Kreis Stade soll bei AKW-Unglück Aufnahmestation einrichten
Für den Notfall: Land schickt Trainingsanzüge
jd. Stade. Exakt 1.000 Trainingsanzüge, die gleiche Menge an Unterhosen - jeweils zur Hälfte mit und ohne Eingriff für Männlein und Weiblein -, dazu zwei riesige Fernsehmonitore, mit denen sich im Keller ein prächtiges Heimkino ausstatten ließe, und dazu zwei Kisten Strahlenmessgeräte, die man landläufig als Geigerzähler bezeichnet. Die 21 Euro-Paletten mit den Klamotten und den Gerätschaften lagern seit August im Bunker der Feuerwehrtechnischen Zentrale (FTZ) in Stade-Wiepenkathen. Um das vom Land angelieferte Material gab es einige Verwirrung. Denn der Landkreis wusste zunächst nichts von diesen "Überraschungspaketen".
"Wir haben das Material erhalten, um bei einem Unfall im Kernkraftwerk Brokdorf eine sogenannte Notfallstation einrichten zu können", sagt die für den Katastrophenschutz zuständige Landkreis-Dezernentin Nicole Streitz. Unter dem Eindruck des Reaktorunglücks in Fukushima habe Niedersachsen wie die anderen Bundesländer auch die Notfallpläne für nukleare Zwischenfälle überarbeitet. Landesweit seien sieben Gefahrenregionen ausgewiesen worden - davon vier in der niedrigeren Gefahrenstufe 2, weil die dortigen Atomkraftwerke stillgelegt sind.
Der Landkreis Stade fällt laut Streitz aber in die Stufe 1, weil in der Nähe das AKW Brokdorf liegt. Tatsächlich beträgt die Entfernung zwischen der Kreisstadt und dem Atomreaktor lediglich 30 Kilometer Luftlinie. Aufgrund dieser Lage ist der Landkreis nach den Vorgaben aus Hannover verpflichtet, im Krisenfall eine Notfallstation einzurichten. Wie diese Station betrieben werden soll, findet sich in einer Rahmenempfehlung der Innenministerkonferenz.
Laut dieser Empfehlung ist die Notfallstation darauf ausgelegt, als Erstanlaufstelle innerhalb von 24 Stunden bis zu 1.000 Personen zu betreuen, die nach einem AKW-Unglück Schutz und Hilfe suchen. Wer die Station aufsucht oder im Rahmen einer Evakuierungsmaßnahme dorthin geschickt wurde, wird zunächst auf eine mögliche Strahlenbelastung untersucht. Liegt eine Kontamination vor, geht es unter die Dusche, danach gibt es frische Kleidung. "Das erklärt die Messgeräte und die Unterwäsche sowie die Trainingsanzüge, die uns das Land geschickt hat", sagt Streitz.
Die überdimensionalen Monitore wiederum dienen dazu, die Menschen in diesen Stationen mit Informationen zu versorgen. Wer das Aufnahme-Prozedere in der Station durchlaufen hat, steigt zwecks Evakuierung in einen Bus oder seinen eigenen Pkw, wird zu einer Notunterkunft weitergeschickt oder kommt in ärztliche Behandlung, wenn aufgrund einer zu hohen Strahlendosis Krankheitssymptome vorliegen, erläutert Streitz.
Sie hält es prinzipiell für richtig, dass das Land Vorsorge treffe. Warum das Material wie aus heiterem Himmel plötzlich vor der Tür gestanden habe, sei inzwischen geklärt, so Streitz. Die mit dem Transport beauftragte Spedition habe es einfach nur versäumt, die Lieferung anzukündigen. Inzwischen ist noch ein mit einem Notstromaggregat und einem Lichtmast versehener Anhänger eingetroffen. Außerdem wird noch ein Lkw erwartet, mit dem Ausrüstung bei Bedarf zur Notfallstation geschafft werden kann. "Wir sollen angeblich die Wahl haben zwischen einem 40-Tonner und einem 30-Tonner mit Anhänger", so Streitz.
Abgesehen davon, das noch ein dauerhafter Stellplatz für den Laster sowie den oder die Anhänger gefunden werden muss, gebe es hinsichtlich der Notfallstation noch einiges zu klären, meint Streitz. "Diese Stationen befinden sich ja im Neuaufbau und da ist vieles noch nicht organisiert." Es habe bisher weder Schulungen gegeben noch sei klar, wer das medizinische Personal stellt. "Wir stehen in engem Kontakt mit Hannover und derzeit läuft die Abstimmung der Behörden untereinander." Fest stehe jedenfalls, dass das Land in dieser Hinsicht das Sagen habe und dem Landkreis mitteilen müsse, wie weiter vorzugehen sei, so Streitz: "Schließlich finanziert Hannover auch die komplette Ausrüstung."
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