Gefordert wird Ausgleich der Inflationslücke
Kreistag verabschiedet einstimmig Krankenhaus-Resolution
Im zweiten Anlauf hat es geklappt: Der Harburger Kreistag verabschiedete auf einer Sondersitzung am Montagnachmittag (11. November) einstimmig eine Resolution zur Krankenhausfinanzierung. In der Resolution wird ein finanzieller Ausgleich für die Defizite gefordert, die den beiden kreiseigenen Kliniken in Winsen und Buchholz als Folge der Inflation nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und aufgrund der notwendigen Tarifsteigerungen entstanden sind. Beschlüsse über eine entsprechende Resolution haben bereits zahlreiche Landkreise gefasst, in denen es Krankenhäuser in kommunaler Trägerschaft gibt. Die Resolution stand bereits am 30. September auf der Tagesordnung des Harburger Kreistages. Damals sorgten die Grünen dafür, dass das Thema vertagt wird. Sie kritisierten, dass die Abstimmung zu kurzfristig angesetzt worden sei.
Obwohl fast anderthalb Monate zwischen beiden Kreistagssitzungen liegen, wurde der aktuelle Resolutionstext erst kurz vor der aktuellen Sitzung festgeklopft. Im Ältestenrat und anschließend im Kreisausschuss einigten sich die Parteien auf einen gemeinsamen Resolutionstext. Der Entwurf der Kreisverwaltung, der auf der Mustervorlage des niedersächsischen Landkreistages (NLT) basiert, wurde dabei entschärft. Ursprünglich wurde gefordert, dass sich das Land in gleicher Höhe wie der Landkreis an den Kosten zur Deckung des strukturellen Defizits der Kliniken Buchholz und Winsen beteiligt, sollte das von Bundes-Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf den Weg gebrachte Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) weiterhin keinen Ausgleich für die Inflationslücken aus den Jahren 2022 bis 2024 vorsehen. Dieser Passus ist in der zur Abstimmung gestellten Resolution entfallen.
Der Harburger Kreistag beschloss mit den Stimmen aller anwesenden Kreistagsmitglieder folgende Resolution:
"Der Kreistag des Landkreises Harburg fordert eine ausfinanzierte und den Bedürfnissen der ländlichen Regionen gerecht werdende Reform des Krankenhauswesens in Deutschland. Die qualitativ hochwertige medizinische Versorgung in den Kliniken im Landkreis Harburg muss dauerhaft sichergestellt sein.
Mit dieser Resolution stellt sich der Kreistag hinter die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kliniken, die sich Tag für Tag zum Wohle ihrer Patientinnen und Patienten mit aller Kraft einsetzen.
Der Kreistag des Landkreises Harburg fordert von der Niedersächsischen Landesregierung im Bundesrat die Anrufung des Vermittlungsausschusses zum KHVVG, wenn ein vollständiger Ausgleich der Inflationslücke 2022-2024 durch eine Anhebung des Landesbasisfallwertes nicht erfolgt.
Sollte das KHVVG ohne einen vollständigen Tarif- und Inflationsausgleich in Kraft treten, erwartet der Landkreis Harburg im Jahr 2025 und in den Folgejahren eine Kompensation des strukturellen Defizits der Träger auch durch das Land Niedersachsen."
Millionensummen für den Defizitausgleich
Bundesweit laufen die Landkreise Sturm gegen die umstrittene Krankenhausreform von Noch-Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Viele sind Träger von Kliniken, die in vergangenen Jahren unverschuldet in die roten Zahlen gerutscht sind. Pandemie, Inflation und Tariferhöhungen führten zu einem Kostenanstieg, den die Krankenhäuser aus eigener Kraft nicht bewältigen können. Da Bund, Land und auch Krankenkassen ihrer Pflicht zur Gegenfinanzierung nicht nachgekommen sind, mussten die Landkreise in die finanzielle Bresche springen. So auch der Landkreis Harburg, der in den Jahren 2022/23 19,5 Millionen Euro als Defizitausgleich für die kreiseigenen Kliniken in Buchholz und Winsen aufgewendet hat. In diesem Jahr kommen noch einmal bis 15 Millionen Euro hinzu. Grund genug, dem Aufruf des niedersächsischen Landkreistages zu folgen und sich mit einer Protest-Resolution an die rot-grüne Landesregierung zu wenden.
