Geplante Amtszeit-Verlängerung für Rathauschefs
Das sagen unsere Bürgermeister zu den Plänen von Rot-Grün
Im Alter wird man klug: Zehn Jahre hat es gedauert, bis Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) endlich zu der Erkenntnis gekommen ist, dass die Verkürzung der Amtszeiten für die Landräte und hauptamtlichen Bürgermeister wohl doch keine so gute Idee war. Im Jahr 2013 hatte die damalige Landesregierung - seinerzeit war auch Rot-Grün an der Macht - beschlossen, die Wahlperioden für die Rathaus- und Kreishaus-Chefs von acht auf fünf Jahre zu reduzieren. Zweck der Übung war, die Amtszeiten an den Wahlturnus der Räte anzupassen.
Jetzt die Kehrtwende: Mittlerweile ist es auch bis zur Staatskanzlei in Hannover durchgedrungen, dass eine fünfjährige Amtszeit für Bürgermeister viel zu kurz ist, um vor Ort größere (Bau-)Projekte vom Anfang bis zum Ende umzusetzen. Die rot-grüne Landesregierung feilt jetzt an Plänen, damit die Spitzenbeamten in den Rat- und Kreishäusern wieder länger auf dem Chefsessel verweilen dürfen. Ob man wieder zu den bewährten acht Jahren zurückkehrt oder ob es auf ein Jahr weniger oder mehr hinausläuft, ist noch völlig offen.
Von den kommunalen Spitzenverbänden wie dem Städtetag und dem Städte- und Gemeindebund werden die Pläne der Landesregierung zur Amtszeitverlängerung begrüßt. Doch wie stehen die Betroffenen selbst, die Bürgermeister, dazu?
Pläne des Landes werden von den Bürgermeistern begrüßt
Das WOCHENBLATT fragte bei mehreren, zufällig ausgewählten Bürgermeistern in der Region nach, wie diese zu den Plänen der rot-grünen Landesregierung stehen. Die meisten wurden für eine fünfjährige Amtszeit (wieder-)gewählt, einige werden gemäß der bisherigen Übergangsregelungen bis zu sieben Jahre im Amt sein. Die geplante Amtszeit-Verlängerung wird von den Rathauschefs überwiegend positiv gesehen. Der Samtgemeinde-Bürgermeister von Oldendorf-Himmelpforten, Holger Falcke, erklärt dazu, dass er sowohl persönlich als auch in seiner Eigenschaft als Bezirksgeschäftsführer des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes (NSGB) das Vorhaben begrüße. Eine längere Amtszeit für die Hauptverwaltungsbeamten werde vom NSGB seit Jahren gefordert, so Falcke.
Fehler wieder rückgängig machen
Das Gleiche gilt für den Niedersächsischen Städtetag, dessen Präsidium Winsens Bürgermeister André Wiese angehört. Es sei gut, dass Rot-Grün jetzt darüber nachdenke, den eigenen Fehler von vor zehn Jahren wieder rückgängig zu machen, so Wiese. Damals noch für acht, danach für sieben Jahre wurde der Rathauschef der Samtgemeinde Hanstedt, Olaf Muus, gewählt. Er betont, dass die derzeitige Regel-Amtszeit von fünf Jahren für ihn aus persönlichen Gründen nicht infrage gekommen wäre. Er habe für die Wahl seinen Status als Beamter auf Lebenszeit aufgegeben. "Als Familienvater dies für eine Amtszeit von nur fünf Jahren zu tun, hätte meine Entscheidung für eine Kandidatur sicherlich negativ beeinflusst."
Mehr Zeit haben, etwas nachhaltig zu gestalten
Auch Neu Wulmstorfs Bürgermeister Tobias Handtke ist wie seine Kollegen der Ansicht, dass eine längere Amtszeit den Bürgermeister-Posten attraktiver mache. Handtke nimmt aber eine gegensätzliche Position zu Muus ein: "Die Motivation (zu einer Kandidatur) sollte sich aus dem Gestaltungsdrang und Engagement für die Menschen ableiten, nicht aufgrund einer längeren Jobsicherheit." Mehr Zeit für die Bürgermeister, in der eigenen Kommune etwas nachhaltig zu gestalten, wünscht sich auch Jorks Rathauschef Matthias Riel. Seine derzeitige Amtszeit beträgt sieben Jahre. Wäre er lediglich für fünf Jahre gewählt worden, so hätte er nur noch ein Jahr bis zur nächsten Wahl gehabt.
