Experte will einen neuen Super-Landkreis
bc. Stade/Winsen. Entsteht im Norden Niedersachsens bald ein neuer Super-Landkreis? Mit rund 445.000 Einwohnern und einer Fläche von mehr als 2.500 Quadratkilometern. Ein "Kragen-Kreis" südlich der Metropole Hamburg - von Nordkehdingen bis in die Elbmarsch. Das Zukunftsmodell des Berliner Professor Joachim Jens Hesse sieht genau das vor: eine Fusion der Landkreise Harburg und Stade. Die CDU warnt vor übereifrigen Schlüssen. Die rot-grüne Landesregierung hält sich bislang mit Aussagen zurück.
Die alte schwarz-gelbe Regierung hatte 2009 den Kommunalexperten Hesse mit dem Gutachten zur kommunalen Strukturreform in Niedersachsen beauftragt. In seinem nun vorliegenden Abschlussbericht empfiehlt der Verwaltungswissenschaftler vor dem Hintergrund des unaufhaltsamen demografischen Wandels eine radikale Gebietsreform. 38 Landkreise sollen zu 18 verschmelzen, aus acht kreisfreien Städten werden vier. Zur Erinnerung: Vor der Gebietsreform der 1970er Jahre gab es in Niedersachsen 60 Landkreise und 15 kreisfreie Städte. Ziel der Zusammenlegungen ist, Steuergeld zu sparen. Viele Landkreise sind zu klein und wirtschaftlich zu schwach, um sich weiterhin eigenständige Verwaltungen leisten zu können.
Aber gilt das auch für die Landkreise Harburg und Stade? Beide Landkreise liegen sowohl mit ihrer Einwohnerzahl als auch mit der Flächengröße über dem Durchschnitt der Kreise in Land und Bund. Die CDU-Landtagsabgeordneten aus beiden Landkreisen warnen davor, eine Reform „über die Köpfe von Bürgern hinweg“ vorzubereiten.
CDU-Landtagsmitglied Heiner Schönecke aus Elstorf will nichts überstürzen: „Unsere Region sollte gelassen mit den Vorschlägen des Hesse-Gutachtens umgehen." Ähnlich sehen es die Führungsspitzen in den Kreishäusern in Stade und Winsen. "Wir sehen keinen Handlungsbedarf. Der Landkreis Harburg ist finanziell, wirtschaftlich und strukturell gut aufgestellt", sagt Landrat Joachim Bordt. Zumal Hesse teilweise widersprüchliche Angaben in seinem Gutachten mache. "Zum Beispiel sieht er Landkreise mit mehr als 400.000 Einwohnern als zu groß an", so Bordt.
Ins gleiche Horn stößt Eckhard Lantz, Erster Kreisrat im Landkreis Stade: "Die Problemlagen in der Heide und an der Unterelbe unterscheiden sich zu sehr, als dass man die Landkreise zusammenlegen könnte." Lantz zitiert aus dem Gutachten: "Hesse schreibt ja selber in seinem Gutachten, dass 'die Kreise Harburg und Stade für sich handlungs- und zukunftsfähig erscheinen und von ihrer Hamburg-nahen Lage profitieren'. Der Landkreis Stade kooperiere bereits auf vielen Gebieten mit anderen Landkreisen. Beispiele sind der Verkehrs- oder der Abfallverbund.
Zudem liegen die Landkreise Stade (197.395 Einwohner, 1.266 Quadratkilometer) und Harburg (248.333 E., 1.245 km²) sowohl von der Einwohnerzahl als auch von Flächengröße über dem niedersächsischen Durchschnitt und dem Bundesschnitt. Es gebe alleine in Niedersachsen 20 Landkreise mit weniger als 150.000 Einwohnern, so Lantz.
Auch bei den Prognosen, was die Bevölkerungsentwicklung bis 2030 angeht, schneiden Stade und Harburg gut ab. Im Landkreis Harburg wird sogar ein Wachstum (plus zwei Prozent) vorhergesagt.
Unklar ist bislang, ob die rot-grüne Landesregierung den "Zukunftsvertrag" fortsetzen will. Darin ist die sog. "Hochzeitsprämie" geregelt: Im Fall einer Fusion ist eine Belohnung des Landes vorgesehen - eine Schulden-Übernahme von bis zu 75 Prozent. Ende März läuft der Zukunftsvertrag aus. „Ich hoffe nicht, dass die Landesregierung plant, durch einen Wegfall der Mittel den Druck zu Fusionen nochmals zu erhöhen“, warnt CDU-Landtagsmitglied Helmut Dammann-Tamke.
Redakteur:Björn Carstens aus Buxtehude |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.