bundes-Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) vom September 2024. Darin forderte Seefried die Ministerin auf, sich für ein regionales Wolfsmanagement einzusetzen. Das Umweltministerium brauchte ein paar Monate Zeit für eine Antwort, die eigentlich keine ist.
Das Schreiben Seefrieds wird in diesem Artikel thematisiert:
Das ist der Antwortbrief aus dem Bundes-Umweltministerium in vollem Wortlaut:
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz
Berlin, 02.01.2025Sehr geehrter Herr Seefried,
Sie haben sich zum Thema „Umgang mit dem Wolf“ an das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) gewandt.
Uns erreichen seit geraumer Zeit sehr viele Schreiben zum Thema „Umgang mit dem Wolf“. Diese reichen von Nachfragen zu Bestandszahlen oder Unterstützung beim Herdenschutz über die Bitte tätig zu werden, um Wölfe nach Rissvorfällen schneller entnehmen zu können bis hin zu Aufrufen, keine Tötung von Wölfen zuzulassen.
Wichtig ist mir, zu verdeutlichen, dass alle uns zugesandten Hinweise und Positionen wahrgenommen werden und in die Entscheidungsfindung im BMUV einfließen.
Der Wolf war lange Zeit in Deutschland ausgerottet und befindet sich seit der ersten Geburt von Wolfswelpen im Jahr 2000 in der Wiederbesiedlung Deutschlands. Dies ist ein Erfolg des Artenschutzes, erfüllt der Wolf doch eine wichtige Funktion im Ökosystem und steht auch beispielhaft für die Rückkehr einst bedrohter oder ausgestorbener Arten.
Es ist somit eine gemeinsame Aufgabe, in unseren Landschaften den Wald und offene Flächen als Lebensräume mit der ganzen Vielfalt der dort lebenden Tier- und Pflanzenarten zu schützen und zu erhalten. Als Teil dieser Vielfalt hat auch der Wolf seinen Platz in diesem Ökosystem wieder gefunden.
Das Bundesumweltministerium arbeitet engagiert daran, Lösungen zu finden, die ein friedliches Zusammenleben zwischen Mensch und Wolf ermöglichen. Dies stellt oftmals eine Herausforderung dar.
Hinsichtlich der Nutztierhaltung steht insbesondere die Weidetierhaltung im Fokus. Die Weidetierhaltung leistet einen unverzichtbaren und wertvollen Beitrag zum Erhalt der Kulturlandschaft, der Artenvielfalt und für den Naturschutz. Es ist deshalb von enormer Bedeutung, an Lösungen zu arbeiten, die die Balance zwischen Weidetierhaltung und Artenschutz halten. Ein guter Herdenschutz gehört dabei zu den wichtigsten Maßnahmen, um Nutztierrisse effektiv zu vermeiden.
Ich will aber auch klar betonen, dass Wölfe, die trotz zumutbarer Herdenschutzmaßnahmen Weidetiere reißen, nach der aktuell geltenden Rechtslage auch heute bereits getötet werden können. Zuständig für die Erteilung einer entsprechenden artenschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung sind die Behörden der Länder. Diese Möglichkeit sollte in Zukunft verstärkt genutzt werden.
Dafür wurde das Verfahren der Schnellabschüsse gemeinsam mit den Ländern auf der Umweltministerkonferenz (UMK) beschlossen und in den Praxisleitfaden Wolf integriert. Wölfe, die trotz zumutbarer Herdenschutzmaßnahmen geschützte Nutztiere getötet haben, können in Gebieten mit erhöhtem Rissaufkommen bereits nach einmaligem Riss und ohne Individualisierung per DNA-Nachweis entnommen werden. Diese Gebiete mit erhöhtem Rissaufkommen können hierbei von den Ländern festgesetzt werden.
Die UMK hat im August 2024 eine erneute Anpassung des o.g. Praxisleitfadens beschlossen, um den Vollzug des Verfahrens der Schnellabschüsse im Hinblick auf gerichtliche Entscheidungen (OVG Niedersachsen) adressierten Punkte rechtssicher zu ermöglichen. Dies ermöglicht grundsätzlich ein regional differenziertes und europarechtskonformes Vorgehen bei vermehrtem Auftreten von Übergriffen auf geschützte Nutztiere.
Der Vorschlag zur Absenkung des Schutzstatus im Rahmen der Berner Konvention, der nun durch die EU mit deutscher Zustimmung und schließlich Anfang Dezember im Ständigen Ausschuss der Berner Konvention beschlossen wurde, kann zu mehr Spielraum und Flexibilität im Umgang mit problematischen Wölfen führen.
Er ist aber kein Freifahrtschein für ungeregelte Abschüsse, die im Übrigen auch der Weidetierhaltung nicht helfen würden. Der Wolf ist und bleibt eine geschützte Art, sein guter Erhaltungszustand das Ziel. Daher wird auch weiterhin der Schutz von Weidetieren von besonderer Bedeutung sein. Dabei können und wollen wir die Weidetierhaltung unterstützen.
Für die Weidetierhaltung ist aber wichtig: Entnahmen von Wölfen, die geschützte Weidetiere töten, sollen unkomplizierter und schneller möglich sein, um eine Koexistenz von Weidetierhaltung und Wolf zu ermöglichen.
Für den zukünftigen Umgang mit dem Wolf ist es entscheidend, dass eine Koexistenz von Mensch und Wolf möglich ist. Das BMUV sieht darin auch eine wichtige Aufgabe der neuen EU-Kommission. Es ist wichtig, dass Deutschland bei grundlegenden Diskussionen seine Erfahrung mit der wachsenden Wolfspopulation einbringen kann, hierzu stehen wir im fortlaufenden Austausch mit der EU-Kommission und Vertreter*innen anderer Mitgliedstaaten.
Ich kann Ihnen abschließend versichern, dass das BMUV stets alle Positionen im Blick behält und an einer zufriedenstellenden Lösung für Mensch und Natur interessiert ist. Ich bin davon überzeugt, dass wir für den Wolf als Teil unserer heimischen Artenvielfalt eine Zukunft schaffen können, wenn die Interessen der Menschen vor Ort und der Schutz des Wolfes in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden können.
Hierfür ist ein gemeinsamer und lösungsorientierter Dialog mit allen Beteiligten notwendig.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Jan-Niclas Gesenhues
Parlamentarischer Staatssekretär
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