In fünf Jahren ist vieles nicht umsetzbar
Keines der Projekte in Jork wie Neubau von Schule und Feuerwehrhaus oder der Start in die Dorfentwicklung hätte in diesen fünf Jahren umgesetzt werden können, so Riel. Seine ersten Amtsjahre seien vom Corona-Krisenmanagement geprägt gewesen. "Zukunftsstrategien konnten daher erst im vergangenen Jahr mit dem erforderlichen Nachdruck gestartet werden." Das gleiche Problem sieht Riels Amtskollege aus der Nachbarkommune Lühe, Timo Gerke: "Selbst wenn man mit viel Tempo seine Amtszeit beginnt, Projekte auf den Weg bringt und neue Ideen umsetzen will, ist dieses in fünf Jahren bei vielen Dingen nicht umsetzbar."
Er habe gleich an seinem ersten Arbeitstag im Rathaus begonnen, die wichtigsten Themen in der Gemeinde anzuschieben, so Gerke. Doch fünf Jahre würden einfach nicht ausreichen, um alles abzuarbeiten. Gerkes Hanstedter Kollege Muus macht deutlich, worin das Dilemma bei fünf Jahren Amtszeit aus seiner Sicht besteht: Eine neu gewählter Bürgermeister benötige ein Jahr, "um überhaupt in den Themen anzukommen. Die Jahre zwei und drei stehen für die reine Arbeit zur Verfügung." Spätestens in Jahr vier beginne schon wieder die Vorbereitung auf einen Wahlkampf im fünften Jahr.
Zurück zur Amtszeit von acht Jahren?
Wie lange sollten Bürgermeister dann im Amt bleiben? Wieder acht Jahre - so wie vor der Reform von 2013? Oder sollte die Amtszeit an die Wahlperiode der Räte gekoppelt werden, nur eben doppelt so lang und damit für eine Dauer von zehn Jahren? Die Mehrheit der befragten Bürgermeister spricht sich für eine Wiedereinführung der früheren Regelung aus - sprich: acht Jahre. Lediglich Fredenbecks Rathauschef Matthias Hartlef hält fünf Jahre "grundsätzlich für ausreichend". Sollte eine Amtszeit-Verlängerung allgemein gewünscht werden, dann wären aus Hartlefs Sicht zehn Jahre sinnvoll, damit die Koppelung an die Wahlperioden der Räte erhalten bleibt. Grundsätzlich eine zehnjährige Amtszeit einzuführen, wird lediglich vom Lühe-Samtgemeinde-Bürgermeister Gerke befürwortet.
Zeitliche Trennung von den Kommunalwahlen
Die Mehrheit der befragten Bürgermeister befürchtet, dass bei der jetzigen Koppelung mit den Kommunalwahlen die Bürgermeisterwahl zur sehr von parteipolitischen Themen überlagert wird. Zeitlich getrennte Wahlen für die Bürgermeisterposten würden nach Ansicht des Neu Wulmstorfer Rathauschefs Handtke eine intensivere Auseinandersetzung mit den Personen und ihren Zielen ermöglichen. Und der Jorker Bürgermeister gibt abschließend zu bedenken: Der Posten des Bürgermeisters sei kein klassisches politisches Amt, sondern von der Aufgabenstruktur her eher "eine Geschäftsführungs - und Managementtätigkeit".
Eine Regelung mit Ausnahmen
Die 2013 von Rot-Grün beschlossene Verkürzung der Bürgermeister-Amtszeiten auf regulär fünf Jahre trat ein Jahr später in Kraft - mit verschiedenen Übergangsregelungen. Ziel war es, die Amtszeiten der Ratshauschefs mit den Wahlperioden der Räte nach und nach zu synchronisieren. Das ist bei einem Großteil bis zur Kommunalwahl im Herbst 2021 erfolgt. Die Bürgermeister oder Landräte, die bei diesem Votum ebenfalls zur Wahl standen, wurden für fünf Jahre gewählt. Ihre Amtszeit endet 2026. Beispiele sind Neu Wulmstorfs Bürgermeister Tobias Handke und Stades Landrat Kai Seefried. Die aktuelle Regelung sieht aber auch Ausnahmen vor. Beispiel: Die erste Amtszeit des Harburger Landrats Rainer Rempe endete 2022. Damit nicht schon nach vier Jahren erneut eine Landratswahl ansteht, verlängert sich Rempes Amtszeit bis zur Kommunalwahl 2031. Das sind Regelungen, die oftmals selbst für politisch interessierte Bürger nicht mehr nachvollziehbar sind.
