Der SPD-Europaabgeordnete Tiemo Wölken
"'Ich wähle von der Leyen nicht"
tk. Landkreis. Er sei gleichermaßen "frustriert und wütend", sagt Tiemo Wölken, SPD-Europaabgeordneter. Der Ex-Buxtehuder ärgert sich darüber, dass Europa in Sachen demokratischer Strukturen "einen Satz zurück gemacht hat". Damit meint er vor allem - aber nicht nur - die Überraschungs-Kandidatin für den Vorsitz der EU-Kommission Ursula von der Leyen. "Zurück zur Hinterzimmer-Politik", nennt Wölken das, was die europäischen Staats- und Regierungschefs, also der Rat, ausgeklüngelt haben. Was ihn dabei besonders ärgert: Das gleich alle wichtigen EU-Posten, den des Parlamentspräsidenten eingeschlossen, als ein Vorschlag aus einem Guss präsentiert worden seien.
Hintergrund: Weil sich die EU-Staaten partout nicht auf einen neuen Kommissionschef als Nachfolger einigen konnten - und in Folge auch alle anderen wichtigen Positionen ohne Personalvorschläge blieben - tauchte am Mittwoch Deutschlands Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) als Überraschungskandidatin auf. Eigentlich, das war eine Forderung des EU-Parlaments schon während des Wahlkampfs, sollte der neue Kommissionschef vorher Spitzenkandidat einer der Parteien gewesen sein. Das waren nur der deutsche CSU-Politiker Manfred Weber (CDU) und Frans Timmermanns, niederländischer Politiker aus der Partei der Arbeit (PvdA) und aktuell Vizepräsident der EU-Kommission.
Als Abgeordneter in Straßburg muss sich Tiemo Wölken allerdings auch die Frage gefallen lassen, warum das Parlament angesichts der sich abzeichnenden Uneinigkeit über die Spitzenposten nicht selbst ein Zeichen der Stärke gesetzt hat. Diese Kritik, das räumt Wölken ein, müssen sich die Politiker auch anhören. Es sei daher wichtig, dass jetzt feste Strukturen geschaffen werden, wie die Spitzenposten künftig besetzt werden sollen. Im Parlament gebe es sogar Überlegungen, dass der Kommissionspräsident direkt von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt werden sollte. "Wir müssen die Situation jetzt als Chance begreifen", sagt Wölken.
Wenn Tiemo Wölken mit Abgeordneten aus anderen Ländern und anderen Fraktionen spricht, bemerkt er derzeit durchaus "Frust". "Es wird sehr viel kaputt gemacht", meint er. Ob Ursula von der Leyen, das Parlament soll sie in knapp zwei Wochen bestätigen, überhaupt eine Chance hat, vermag er nicht zu sagen. Tiemo Wölken ist skeptisch. "Ich werde sie nicht wählen", sagt er. In seiner Fraktion würde derzeit eine Mehrheit so denken. Auch in der größten Fraktion im EU-Parlament, der EVP, zu der die CDU- und CSU-Abgeordneten aus Deutschland gehören, gebe es einige, die die deutsche Verteidigungsministerin ablehnen. Zu groß sei die Enttäuschung darüber, dass der EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber sang- und klanglos unterging. Er soll mutmaßlich für zweieinhalb Jahre Präsident des Europaparlaments werden. Tiemo Wölken ist auf jeden Fall gespannt, was die kommenden zwei Wochen in Straßburg und Brüssel bringen. Da haben sich die EU-Fans in Deutschland (und anderen Ländern) über eine überraschend hohe Wahlbeteiligung gefreut und darüber, dass Europa nicht von rechten Populisten eingenommen wurde. Und was tun die europäischen Regierungschefs? In Hinterzimmer-Manier werden die Chefposten verteilt. Dabei wäre nicht einmal Einstimmigkeit im Rat notwendig, um einen Kandidaten oder eine Kandidatin als Vorschlag fürs Kommissions-Präsidentenamt zu präsentieren. Weil aber niemand düpiert werden soll, wird solange gekungelt, bis er irgendwie passen könnte. Da wundern sich Merkel, Macron und Co. noch darüber, dass Europa so viel Skepsis entgegenschlägt. Das ist Wasser auf die Mühlen der Populisten, die Europa und seine Institutionen abschaffen wollen. Tom Kreib Wasser auf die Mühlen der Populisten
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