Die braune Vergangenheit der Ostmarkstraße
Häuschen für verdiente SA-Kämpfer: Neue Erkenntnisse lassen Politiker in Stade aufhorchen

Die Debatte um die Ostmarktstraße ist neu entfacht. Wahrscheinlich wird jetzt auch über eine Umbenennung der Sudetenstraße diskutiert   | Foto: Archiv/lt
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jd. Stade. Die Stader Ostmarkstraße ist 1938 als SA-Siedlung entstanden. Das kann jetzt eindeutig durch historische Dokumente aus dem Stader Stadtarchiv belegt werden. Damit liegen neue, höchst brisante Fakten vor, die eine bereits für beendet erklärte Debatte um die Umbenennung der Straße wahrscheinlich wiederaufleben lassen. Die Verwaltung der Hansestadt präsentierte die jetzt zutage geförderten Erkenntnisse auf der Sitzung des städtischen Kulturausschusses. Dort wurde kritisiert, dass die Verwaltung erst so spät die alten Akten gesichtet hat.

Die Ostmarkstraße liegt in einer eher beschaulichen Wohngegend. Wenn man dort durchfährt, weist so rein gar nichts auf die Brisanz hin, die der Straßenname in sich birgt. Die Namensgebung durch die Nazis im Jahr 1938 war vor rund einem Jahr Gegenstand intensiver Diskussionen. Nicht nur in der Politik, das Thema war zeitweise Stadtgespräch. Die CDU-Fraktionschefin Kristina Kilian-Klinge und ihre Stellvertreterin Melanie Rost hatten eine Umbenennung der Straße beantragt, denn als Ostmark wurde in der NS-Zeit das zwangsweise annektierte Österreich bezeichnet.

Der Antrag auf Umbenennung fiel im Dezember 2019 im Rat durch. SPD, mehrere CDU-Politiker, die WG und die "bunte" Gruppe lehnten eine Namensänderung ab, während Teile der CDU, Grüne und Linke für einen neuen Straßennamen votierten. Eine Mehrheit fand der Antrag des SPD-Fraktionsvorsitzenden Kai Holm, eine Hinweistafel zum historischen Hintergrund des Nazi-Begriffs Ostmark aufzustellen.

Die Politik setzte eine Arbeitsgruppe ein, die den Text für diese Tafel entwerfen soll. Dieser AG gehört auch Stades Stadtarchivleiterin Dr. Christina Deggim an. Sie wurde mit der Recherche zum Thema Ostmarkstraße betraut. Was sie jetzt im Kulturausschuss als Ergebnis ihrer Studien im Stadtarchiv vorlegte, ließ die Ausschussmitglieder aufhorchen: Die Ostmarkstraße ist eine sogenannte Dankopfersiedlung der SA, das Gleiche gilt für die benachbarte Sudetenstraße.

Als Dankopfer wurden die Geldspenden bezeichnet, die jährlich zu Hitlers Geburtstag eingetrieben wurden, um davon Siedlungshäuser für verdiente NSDAP- und SA-Mitglieder zu finanzieren. Den Parteigenossen und Angehörigen der Nazi-Kampftruppe SA wurden die Häuschen kostenlos überlassen. Die Stadt musste die Grundstücke unentgeltlich zur Verfügung stellen. Deggim hatte die Ergebnisse ihrer Archiv-Recherche bereits vor Wochen auf einer nicht-öffentlichen AG-Sitzung vorgetragen. Dort habe es äußerst unterschiedliche Auffassungen gegeben, wie damit weiter umgegangen werden soll, so Verwaltungs-Vizechef Dirk Kraska, der die AG leitet. Deshalb habe man seitens der Verwaltung entschieden, angesichts der "neuen Erkenntnisse von einer derartigen Tragweite" jetzt den zuständigen Fachausschuss zu informieren.

Diese Info kommt nach Ansicht von CDU-Fraktionschefin Kilian-Klinge viel zu spät: Dieses Material hätte spätestens zur Ratssitzung im Dezember 2019 vorliegen müssen. "Ich bin geschockt und verärgert". zugleich. Ähnlich äußerte sich Daniela Oswald von der SPD. Der Bezug zur SA werfe ein neues Licht auf die Thematik. Sie gehe davon aus, dass der neue Sachverhalt jetzt in den Fraktionen beraten werde. Ihr Fraktionsvorsitzender Holm hatte seine Meinung zuvor per Pressemitteilung kundgetan: Was Deggim vorgelegt habe, gebe "Anlass zur Revision" des bisherigen Standpunktes. "Unsere Fraktion wird sich aufgrund der aktuellen Erkenntnisse nicht wegducken, sondern vorbehaltlos die Sachlage neu bewerten."
Dies sollte spätestens bis Januar 2021 geschehen sein. Dann will die Arbeitsgruppe wieder zusammenkommen und darüber beraten, wie es in Sachen Ostmarkstraße weitergehen soll.

Das WOCHENBLATT fragt seine Leser: Soll die Ostmarkstraße angesichts der neuen Erkenntnisse umbenannt werden? Ja oder Nein. Nehmen Sie online an der Facebook-Story-Abstimmung unter www.facebook.com/KreiszeitungWochenblatt teil. Die Abstimmung ist ab Samstag, 10. Oktober, 16 Uhr, 24 Stunden freigeschaltet. Scannen Sie dafür den QR-Code ein.

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Jörg Dammann aus Stade

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