Das sagen die beiden Landräte
Er habe die Verkürzung von Anfang an kritisch gesehen, so Stades Landrat Kai Seefried (CDU): "Die Auswirkungen der verkürzten Amtszeit waren bei den Wahlen in den vergangenen Jahren bereits deutlich zu spüren gewesen." Es gebe immer weniger Bewerber auf das Amt eines Bürgermeisters oder auch eines Landrates, da die Attraktivität des Amtes unter der Verkürzung der Amtszeit gelitten habe. Viele Projekte seien langwierig. Um sie nachhaltig anzugehen oder auch kontrovers diskutierte Themen umzusetzen, benötige es mehr als fünf Jahre.
"Es hat sich gezeigt, dass die längere Amtszeit von acht Jahren der Bedeutung und den Aufgaben des Amtes besser gerecht wird", sagt der Harburger Landrat Rainer Rempe. Den Herausforderungen des Amtes komme eine längere Amtszeit entgegen. Die oft komplexen Themen und Projekte würden von der Planung bis zur Umsetzung häufig mehrere Jahre benötigen, sodass personelle Kontinuität vorteilhaft sei. Hinzu komme, dass je nach Vorqualifikation eine nicht unerhebliche Einarbeitungszeit erforderlich sei.
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Im Artikel sind die Statements der befragten Bürgermeister nur stark gekürzt wiedergegeben worden. Ihre Stellungnahmen im vollen Wortlaut finden sich hier: Holger Falcke
(Samtgemeinde-Bürgermeister Oldendorf-Himmelpforten)
Es ist seit Jahren, insbesondere im Zuge der letzten Landtagswahl, eine Forderung des Nds. Städte- und Gemeindebundes (NSGB) gewesen, die Amtszeit der Hauptverwaltungsbeamten wieder zu verlängern. Vor diesem Hintergrund begrüße ich persönlich, aber auch als Bezirksgeschäftsführer des NSGB, die jetzt angekündigten Beratungen der Landesregierung zur Verlängerung der Amtszeit ausdrücklich.
Das heutige Anforderungsprofil als Hauptverwaltungsbeamter hat sowohl als kommunalpolitischer Repräsentant durch intensivere Bevölkerungsbeteiligungen als auch als Verwaltungschef durch komplexere Prüf- u. Genehmigungsverfahren erheblich an Intensität zugenommen.
Ideensammlung, Vorprüfungen, Genehmigungsverfahren, Klärung von Fördermöglichkeiten, Ausschreibungsverfahren und letztendlich die Ausführung/Umsetzung sind heute in der Regel bei etwas größeren Projekten nicht mehr in 5 Jahren durchführbar, so dass allein hier schon die Notwendigkeit einer längeren Amtszeit zur Wahrung der Kontinuität begründet ist. Hinzu tritt bei Neueinsteigern die erforderliche Einarbeitung in das Amt selbst, die in der kurzen Amtszeit kaum noch Zeit für nachhaltige, aber auch mal strittige und diskussionsintensive Prozesse mit Blick auf den nächsten Wahlkampf lässt.
Genau diese Ergebnisse sind aber doch notwendig, damit sich die Wählerinnen und Wähler fundiert ein Bild über die tatsächliche Leistung der AmtsinhaberIn vor einer Personen(wieder)wahl machen können. Auch diese gebotene Reflektion im demokratischen Sinne erfordert und rechtfertigt nach meiner Auffassung daher eine längere Amtsdauer. Eine angemessene Verlängerung würde somit gerade für jüngere Kandidatinnen und Kandidaten auch mit Blick auf eine berufliche Perspektive das Amt des Hauptverwaltungsbeamten attraktiver machen.