Kommunale Träger müssen finanziell einspringen
In der am Montag einstimmig auf einer Sondersitzung des Kreistages im Veranstaltungszentrum Burg Seevetal verabschiedeten Resolution wird das Land u.a. aufgefordert, bei der Beratung von Lauterbachs Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) im Bundesrat am 22. November für die Anrufung des Vermittlungsausschusses zu stimmen. Denn dem Gesetzespaket fehlt nach Ansicht der Landkreise ein wichtiger Punkt: der vollständige Ausgleich der Inflationslücke für die Jahre 2022 bis 2024. Dass dieses strukturelle Defizit durch die Verweigerungshaltung von Bund und Land immer wieder durch die kommunalen Träger ausgeglichen werden muss, hält Harburgs Landrat Rainer Rempe (CDU) für ein Unding: "Dieser Zustand schränkt die finanzielle Handlungsfähigkeit der Landkreise ein".
Scharfe Kritik an Lauterbachs Reformpaket
Vor der Abstimmung über Resolution machten Vertreter der Kliniken der Kreispolitik noch einmal den Ernst der Lage deutlich und äußerten Kritik am Reformpaket. So monierte die Geschäftsführerin der für beiden kreiseigenen Krankenhäuser zuständigen Klinikgesellschaft, Dr. Franziska von Breunig, dass die Lauterbach-Reform das Fortbestehen der Schlaganfall-Einheit (Stroke Unit) in Winsen gefährde. Als Ärztin ärgere sie sich besonders über Lauterbachs Narrativ "kleine Krankenhäuser - schlechte Qualität". Von Breunig machte unmissverständlich deutlich: "Wir brauchen den Inflationsausgleich für die vergangenen drei Jahre."
Rote Zahlen trotz guten Wirtschaftens
Dr. Heiner Austrup, bis 2020 ärztlicher Direktor des Winsener Krankenhauses und danach Chefarzt in der Waldklinik Jesteburg, betonte, dass die Krankenhäuser im Landkreis Harburg bis Corona keine Defizite verzeichnet haben. Die Kliniken würden wie Wirtschaftsunternehmen agieren und dabei trotzdem zu ihrer sozialen Verantwortung gegenüber den Beschäftigten stehen. Und auch für den Gesamtbetriebsratsvorsitzenden der beiden kreiseigenen Kliniken, Markus Beecken ist klar, dass etwas verkehrt läuft, wenn diese Kliniken nun rote Zahlen schreiben - trotz vieler Jahre guten Wirtschaftens. Beecken verweist auf die hohe Belegungsquote von mehr als 80 Prozent und die hohe fachliche Kompetenz in beiden Häusern. Man habe eine verantwortungsvolle Geschäftsführung und engagierte Mitarbeiter.
Geschäftsordnung musste geändert werden
Beinahe wäre die Resolution noch an einer Formalie gescheiterte. Aus welchen Gründen auch immer, waren auf der Sondersitzung längst nicht alle Kreistagsabgeordneten anwesend. Auch die Bundestagsabgeordnete Svenja Stadler (SPD) sowie die Landtagsabgeordneten Nadja Weippert (Grüne) und André Bock (CDU) glänzten durch Abwesenheit. So fehlten letztlich 14 der 65 Kreismitglieder.
Die anwesenden 51 Abgeordneten hätten aber nicht ausgereicht, um die Resolution zu beschließen. Laut Geschäftsordnung müssen mindestens 80 Prozent der Kreistagsmitglieder dafür stimmen. Das wären 52 Abgeordnete. Als Lösung schlug Rempe vor, die Geschäftsordnung für diese Sondersitzung entsprechend zu ändern. Nach Sitzungsunterbrechung zwecks kurzer Beratung fasste der Kreistag den einstimmigen Beschluss, die Geschäftsordnung dahingehend zu ändern, dass mindestens 80 Prozent der anwesenden Kreistagsabgeordneten der Resolution zustimmen müssen. Die Resolution wurde anschließend ohne weitere Aussprache verabschiedet.
"Diese Resolution wird den Krankenhäusern als klares Zeichen der Unterstützung Rückenwind geben", so Klinik-Geschäftsführer Kai Uffelmann. Der Landkreis und die Krankenhäuser würden weiterhin für die Gesundheitsversorgung in der Region einstehen. Außer den genannten Klinik-Vertretern waren zahlreiche Beschäftigte in die Burg Seevetal gekommen, um die Sondersitzung als Zuschauer zu verfolgen.
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.