Klinik-Krise, Fachkräftemangel und marode Straßen
Großes Sommerinterview mit dem Stader Landrat Kai Seefried

Landrat Kai Seefried (re.) wird im Innenhof des Kreishauses von Redaktionsleiter Jörg Dammann interviewt | Foto: Daniel Beneke / LK Stade
  • Landrat Kai Seefried (re.) wird im Innenhof des Kreishauses von Redaktionsleiter Jörg Dammann interviewt
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Es herrscht politische Sommerpause. In den kommunalen Parlamenten ruht während der Ferienzeit die Arbeit. Für die Presse sind viele Ansprechpartner in den Verwaltungen und in der Kommunalpolitik nicht erreichbar, weil sie sich im Urlaub befinden. Auch Landrat Kai Seefried (CDU) verabschiedet sich diese Woche in die Ferien. Vor seiner Abreise traf er sich mit Redaktionsleiter Jörg Dammann für das große WOCHENBLATT-Sommerinterview.

WOCHENBLATT: Aktuell sind rund 150 Stellen in der Kreisverwaltung nicht besetzt, in den kommenden Jahren werden die Babyboomer in Rente gehen und damit zusätzliche Lücken reißen. Wie wollen Sie sicherstellen, dass Ihre Behörde arbeitsfähig bleibt? Und werden bereits Ideen umgesetzt, wie sich neue Mitarbeiter rekrutieren lassen?
Kai Seefried: Die Personalgewinnung und der Fachkräftemangel gehören nicht nur für uns als Kreisverwaltung zu den zentralen Herausforderungen der Zukunft. Wir bemühen uns um eine Positionierung als moderner und attraktiver Arbeitgeber – z.B. mit wegweisenden Homeoffice-Regelungen, flexiblen Arbeitszeitmodellen und modernen Arbeitsplätzen. Dabei vertrauen wir auf die besten Ratgeber, die wir für dieses Thema gewinnen können: unsere Beschäftigten. Ausgehend von einer großen Befragung der Mitarbeiter haben wir einen Change-Management-Prozess gestartet, um die Kreisverwaltung als Arbeitgeber zu modernisieren.
Wir legen ein großes Augenmerk auf die Ausbildung von eigenen Fachkräften, öffnen uns mehr und mehr auch für Quereinsteiger. Nahezu jede Woche schreiben wir gleich mehrere offene Stellen aus. Die Resonanz ist durchaus positiv. Wir müssen aber ganz realistisch der Entwicklung ins Auge sehen, dass der Fachkräftemangel und der demografische Wandel die Sache in den nächsten Jahren nicht leichter machen werden. Daher auch immer wieder mein Appell, dass wir dringend zu Verwaltungsvereinfachungen kommen müssen. Es muss in diesem Land auch mal wieder etwas einfacher werden und schneller gehen.

WOCHENBLATT:
Bleiben wir beim Thema Fachkräftemangel: Ein großes Problem ist der seit Jahren herrschende Stillstand beim Straßenbau und bei der Sanierung der Kreisstraßen. Sie haben zum Jahresbeginn zwar ein neues Amt gegründet, doch es fehlt an Personal und einem Amtsleiter. Warum dauert es so lange, den Laden zum Laufen zu bringen?
Kai Seefried:
Mit dem Zustand unserer Straßen und der Geschwindigkeit der Sanierungsmaßnahmen bin ich absolut nicht zufrieden. Deshalb habe ich zur Stärkung dieses Fachbereiches die Gründung eines eigenen Amtes initiiert. Die Neuorganisation eines Amtes benötigt aber auch Zeit. Derzeit führen wir das Ausschreibungsverfahren für die Amtsleitung durch und haben zur Beschleunigung auch einen Personaldienstleister beauftragt. Parallel laufen die Vorbereitungen für die Ausschreibungen von freien Ingenieursstellen. Klar ist aber auch, dass der Fachkräftemangel hier voll durchschlägt und es mit der Tarifstruktur des öffentlichen Dienstes kaum möglich ist, mit der Privatwirtschaft mitzuhalten.

WOCHENBLATT:Von Ihnen selbst und auch aus der CDU-Kreistagsfraktion kam deshalb der Vorstoß, komplette Sanierungen von der Planung über die Ausschreibung bis zur Ausführung und der Baubegleitung extern zu vergeben. Wann geht es hier endlich richtig los?
Kai Seefried: Neben der Neuorganisation des eigenen Amtes ist es mein Ziel, ganze Maßnahmenpakete – von der Planung über die Ausschreibung bis zur Bauausführung – extern zu vergeben. Hierfür bereiten wir gerade ein entsprechendes Ausschreibungsverfahren vor. Zusätzlich wollen wir Kommunen im Landkreis die Möglichkeit geben, mit uns im Verbund Projekte durchzuführen. Ich baue darauf, dass es uns mit diesem ganzen Strauß an Maßnahmen gelingen wird, dem Sanierungsstau in den nächsten Jahren entgegenzutreten.

