Küstenschutz: Experten und Politiker fordern mehr Geld und Personal
Höhere Deiche an der Elbe: Eine "Mammutaufgabe" für Jahrzehnte

In den kommenden Jahren wird es wohl häufiger - wie hier auf Stadersand - "Land unter" heißen. Um das Hinterland zu schützen, müssen die Deiche erhöht werden | Foto: jab
  • In den kommenden Jahren wird es wohl häufiger - wie hier auf Stadersand - "Land unter" heißen. Um das Hinterland zu schützen, müssen die Deiche erhöht werden
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jd. Stade. Es ist an der Küste das wichtigste Projekt dieses Jahrhunderts: Die Deiche müssen erhöht werden, um die Menschen auch in Zukunft vor den immer höher steigenden Sturmfluten zu schützen. Die Politik befasst sich gemeinsam mit den Experten seit Jahren mit diesem Thema - auch in der Region. Jetzt tagte auf Einladung von Stades Landrat Michael Roesberg die 3. Küstenschutzkonferenz, Corona-bedingt diesmal per Videokonferenz.

Roesberg bezeichnet den Küstenschutz, in erster Linie geht es vor Ort um die Erhöhung der Elbdeiche, als eine "Mammutaufgabe". Diese Aufgabe sei in den kommenden Jahrzehnten nur im engen Schulterschluss von Bund, Land Niedersachsen, Landkreisen und Deichverbänden zu bewältigen. "Dazu bedarf es dringend einer weitaus besseren finanziellen und personellen Ausstattung", so der Landrat.

Allein die geschätzten Kosten für die auf etwa 30 Jahre angelegten Maßnahmen machen deutlich, um welche Dimensionen es geht: Im Landkreis Stade ist die Hauptdeichlinie entlang der Elbe 76 Kilometer lang. Um die Elbdeiche im Schnitt um rund einen Meter zu erhöhen - auf einigen Deichabschnitten sind es sogar bis zu zwei Meter -, müssen 200 Millionen Euro aufgebracht werden. Die gleiche Summe ist noch einmal für den Ausbau der Sperrwerke an den Mündungen der Nebenflüsse erforderlich. Zum Vergleich: Derzeit stehen für Küstenschutzmaßnahmen in ganz Niedersachsen jährlich lediglich 61 Millionen Euro zur Verfügung.

Sturmfluten bedrohen halbe Million Menschen

Roesberg hob auf der Konferenz noch einmal hervor, dass Küstenschutz in Niedersachsen eben nicht nur die Nordseeküste betreffe. Auch auf die Flussmündungen - in diesem Fall die Elbe - müsse der Fokus gerichtet werden. "Im Landkreis Stade leben und arbeiten 100.000 Menschen im Schutz der Elbdeiche", so der Landrat. Die Erhöhung der Deiche sei vor dem Hintergrund des Klimawandels und dem damit verbundenen Anstieg des Meeresspiegels von existenzieller Bedeutung für die Bewohner der Region zwischen Oste und Este.

In diesem Zusammenhang begrüßt Roesberg, dass das Land den sogenannten Klimaschutz-Zuschlag bei der Deichhöhe jetzt noch einmal verdoppelt hat - von bisher 50 Zentimeter auf einen Meter. Jetzt dürfe man sich aber auch nicht scheuen, angesichts der neuen Vorgaben auch zeitnah die sogenannte Bestickhöhe anzupassen. Mit der Bestickhöhe ist die sturmflutsichere Höhe der Deiche gemeint - bezogen auf eine Sturmflut, wie sie einmal in 100 Jahren vorkommt. Diese Höhe muss zwingend vom Land für jeden einzelnen Deichabschnitt amtlich festgelegt werden.

In Sachen Deicherhöhung spielt dabei der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) eine zentrale Rolle. Auf der Konferenz wurde noch einmal deutlich, dass der NLWKN zwar über hervorragende Fachleute verfügt, die Personaldecke angesichts der immer aufwändigeren Planungs-, Genehmigungs- und Ausschreibungsverfahren für die Deichbauten aber viel zu dünn ist. Die Konferenzteilnehmer fordern vom Land, mehr Personal einzustellen. Sie sind sich aber auch darüber im Klaren, dass dies aufgrund des Fachkräftemangels nicht einfach sein wird.

"Das Land muss handeln"

In ihrem Fachvortrag gingen Heiko Warnecke und Thilmann Heinrich von der NLWKN-Betriebsstelle Lüneburg auf die planerischen Herausforderungen beim Deichbau ein. Diese würden nicht zuletzt durch strengere Naturschutzvorgaben, aber auch durch das komplexe EU-Vergaberecht immer größer. Vom Beginn der Planungen bis zur Umsetzung einer Deichbaumaßnahme gingen so mehrere Jahre ins Land.

Doch trotz all dieser Widrigkeiten dürfe das Jahrhundertprojekt Deicherhöhung nicht in ein langsameres Fahrwasser geraten, so Roesberg in seinem Schlusswort. Es sei weiter erforderlich, dass die Beteiligten und Betroffenen vor Ort die Unterstützung durch die Landespolitik einfordern: "Wir müssen die Antreiber bleiben."

Neue Ideen zur Kleigewinnung

Zwei weitere Online-Vorträge befassten sich mit konkreten Vorhaben im Bereich des Alten Landes und des Deichverbandes Kehdingen-Oste. Dabei wurde deutlich, welche gewaltigen Materialmengen in den kommenden Jahren für den Deichbau bewegt werden müssen.
Außerdem präsentierte Wilhelm Ulferts, Oberdeichrichter der Zweiten Meile Alten Landes, eine Idee zur alternativen Gewinnung der für den Deichbau zwingend erforderlichen Kleieerde.

• Über die einzelnen Maßnahmen sowie über die Überlegungen Ulferts berichtet das WOCHENBLATT in einer der kommenden Ausgaben.

Redakteur:

Jörg Dammann aus Stade

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