Der dadurch entstehende Mehraufwand für die Wahldurchführung erscheint mir demgegenüber vertretbar und hat sich auch in der Vergangenheit durch die je nach Einzelfall mögliche Zusammenlegung mit Europa-, Bundes- oder Landtagswahlen deutlich reduzieren lassen. Aus meiner Erfahrung heraus halte ich eine Amtszeit von 8 Jahren für geeignet, diesen heutigen Anforderungsprofilen angemessen Rechnung zu tragen.
Inwieweit eine zehnjährige Amtszeit zu einer höheren Attraktivität und zu noch verbesserten Ergebnissen beiträgt, vermag ich demgegenüber nicht zu beurteilen bzw. abzuschätzen.
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Tobias Handtke
(Bürgermeister Gemeinde Neu Wulmstorf)
Es ist sinnvoll, die Verlängerung der Amtszeit vorzusehen, denn das Zeitfenster von fünf Jahren ist für das Anschieben von Projekten und das Nachhalten dieser zu kurz. Im Besonderen auch für die Amtsführung und Vorleben einer Haltung einer Gemeinde als Arbeitgeber und Dienstleister für die Menschen.
Vorteil eine längeren Amtszeit ist sicherlich, dass angeschobene Prozesse begleitet werden können. Das Amt der Bürgermeisterin/ des Bürgermeisters wird mit einer längeren Amtszeit auch attraktiver gestaltet. Die Motivation sollte sich aber aus dem Gestaltungsdrang und Engagement für die Menschen ableiten, nicht aufgrund einer längeren Jobsicherheit.
Was wäre nach Ihrer Ansicht die ideale Dauer einer Amtsperiode für einen hauptamtlichen Bürgermeister?
7 ½ Jahre und somit jede zweite Wahl mit einer Gemeinderats- und Kreistagswahl zusammen. Für das Amt des Bürgermeisters ist eine politische Orientierung wichtig, dabei aber keine parteiliche Abhängigkeit. Gemeinsame Wahlgänge sind weniger aufwendig, das ist ganz sicher ein Vorteil. Unabhängig voneinander geführte Wahlen bedeuten eine Auseinandersetzung mehr mit Personen und Zielen, weniger mit den Parteien dahinter.
Wäre es womöglich nicht sinnvoll, die Amtszeit eines HVB auf zwei Wahlperioden eines Rates auszudehnen (also 10 Jahre)?
10 Jahre halte ich für einen zu langen Zeitraum. Das Volk soll entscheiden, wer die Geschicke des Rathauses lenkt, ein Vertrauensvorschuss gehört dazu, aber zehn Jahre sind überzogen. Aus Sicht des Bürgermeisters UND der Wählerinnen und Wähler gilt es sich früher für eine Fortsetzung zu bewerben oder sich für die Zukunft neu zu orientieren.
Sie sind auf 5 Jahre gewählt. Wie bewerten Sie die Dauer ihrer Amtszeit in Hinblick auf (Bau-)Projekte in Ihrer Kommune?
Wie bereits erwähnt, zu kurz, aber grundsätzlich dürfen wir das Ziel nicht aus den Augen verlieren, die Verfahren zu beschleunigen, statt uns dem stetig anzupassen. Allerdings liegt das nicht in der Zuständigkeit des BM, muss aber bundes- und landespolitisch gesellschaftlich weiter vorangebracht werden.
Reicht diese Zeit überhaupt aus, um größere Vorhaben anzuschieben und diese dann bis zu deren Umsetzung zu begleiten?
In den seltensten Fällen und sicher nicht bei größeren Projekten. Aber auch das alleine darf nicht das Hauptargument sein, denn im besten Fall ist es immer eine Teamleistung, die eben nicht von einem Einzelnen bestimmt werden darf und kann. Entscheidend ist aber, dass die Menschen für die wir als BM verantwortlich sind, Stabilität und Vertrauen erfahren. Es ist daher auch der Blick auf die Vorteile für die Belegschaft zu richten, wenn die Amtszeit verlängert wird.
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André Wiese
(Bürgermeister Stadt Winsen)
Im Präsidium des Niedersächsischen Städtetages, dem ich angehöre, sind wir uns einig: Die Verkürzung der generellen Amtszeit auf fünf Jahre hat sich nicht bewährt. Es ist gut, dass die rot-grüne Landesregierung jetzt darüber nachdenkt, diesen eigenen Fehler aus 2013 rückgängig zu machen.