Zwischenbilanz nach einem Jahr als Stader Landrat

WOCHENBLATT:Mit der Übernahme der Anteile der Hansestadt Stade übernimmt der Landkreis die komplette Verantwortung für die Elbe Kliniken – und muss prompt mit einer Finanzspritze Erste Hilfe leisten, weil die Kliniken völlig unverschuldet in schwieriges Fahrwasser geraten sind. Hilft oder schadet die von Bund und Ländern geplante Reform der Krankenhauslandschaft da eher?
Kai Seefried:
Der Landkreis bekennt sich zu seiner Verantwortung, doch derlei Unterstützungszahlungen müssen die Ausnahme bleiben. Bund und Land haben den klaren gesetzlichen Auftrag, für eine auskömmliche Finanzierung zu sorgen. Da die Elbe Kliniken sich an ihren beiden Standorten seit Jahren spezialisiert haben und keine unnötigen Doppelstrukturen aufrechterhalten, sehe ich hier keine Gefahr für den Umfang der medizinischen Versorgung. Dass die Fallpauschalen der Vergangenheit angehören und auch Vorhaltekosten übernommen werden sollen, ist erst einmal eine richtige und wichtige Grundsatzentscheidung.
Doch die Reform kommt schlicht zu spät – und ohne zusätzliche finanzielle Mittel wird sie nicht funktionieren. Wir benötigen jetzt eine Soforthilfe von Bund und Land, um die infolge der Inflation gestiegenen Kosten aufzufangen. Ich habe wirklich kein Verständnis, dass der Bundesgesundheitsminister derzeit sehenden Auges auch gut funktionierende Krankenhäuser in den Ruin schicken will.

WOCHENBLATT:
Die rot-grüne Landesregierung will im kommenden Jahr die Förderung für den Breitbandausbau in Niedersachsen streichen. Damit entfällt die 25-prozentige Förderung des Landes, mit der bisher Bundeszuschuss von 50 Prozent aufgestockt wurde. Gerade ländliche Regionen wie der Kreis Stade haben bisher von den Fördermitteln profitiert. Machen Sie sich nicht Sorgen um die Zukunft der digitalen Infrastruktur im Landkreis? Wie sollen jetzt die Lücken bei der Versorgung mit schnellem Internet geschlossen werden?
Kai Seefried: Das ist eine schlechte Nachricht für die Digitalisierung des ländlichen Raumes. Zudem kam die Nachricht für uns völlig überraschend. Vor ein paar Wochen noch gab es Gespräche zwischen dem Wirtschaftsministerium und den kommunalen Spitzenverbänden über eine Neuausrichtung und ggf. Ausweitung der Förderung. Da war von einem Ausstieg des Landes keine Rede. Ich hoffe, dass in dieser Sache das letzte Wort noch nicht gesprochen ist, und vertraue auf das Engagement unserer Landtagsabgeordneten. In den vergangenen Jahren konnte durch die Umsetzung mehrerer Förderprogramme im Landkreis Stade aber bereits ein umfangreicher Ausbau der Breitband-Infrastruktur erreicht werden, auch aktuell laufen noch Arbeiten im Zuge dieser Förderprogramme. Wir wollen den Weg aber natürlich gerne weiter fortsetzen.

Kreis Stade soll Katastrophenschutz-Zentrum erhalten

WOCHENBLATT: Sie machen jetzt mit Ihrer Familie Urlaub. Haben Sie das Laptop mit im Gepäck oder bleibt auch das Handy mal für längere Zeit ausgeschaltet?
Kai Seefried: Ich freue mich wirklich auf den Urlaub und die Auszeit. Ich bin es gewohnt und es gehört für mich auch dazu, immer erreichbar zu sein. In den nächsten 14 Tagen wird das dann aber doch einmal deutlich eingeschränkt – obwohl ich zugeben muss, dass mein Diensthandy und das Notebook mit zum Gepäck gehören. Ich weiß die Amtsgeschäfte bei unserem Ersten Kreisrat Thorsten Heinze aber in sehr guten Händen.

WOCHENBLATT:Zum Schluss eine Frage in eigener Sache: Sie haben ja mitbekommen, dass jetzt die letzte Mittwochs-Ausgabe des WOCHENBLATT erschienen ist. Was ist Ihre Erwartung an die künftige Ausrichtung der Samstags-Ausgabe?
Kai Seefried:
Die Einstellung der Mittwochs-Ausgabe bedaure ich sehr, auch wenn ich sie als Reaktion der schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Print-Branche natürlich nachvollziehen kann. Natürlich wünsche ich mir, dass die Redaktion nun die Möglichkeit bekommt, ihre ganze Energie in die Gestaltung einer vielfältigen Samstags-Ausgabe zu stecken und auch weiterhin ein waches Augenmerk auf die Entwicklungen im Landkreis Stade und in der Kreispolitik gelegt wird. In einer demokratischen Gesellschaft ist eine konstruktiv-kritische Begleitung der Arbeit von Politik und Behörden durch die Medien unverzichtbar, das gilt auch und insbesondere für die regionale Ebene. Daher hoffe ich darauf, dass wir auch zukünftig eine mediale Vielfalt im Landkreis Stade haben werden.

Redakteur:

Jörg Dammann aus Stade

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