Behörde kommt mit Bearbeitung kaum hinterher
Einbürgerung: 600 Prozent mehr Anträge im Landkreis Stade
Ende Juni ist das von der Ampel-Koalition beschlossene neue Einbürgerungsgesetz in Kraft getreten. Jetzt können Ausländer nach fünf statt nach acht Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben. Bei "herausragenden Integrationsleistungen", dazu zählen neben exzellenten Sprachkenntnissen ehrenamtliches Engagement und besondere berufliche Leistungen, kann ein Migrant bereits nach drei Jahren Deutscher werden. Auch die doppelte Staatsbürgerschaft ist nun zulässig. Die Gesetzesreform hat zu einem Anstieg der Einbürgerungsanträge geführt - auch in den Landkreisen Stade und Harburg. Die Zahlen sind aber bereits in den vergangenen Jahren - mit Ausnahme der Pandemiezeit - kontinuierlich gestiegen. Für die Bearbeitung der Anträge musste in beiden Kreishäusern neues Personal eingestellt werden.
2024 wohl erstmals mehr als 1.000 Anträge
Im Jahr 2014, also vor zehn Jahren, wurden beim Landkreis Stade 178 Einbürgerungsanträge gestellt. In den vergangenen beiden Jahren war die Zahl auf 742 (2022) und dann weiter auf 982 Anträge (2023) gestiegen. In diesem Jahr gingen bei der Ausländerbehörde bis Ende August bereits 752 Anträge ein. Es ist davon auszugehen, dass bis Ende des Jahres erstmal die 1.000-Marke übertroffen wird, wenn sich die Zahlen weiter so entwickeln. Der Anstieg innerhalb der vergangenen zehn Jahre beträgt fast 600 Prozent.
Anträge auf Einbürgerung beim Landkreis Stade:
- 2014: 178
- 2018: 257
- 2019: 286
- 2020: 183 (Rückgang wegen Corona)
- 2021: 354
- 2022: 742
- 2023: 982
Auch im Landkreis Harburg wird bis Ende des Jahres mit rund 1.000 Anträgen gerechnet. Vor zehn Jahren waren es 237 Anträge, im vergangenen Jahr gingen 781 Anträge ein.
Syrer führen die Liste der Antragsteller an
Der starke Anstieg bei den Antragszahlen ab dem Jahr 2022 ist laut Stades Landkreis-Pressesprecher Daniel Beneke eine indirekte Folge der Flüchtlingskrise von 2015/16. Vor allem aus ihrer Heimat geflüchtete Syrer hätten dann die erforderliche Aufenthaltsdauer in Deutschland erreicht, um die deutsche Staatsbürgerschaft zu beantragen. Ein weiterer Effekt bei der Zunahme der Anträge war im Jahr 2023 die Ankündigung der Bundesregierung, die Einbürgerung zu erleichtern. Gingen 2023 monatlich rund 70 Anträge ein, schnellte die Zahl im Februar 2024 auf 122 Anträge hoch. Das war der Monat, als die Beschlüsse zum neuen Einbürgerungsrecht durch die Presse gingen. Nach einem Rückgang in den Folgemonaten zählten der Juli und August dieses Jahres mit jeweils fast 120 Anträgen zu den Spitzenmonaten. So viele Anträge wurden vor 2018 nicht einmal pro Jahr gestellt. Dabei ist der Anteil der Antragsteller mit dem Herkunftsland Syrien seit Jahren am höchsten.
Aus diesen Ländern kommen die meisten Antragsteller (Zahlen im Landkreis Stade von 2024):
- Syrien: 232 Anträge
- Afghanistan: 65 Anträge
- Türkei: 52 Anträge
- Iran: 34 Anträge
- Russland: 33 Anträge
- Irak: 21 Anträge
- Albanien: 19 Anträge
Sachbearbeiterstellen müssen erheblich aufgestockt werden
Die hohe Zahl der Anträge hat dazu geführt, dass sich die Einbürgerungsverfahren verzögern. Die Mitarbeiter der Kreisverwaltung kommen mit der Bearbeitung der Unterlagen nicht mehr hinterher. Derzeit stapeln sich die Akten von rund 1.000 Antragstellern. Bis zum Jahr 2020 reichten anderthalb Sachbearbeiterstellen für den Bereich Einbürgerung aus, um die Anträge zügig bearbeiten zu können. Danach wurde die Zahl der Stellen nach und nach aufgestockt - auf derzeit umgerechnet etwas mehr als vier Vollzeitstellen.
Um die vorliegenden Anträge abzuarbeiten und den weiter steigenden Antragszahlen Herr zu werden, will der Landkreis nun weiteres Personal einstellen. Geplant sind drei zusätzliche Vollzeitstellen bei den Sachbearbeitern und zwei weitere bei den sogenannten Assistenzkräften, die Hilfestellung bei den Anträgen geben. Auch der Landkreis Harburg hat die Zahl der Sachbearbeiter kontinuierlich aufgestockt. Derzeit befassen sich sieben Mitarbeiter in Teil- und Vollzeit mit den Anträgen. Vier weitere werden hinzukommen.
Effekt der doppelten Staatsbürgerschaft
Hinsichtlich der doppelten Staatsbürgerschaft geht der Landkreis Stade von besonders vielen Anträgen von Menschen aus Ländern wie Russland, der Türkei sowie Serbien und dem Kosovo aus. Etwa 3.000 Personen aus diesen Ländern leben im Landkreis Stade. Hinzu kommt die gleiche Anzahl an Syrern, die nach dem neuen Recht von der verkürzten Aufenthaltsdauer profitieren. Der Kreissprecher rechnet vor: "Wenn auch nur drei Prozent dieser insgesamt rund 6.000 Personen einen Einbürgerungsantrag stellen, wären das etwa 180 Anträge." Die Bearbeitung dieser Zahl an Anträgen entspreche in etwa der jährlichen Arbeitskraft von zwei Vollzeitkräften, so Beneke. "Wir gehen von ca. 100 vollzogenen Einbürgerungen pro Vollzeitkraft aus." Das sei ein Wert, der sich im Durchschnitt der vergangenen Jahre bestätigt habe.
Landrat kritisiert Bundesregierung
"Zum jetzigen Zeitpunkt können wir die Auswirkungen der neuen Einbürgerungsregeln noch nicht vollends beurteilen", erklärt Stades Landrat Kai Seefried. Er kritisiert, dass die Ampel-Koalition mit ihrem neuen Gesetz Erwartungen auf schnelle Einbürgerungsverfahren geschürt habe, die vor Ort allein schon wegen der großen Menge an Verfahren nicht erfüllt werden können. Der Landkreis Stade werde mit den fünf zusätzlichen Stellen nun für eine schnellere Bearbeitung sorgen, so der Landrat. Er bemängelt, dass Deutschland in diesem Bereich noch weit von einem bundesweit einheitlichen digitalen Antragsverfahren entfernt sei. "Ein digitales Verfahren würde uns die Arbeit massiv erleichtern."
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.