Frust bei älteren Ärzten im Landkreis Stade
Vertreter der Kassenärztlichen Vereinigung kritisieren Plan, Praxen länger zu öffnen
jd. Stade. Das Thema Ärztemangel bleibt uns auch in den kommenden Jahren erhalten. Da sind sich diejenigen sicher, die es wissen müssen: die Ärztefunktionäre. So könnten im Bezirk Stade der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) - er umfasst das Elbe-Weser-Dreieck - sofort 40 Hausarztstellen besetzt werden, doch es fehlen die Bewerber. Allein in der Stadt Stade stehen derzeit acht Stellen zur Verfügung. Diese Zahlen kamen jetzt bei einem Treffen des Stader KVN-Bezirksstellenleiters Michael Schmitz und des Bezirksausschuss-Vorsitzenden Dr. Stephan Brune mit dem niedersächsischen KVN-Vizechef Dr. Jörg Berling auf den Tisch. Der Gast aus Hannover informierte sich vor Ort über die Situation der hausärztlichen Versorgung.
In dieser Hinsicht gibt es sogar etwas Positives zu vermelden: So konnte der Versorgungsgrad im Planungsbereich Buxtehude (dazu zählen auch Jork, Harsefeld und Apensen) von 88,6 Prozent im Sommer auf aktuell 93,4 Prozent gesteigert werden. "Gerade in diesen Tagen haben wir für den Bereich Buxtehude neue Zulassungen erteilt", berichtet Brune. In der ersten Jahreshälfte waren dort noch 13 Hausarztstellen vakant. Jetzt praktizieren im Raum Buxtehude 53 Hausärzte. Zuvor waren es 49.
Keine Veränderungen gibt es im Planungsbereich Stade, der den Rest des Landkreises abdeckt. Mit 96,4 Prozent ist der Versorgungsgrad aufgrund wachsender Bevölkerungszahlen zwar leicht gesunken, doch die Zahl der Hausärzte blieb konstant: 63 Allgemein-Mediziner sind im Bereich Stade tätig. Um Medizinern den Start als niedergelassener Hausarzt zu erleichtern - oft handelt es um die erste eigene Praxis -, gewährt die KVN Zuschüsse aus dem Strukturfonds für ländliche Räume. Aus diesem Fördertopf für Praxisneugründungen 240.000 Euro für fünf Ärzte im Raum Buxtehude geflossen. Jeweils 60.000 Euro an Investitionskosten-Zuschüssen sind an zwei Praxen in Kehdingen gegangen.
Die Ärzte-Funktionäre räumen aber auch ein, dass diese Zahlen zur hausärztlichen Versorgung keine Auskunft zur Situation in den einzelnen Gemeinden geben. Dafür müsste die Statistik bis zur kommunalen Ebene heruntergebrochen werden. Es werde davon ausgegangen, dass Mittelzentren wie Buxtehude und Stade bei der hausärztlichen Versorgung einen weiteren Einzugsbereich abdecken, so Schmitz. Daher erfolge keine kleinteiligere Bedarfsplanung.
Aus den statistischen Werten lässt sich auch nicht die eigentliche Brisanz herauslesen, die dahinter steckt. Denn ein nicht unerheblicher Teil der Hausärzte hat bereits das Rentenalter erreicht. Sie sind schon jenseits der 63 und praktizieren noch immer - einige, weil ihnen der Beruf Spaß macht, viele aber auch, weil sie einfach keinen Nachfolger finden und sie es sich nicht leisten können, ihre Praxis aufzugeben, wenn sie in deren Austattung hohe Summen investiert haben. In den kommenden Jahren könnte es nach Einschätzung Berlings sogar noch schwieriger hinsichtlich der Hausarzt-Versorgung werden.
Als kontraproduktiv bezeichnet Berling in diesem Zusammenhang den jüngsten Vorstoß von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Dessen Entwurf für das geplante Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSG) sieht vor, die wöchentliche Sprechstundenzeit von 20 auf 25 Stunden zu erhöhen. Zusätzlich soll im Gesetz festgeschrieben werden, das pro Woche mindestens fünf Stunden eine offene Sprechstunde abgehalten wird. "Dieses planwirtschaftliche Hineinregieren wird dazu führen, dass ältere Kollegen ihren Kittel an den Nagel hängen", fürchtet Brune. Der Unmut in der Ärzteschaft sei groß. Er wisse aus Gesprächen, dass viele Mediziner, die bereits das Rentenalter erreicht haben oder kurz davor stehen, dann sagen würden: "Es reicht mir jetzt."
Spahns Vorhaben bezeichnete die Ärzte-Vertreter als Eingriff in die Autonomie der Praxisinhaber. Schon jetzt betrage die durchschnittliche Arbeitszeit eines Hausarztes 54 Stunden pro Woche. "Wie sollen die Kollegen zusätzliche eine offene Sprechstunde bewältigen, wenn dann 60 Patienten im Wartezimmer sitzen?", fragt sich Brune. Er habe Verständnis, wenn ältere Kollegen sich das nicht mehr antun wollen. Die Konsequenz: Es gebe dann noch weniger Hausärzte.
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