Es gibt kaum kommunale Projekte, Baumaßnahmen oder wegweisende Entscheidungen, die innerhalb von fünf Jahren konzipiert, politisch beraten, konkret geplant, durchfinanziert und umgesetzt werden können. Dafür sind die Zeitabläufe zu lang und Antrags- und Fördermechanismen viel zu kompliziert. Hinzukommt für neue Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, dass es naturgemäß seine Zeit braucht, um sich mit den Verwaltungsabläufen und Strukturen vertraut zu machen.
Befürworter von kürzeren Amtszeiten und zeitgleichen Wahlen mit den politischen Vertretungen (Stadtrat, Gemeinderat, Kreistag) argumentieren immer gern mit einer vermuteten höheren Wahlbeteiligung. Wer die Wahlen allerdings zusammenlegt, wird in den meisten Fällen erleben, dass die Frage, wer Bürgermeisterin oder Bürgermeister wird, das Engagement der Kandidierenden für die wichtige ehrenamtliche Aufgabe im Stadt- oder Gemeinderat völlig überlagert. Sie gehen dann allzu oft in der allgemeinen Wahrnehmung zu unrecht völlig unter.
Welche Dauer die richtige ist, das wird sicher in den nächsten Monaten noch umfassend diskutiert werden. Sieben oder acht Jahre sind in anderen Bundesländern Standard und haben sich dort grundsätzlich bewährt. Das würde ich aus eigener Erfahrung auch so sehen. Persönlich bin ich dagegen skeptisch, ob eine Verlängerung auf zehn Jahre zielführend wäre. Hauptverwaltungsbeamte werden direkt von der Bevölkerung gewählt und mit besonderer Verantwortung ausgestattet. Dann gehört es auch dazu, sich regelmäßig Wahlen durch die Bevölkerung zu stellen, da finde ich persönlich zehn Jahre zu lang.
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Matthias Hartlef
Samtgemeinde-Bürgermeister Fredenbeck
Ministerpräsident Stephan Weil hat in seiner ersten rot-grünen Koalition vor 10 Jahren die Amtszeiten der Bürgermeister von 8 auf 5 Jahre verkürzt. Gegen eine Verlängerung der Amtszeiten sprechen m. E. die Kopplung der Amtszeiten an die Kommunalwahlen, die dadurch meist höhere Wahlbeteiligung sowie die höhere finanzielle Belastung bei getrennten Wahlen. Für eine Verlängerung sprechen die Kontinuität an der Spitze in herausfordernden Zeiten angesichts der Komplexität und Fülle von Themen - Ganztagsschule, Kinderbetreuung, Zuwanderung, Energiewende, Digitalisierung und so weiter. Bei einer Verlängerung der Amtszeiten würde man sehr wahrscheinlich auch mehr jüngere Kandidaten ansprechen können.
Ich persönlich halte eine Amtszeit von 5 Jahren grundsätzlich für ausreichend, auch größere Vorhaben anzuschieben und umzusetzen. Bis auf einige Flurbereinigungsverfahren und sehr große Bauvorhaben sind viele Projekte in einer Wahlperiode umsetzbar. Es wird aber immer so sein, dass man Projekte der Vorgänger begleitet und seinen Nachfolgern andere überlässt. Sofern man eine Verlängerung der Amtszeiten anstrebt, sollte man auf jeden Fall eine Kopplung an die Kommunalwahlen aufrechterhalten; dann sollten es 10 Jahre sein.
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Timo Gerke
Samtgemeinde-Bürgermeister Lühe
Wie stehen Sie zu den Plänen?
Ich bin froh, dass nun endlich die Landesregierung auf die Forderung unserer Verbände eingeht.
Sehen Sie bestimmte Vor- oder Nachteile einer längeren Amtszeit?
Für mich überwiegen die Vorteile. Selbst wenn man mit viel Tempo Seine Amtszeit beginnt und Projekte anschiebt, auf dem Weg bringt und neue Ideen mit Politik und Verwaltung umsetzen will, ist dieses in 5 Jahren bei vielen Dingen nicht umsetzbar.
Was wäre nach Ihrer Ansicht die ideale Dauer einer Amtsperiode für einen hauptamtlichen Bürgermeister?
Mindestens 8 Jahre
Wäre es womöglich nicht sinnvoll, die Amtszeit eines HVB auf zwei Wahlperioden eines Rates auszudehnen (also 10 Jahre)?
