Platz drei bei den Asylsuchenden
Immer mehr Asylbewerber aus Kolumbien
Syrien, Irak, Afghanistan: Das waren in den vergangenen Jahren die drei Hauptherkunftsländer der in den Landkreisen Stade und Harburg untergebrachten Flüchtlinge - ohne Berücksichtigung der Ukraine, für die die EU-Massenfluchtrichtlinie gilt. Das "Ranking" dieser drei Staaten dürfte niemanden verwundern. Überraschender dürfte sein, welches Land danach folgt. Es handelt sich weder um ein weiteres Land im Nahen Osten noch um einen der Westbalkan-Staaten, sondern um Kolumbien.
Das südamerikanische Land stand in der Flüchtlingsstatistik des Landkreises Stade für die Jahre 2019 bis 2021 auf Platz vier und kletterte im Vorjahr sogar auf den dritten Platz: Von den 555 Asylsuchenden, die der Landkreis Stade 2022 aufnahm, stammten 154 aus Syrien, 108 aus Afghanistan und 73 aus Kolumbien. In den Landkreis Harburg kamen 2022 insgesamt 84 Asylsuchende aus Kolumbien, was Rang vier bedeutet. Im Jahr 2020 stellten die Kolumbianer sogar den höchsten Anteil an neu registrierten Asylbewerbern im Landkreis Harburg.
Nur vier Geflüchteten wurde Recht auf Asyl gewährt
Doch die Chancen dieser Geflüchteten aus Südamerika, in Deutschland als Asylberechtigte anerkannt zu werden, sind minimal. "Die Asylverfahren werden fast alle negativ beschieden. Auch die dann anhängenden Klageverfahren verlaufen negativ", erklärt der Pressesprecher des Landkreises Stade, Daniel Beneke, auf WOCHENBLATT-Nachfrage. Allen abgelehnten Asylbewerbern werde eine Rückkehrberatung durch die AWO angeboten. Ein Blick auf die bundesweiten Zahlen stützt Benekes Aussage: In den vergangenen sechs Jahren wurde von mehreren Tausend Antragstellern aus Kolumbien lediglich vier Flüchtlingen das Recht auf Asyl gewährt.
Aber warum wollen die Kolumbianer überhaupt ihr Land verlassen? Geht es wie so oft um die klassische Erzählung vom Elend in der Heimat und von der Hoffnung auf ein besseres Leben im "reichen" Deutschland? In Bezug auf Kolumbien gehen die sogenannten Entscheider des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) - das sind die für die Prüfung der Anträge zuständigen Sachbearbeiter - davon aus, dass es sich bei Kolumbien um ein sicheres Land handelt, in dem demokratische Verhältnisse herrschen.
"Das Bundesamt beobachtet und analysiert die Situation in den Herkunftsländern der Asylsuchenden laufend und anhand vielfältiger Quellen", erklärt ein BAMF-Sprecher gegenüber dem WOCHENBLATT. Dazu werte man alle relevanten Informationen über die Verfolgungssituation in den jeweiligen Ländern aus. Es sei sichergestellt, dass die Entscheider stets über die aktuelle Situation in einem Herkunftsland wie Kolumbien informiert sind.
Organisationen wie Pro Asyl wiederum beurteilen die Sicherheitslage in Kolumbien wesentlich kritischer. Ganz offensichtlich haben das BAMF und die Flüchtlingsinitiativen recht unterschiedliche Sichtweisen, was die Situation in Kolumbien anbelangt - so wie bei vielen anderen Ländern.
Deutschland unterbreitet Flüchtlingen aus Kolumbien Rückkehrangebote: Wer freiwillig zurückkehrt, bekommt die Reisekosten bezahlt und erhält eine einmalige finanzielle Starthilfe im Rahmen eines Reintegrationsprogramms.
Wirtschaftlich schwierige Lage
Kolumbien kam 2016 nach dem Friedensschluss zwischen der Regierung und einer Guerillaarmee innenpolitisch ein wenig zur Ruhe. Dennoch gibt es in vielen Provinzen immer wieder bewaffnete Konflikte. Laut UNO-Flüchtlingshilfe zählt der südamerikanische Staat zu den Ländern mit den meisten Binnenvertriebenen weltweit.
Die wirtschaftliche Krise in Kolumbien - viele Menschen sind ohne Arbeit und damit ohne Zukunftsperspektive - wird dadurch verstärkt, dass das Land mehr als zwei Millionen Flüchtlinge aus dem Nachbarland Venezuela aufgenommen hat.
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