Immer mehr Geflüchtete in Niedersachsen
Flüchtlingsquote im Kreis Stade mit 162 Prozent übererfüllt

Niedersachsen ist bei der Unterbringung von Asylsuchenden an seine Kapazitätsgrenze gelangt. Wenn Container-Unterkünfte nicht ausreichen, sollen auch Zelte aufgebaut werden (Symbolfoto) | Foto: Adobe Stock/brudertack69
  • Niedersachsen ist bei der Unterbringung von Asylsuchenden an seine Kapazitätsgrenze gelangt. Wenn Container-Unterkünfte nicht ausreichen, sollen auch Zelte aufgebaut werden (Symbolfoto)
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Es kommen immer mehr Flüchtlinge nach Niedersachsen. Die niedersächsische Landesregierung schlägt jetzt Alarm. Die Zahl der Asylsuchenden, die in Niedersachsen ankommen, hat sich in den vergangenen zwei Monaten mehr als verdoppelt. Waren es Mitte Juli pro Woche noch 500 bis 600 Neuzugänge an Flüchtlingen, sind es aktuell 1.300. Die Landesaufnahmebehörde (LAB) stoße an die Grenze ihrer Kapazitäten, so Innenministerin Anne Behrends (SPD): "Die derzeit rund 9.500 verfügbaren Plätze in den regulären Standorten und den Notunterkünften der LAB sind belegt."  In den Unterkünften werden bereits Hallen und Schulungsräume für die Unterbringung genutzt.

Quote über dem Landesdurchschnitt

Die steigenden Flüchtlingszahlen in Niedersachsen werden auch direkte Auswirkungen auf die Landkreise haben. Das niedersächsische Innenministerium muss in diesen Tagen neue Aufnahmequoten für die Landkreise festlegen. Mit denen wird festgelegt, wie viele Flüchtlinge dem jeweiligen Landkreis bis zu einem bestimmten Stichtag zugewiesen werden können. Die aktuelle Quotenregelung läuft Ende September aus. Stades Landrat Kai Seefried hat jetzt erklärt, dass er bis auf Weiteres keine Zuweisung neuer Flüchtlinge erwarte. Schließlich habe der Landkreis Stade seine Aufnahmequote mit 162 Prozent bereits übererfüllt.

Die meisten Asylsuchenden im Landkreis Stade stammen aktuell aus Kolumbien

Bereits bei der letzten Erhebung des Stader Ausländerbehörde vor den Sommerferien kam man auf eine Erfüllungsquote von 94 Prozent. Bei der Quote geht es um die Zahl der Kriegsvertriebenen aus der Ukraine und der Asyl- bzw. Schutzsuchenden aus anderen Ländern, die seit der russischen Invasion in den Landkreis Stade gekommen sind. Kurz vor dem Auslaufen der bisherigen Quote zum Stichtag 30. September wurden seit dem Frühjahr 2022 insgesamt 4.367 Ukrainer von den Kreisbehörden registriert. Davon haben 1.045 den Landkreis Stade bereits wieder verlassen. Hinzu kommen 835 Flüchtlinge aus anderen Herkunftsländern wie beispielsweise Syrien oder Afghanistan.

Gute Kooperation mit den Kommunen

Mit einer Aufnahmequote von 162 Prozent liegt der Landkreis Stade deutlich über dem Soll. Das ist wesentlich höher als der Durchschnitt aller niedersächsischen Landkreise (112 Prozent). Er sei stolz auf diese Zahl, meint Landrat Seefried. Und er sei stolz darauf, dass das Aufnahmeprozedere im Zusammenspiel mit den Kommunen so hervorragend funktioniere. Die Verteilung der Geflüchteten auf die Städte und (Samt-)Gemeinden erfolge problemlos. Dafür sei er auch den Beteiligten in den Rathäusern dankbar. Aufgrund der noch vorhandenen Kapazitäten sei man gut aufgestellt für die kommenden Monate.

Dennoch will Seefried jetzt klare Kante zeigen: "Meine Haltung gegenüber dem Land ist eindeutig: Der Landkreis Stade hat wesentlich mehr Flüchtlinge aufgenommen, als er laut Quote musste. Jetzt sind erstmal andere Landkreise an der Reihe." Eigentlich müsse das Land zum 1. Oktober eine neue Quote festsetzen, so Seefried. "Aber ich habe vom Innenministerium noch nichts gehört."

Die meisten Asylsuchenden kommen nach Deutschland

Bis Ende August stellten mehr als 204.000 Menschen einen Asylantrag in Deutschland. In diesem Jahr wird der Bund die höchste Zahl an neu registrierten Asylsuchenden seit der Flüchtlingswelle 2015/16 verzeichnen. Dabei ist die Bundesrepublik Flüchtlings-Land Nr. 1 in Europa. Im ersten Halbjahr 2023 wurde ein rund ein Drittel aller Asylanträge innerhalb der EU in Deutschland gestellt, mit weitem Abstand folgen Spanien, Frankreich und Italien.

So viele Flüchtlinge sind in Stade untergebracht

"Es wird enger in Niedersachsen"

Aufgrund der Vielzahl an Asylsuchenden, die ins Land strömen, wird laut Niedersachsen Innenministerin Anne Behrens die Qualität der Unterbringung und damit auch die Lebenssituation der Flüchtlinge unter den jetzigen Bedingungen leiden. "Es wird enger, es wird voller und damit steigt die Belastung für alle Beteiligten, auch für die vielen Beschäftigten in den Einrichtungen. Angesichts dieser Entwicklung stehen Länder und Kommunen vor einem schwierigen Herbst.", so die Ministerin.

Das Land arbeite mit Hochdruck daran, weitere Notunterkünfte zu finden und schnellstmöglich einzurichten, heißt es aus Hannover. Bei der Suche nach geeigneten Liegenschaften werde die Unterstützung der Kommunen benötigt. Aber auch die Errichtung von winterfesten Zelten sei eine Option. Behrens hat angekündigt, das Thema der Unterbringung und Verteilung von Geflüchteten am kommenden Montag mit Vertretenden der kommunalen Spitzenverbände beraten. "Uns ist bewusst: Die Kommunen tragen bereits eine große Last und unser Anspruch ist normalerweise, ihnen einen möglichst großen Vorlauf für die Unterbringung vor Ort zu gewähren. In der derzeitigen Lage ist dies aber nur noch bedingt möglich", so Behrends.

Belastungen für die Menschen vor Ort

Sowohl das Land als auch die Kommunen müssten in den kommenden Wochen Unterbringungsmöglichkeiten nutzen, die Belastungen für die Menschen vor Ort mit sich bringen werden, so Behrends: "Dafür bitte ich die Bürgerinnen und Bürger schon jetzt um Verständnis und um ihre Solidarität mit den Menschen, die zu uns kommen."

Behrens fordert, dass die Außengrenzen der Europäischen Union besser gesichert werden: "Wir brauchen an den EU-Außengrenzen faire, rechtsstaatliche Verfahren, in denen über einen Teil der Schutzgesuche entschieden wird - insbesondere über die Fälle, die nur geringe Chancen auf Anerkennung haben." Damit müsse aber auch eine zeitnahe Rückführung in die Herkunftsländer – auch durch entsprechende Rückübernahmeabkommen – einhergehen.

Redakteur:

Jörg Dammann aus Stade

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