Ja.
Sie sind auf 5 Jahre gewählt. Wie bewerten Sie die Dauer ihrer Amtszeit in Hinblick auf (Bau-)Projekte in Ihrer Kommune? Reicht diese Zeit überhaupt aus, um größere Vorhaben anzuschieben und diese dann bis zu deren Umsetzung zu begleiten?
Nein. Ich habe sofort am ersten Tag gleichzeitig begonnen den Bau der Kita in Hollern-Twielenfleth voran zu bringen. Die Planung von drei Grundschulen zur Ganztagsschule zu beginnen. Drei Feuerwehrgerätehäuser die nicht den Anforderungen der Feuerwehrunfallkasse entsprechen instand zu setzen. Das Mobilfunknetz in der Samtgemeinde fleckenlos zu gestalten. Und noch andere Dinge die aus meiner Sicht notwendig sind.
Obwohl ich mich an meinem ersten Arbeitstag dem 01.11.2021 intensiv damit beschäftigt habe und alle genannten Themen angeschoben sind wird es nicht möglich sein alles in 5 Jahren auch umzusetzen.
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Olaf Muus
(Samtgemeinde-Bürgermeister Hanstedt)
Ich gehöre noch zu den Bürgermeistern, die zunächst für eine achtjährige Amtszeit und nach der Wiederwahl nun für eine siebenjährige Amtszeit gewählt wurden.
Wie seit vielen Jahren auch von unseren Spitzenverbänden gefordert, begrüße ich ausdrücklich eine Verlängerung der Amtszeit der Bürgermeister*innen, um überhaupt erst einmal die Attraktivität des Amtes wieder zu erhöhen. Für mich persönlich kann ich sagen, dass ich bei meiner damaligen Entscheidung bzw. mit der Wahl meinen Status als Lebenszeitbeamter verloren habe. Als Familienvater dies für eine Amtszeit von nur fünf Jahren zu tun, hätte meine seinerzeitige Entscheidung für eine Kandidatur sicherlich negativ beeinflusst.
Die praktische Arbeit über viele Jahre zeigt, dass verschiedene Prozesse (speziell Planungsprozesse) einen vielen längeren Zeitraum als 5 Jahre umfassen. D.h., wie sie richtig vermuten, sie schieben Verfahren an, die sie ggf. nicht bis zum Ende begleiten können. Ganz praktisch, ein(e) Bürgermeister*in wird neu gewählt, benötigt ca. 1 Jahr um überhaupt in den Themen anzukommen. Das Jahr 2 und 3 steht für die reine Arbeit zur Verfügung. Spätestens in Jahr 4 beginnt aber schon wieder die Vorbereitung auf einen möglichen Wahlkampf in Jahr 5. Aus diesem Grund bin auch skeptisch die Wahl des/der Bürgermeister*in komplett auf die Kommunalwahlen abzustimmen. Eine Überlappung hat den Vorteil für die Kommune, dass mit dem/der Bürgermeister*in eine Kontinuität über Wahlperioden gewährleistet werden kann.
Aus meiner Sicht waren acht Jahre Wahlzeit eine gute Lösung, sowohl aus Sicht des/der Bewerber*in als auch für die Amtsausübung. Ergänzend für eine Rückkehr zur achtjährigen Amtszeit spricht auch der Fachkräftemängel und die stetig steigenden Anforderungen an das Amt des/der Hauptverwaltungsbeamt*in, speziell als Krisenmanager*in auf den unterschiedlichsten Arbeitsfeldern.
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Matthias Riel
(Bürgermeister Gemeinde Jork)
Wie stehen Sie zu den Plänen?
Die Verlängerung der Amtszeit ist erforderlich – das ist bereits seit vielen Jahren eine Forderung des Nds. Städte- und Gemeindebundes, auch ggü. der Vorgänger-Landesregierung. Dieser Forderung schließe ich mich an.
Sehen Sie bestimmte Vor- oder Nachteile einer längeren Amtszeit?
Strategische Planungen der Kommunen bedürfen langwieriger Prozesse, beginnend bei einer vom Gemeinderat unterstützten Zielsetzung, über Fördermittelverfahren, Finanzierungssicherstellungen, unerlässlichen Beteiligungsprozessen ggü. der Bevölkerung, Genehmigungsplanungen, Ausschreibungen, Vergaben bis hin zur Umsetzung ist in der Regel ein Verfahren über mehrere Jahre. Und die Anforderungen werden immer größer – von einem dringend erforderlichen Bürokratieabbau ist auf staatlicher Ebene leider nichts zu spüren. Für diese „Laufzeiten“ ist eine längere Amtszeit mit Kontinuität ein klarer Vorteil. Kürzere Amtszeiten ziehen die Arbeitsschwerpunkte eher auf kurzfristige und operative Entscheidungen. Hinzu kommt, dass staatliche Entscheidungen aktuell immer mehr die kommunale Ebene in die Verantwortung nehmen – und um damit umgehen zu können, bedarf es m.E. auch mehr Kontinuität. Als Nachteil längerer Amtszeiten könnte man vielleicht entgegenhalten, dass die Wähler längere Zeit gebunden sind und nicht so schnell wie z.B. bei Landtags- oder Bundestagswahlen einen Wechsel herbeiführen könnten. Diesem Vergleich schließe ich mich aber nicht an, denn ein HVB-Amt ist von der Aufgabenstruktur her m.E. kein klassisches politisches Amt wie z.B. das eines Ministerpräsidenten, sondern eine örtliche Geschäftsführungs- oder Managementtätigkeit mit klaren gesetzlichen Aufträgen und Verantwortlichkeiten. Und dazu ist Kontinuität nötig. Und ich glaube nicht, dass kurze Amtszeiten den Weg erleichtern, Fachkräfte für diese Managementaufgaben zu gewinnen.
Was wäre nach Ihrer Ansicht die ideale Dauer einer Amtsperiode für einen hauptamtlichen Bürgermeister?
8 Jahre
Wäre es womöglich nicht sinnvoll, die Amtszeit eines HVB auf zwei Wahlperioden eines Rates auszudehnen (also 10 Jahre)?
Das halte ich nicht für nötig, 8 Jahre wäre ein guter und sinnvoller Kompromiss zwischen der demokratischen Legitimation und der gesetzlichen Verantwortungsübernahme. Aus meiner Sicht kommt es auch nicht darauf an, eine zeitliche Kongruenz mit der allgemeinen Kommunalwahlperiode zu erreichen. Wie gesagt – mir geht es bei den gesetzlichen Aufgaben ganz klar um Managementtätigkeiten, die man durchaus von einer politischen Wahl trennen könnte.
Sie gehören jetzt zu denjenigen Bürgermeistern, die noch für eine längere Amtszeit gewählt sind. Welche Vorteile sehen Sie darin? Wie bewerten Sie eine fünfjährige Amtszeit in Hinblick auf (Bau-)Projekte in Ihrer Kommune? Reicht diese Zeit überhaupt aus, um größere Vorhaben anzuschieben und diese dann bis zu deren Umsetzung zu begleiten?
Ich selbst bin für sieben Jahre gewählt. Bei einer fünfjährigen Amtszeit hätte ich jetzt noch ein gutes Jahr bis zum nächsten Wahltermin. Ein Großteil der zurückliegenden Zeit war bei mir – wie auch bei allen anderen Kolleginnen und Kollegen – vom Krisenmanagement mit kurzfristiger Reaktionszeit geprägt. Zukunftsstrategien konnten daher erst im letzten Jahr mit der nötigen Struktur und dem erforderlichen Nachdruck gestartet werden. Und keines unserer Zukunftsprojekte könnte bis zu einem Ende einer fiktiven fünfjährigen Amtszeit umgesetzt werden, wie z.B. der Schulneubau, der Feuerwehrhaus-Neubau, der Start in die Dorfentwicklung, langfristige Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsstrategien, usw. Auch wenn hoffentlich die Intensität der zu bewältigen Krisen weiter spürbar sinkt, bleiben die zeitlichen Herausforderungen für langfristige Zukunftsstrategien. Man darf auch nicht vernachlässigen, dass interkommunale Kooperationen für die langfristige Sicherstellung unserer kommunalen Dienstleistungen immer mehr an Bedeutung gewinnen – so auch in Jork. Auch dieser Weg setzt langfristige Strategien voraus und nicht nur kurzfristige operative Entscheidung.
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