Riesen-Defizit im neuen Haushalt
Interview mit dem Landrat: Landkreis Stade in Finanznot?
Der Haushaltsentwurf des Landkreises Stade für das Jahr 2025 weist ein Rekord-Defizit von 44 Millionen Euro auf. Dem Landkreis stehen finanziell schwierige Zeiten bevor. Landrat Kai Seefried (CDU) bezeichnet die angespannte Finanzsituation als "eine in der jüngeren Geschichte des Landkreises einmalig schlechte Entwicklung". Doch was ist jetzt zu tun? Und gibt es Auswege aus der Krise? Darüber sprach WOCHENBLATT-Redaktionsleiter Jörg Dammann mit dem Landrat.
WOCHENBLATT:Herr Landrat, Sie sprachen bei der Einbringung des Haushalts von einer Situation, die so schwierig sei wie seit vielen Jahren nicht mehr. Droht dem Landkreis im kommenden Jahr die Handlungsunfähigkeit?
Kai Seefried: Nein, glücklicherweise nicht. Wir bleiben handlungsfähig. Wir investieren etwa weiter in unsere Elbe Kliniken: Bis 2032 werden durch das Land und den Landkreis rund 300 Millionen Euro in Um- und Neubauten gesteckt. Alleine im kommenden Jahr stellen wir als Landkreis 15 Millionen Euro für Baumaßnahmen zur Verfügung. Das ist ein wichtiges Zeichen für die Zukunftsfähigkeit und für die Bedeutung der Kliniken als der Gesundheitsversorger zwischen Elbe und Weser. Um dem Sanierungsstau bei den Kreisstraßen zu begegnen, stehen 13 Millionen Euro bereit. Außerdem planen wir den Baubeginn der neuen Rettungswache in Stade-Wiepenkathen, hier rechnen wir mit Gesamtkosten von rund 15 Millionen Euro.
WOCHENBLATT: Welche Auswirkungen hat denn die finanzielle Situation?
Kai Seefried: Wir werden uns sehr genau anschauen müssen, ob wir noch zusätzliche Aufgaben übernehmen können. Lassen Sie es mich ganz deutlich sagen: Bei einem Volumen von 490 Millionen Euro kalkulieren wir mit einem Defizit von 44 Millionen Euro. Deshalb müssen wir die Kreisumlage im kommenden Jahr auf 48 Prozentpunkte erhöhen – und das im vollen Bewusstsein darüber, dass auch viele Städte und Gemeinden keine ausgeglichenen Haushalte mehr aufstellen können. Unterm Strich wird es 2025 keine zusätzlichen Stellen in der Kreisverwaltung geben. Durch Umstrukturierungen im Stellenplan sollen einzelne Arbeitsbereiche trotzdem personell verstärkt werden. Denn wir spüren, dass die Arbeitsbelastung immer weiter zunimmt.
WOCHENBLATT:Ganz konkret: Welche Positionen sind die größten Kostentreiber?
Kai Seefried: Das sind leider Bereiche, auf die wir als Landkreis keinen Einfluss haben. Der Gesamtaufwand im Bereich Jugend und Familie steigt um 16,6 Millionen Euro auf rund 87 Millionen Euro. Beim Landkreis Stade verbleiben davon Kosten in Höhe von rund 72 Millionen Euro, im Vergleich zum Vorjahr ist das eine Steigerung um 20 Millionen Euro. 2012 lagen die Ausgaben noch bei knapp 26 Millionen Euro, das entspricht einer Steigerung binnen zehn Jahren um fast 280 Prozent. Im Bereich Soziales und Teilhabe steigen die Ausgaben im Vergleich zum Vorjahr um 15 Millionen Euro auf fast 200 Millionen Euro. Rund 19,5 Millionen Euro fließen in die Schülerbeförderung und den Öffentlichen Personennahverkehr – doppelt so viel wie noch vor fünf Jahren.
WOCHENBLATT: Wenn nicht der Kreistag oder der Landrat auf diese Positionen Einfluss nehmen können, wo müssen dann die Weichen neu gestellt werden?
Kai Seefried: Der Blick geht hier ganz klar nach Hannover und Berlin. Denn unser Defizit wird verursacht durch Aufgaben, die von Bund und Land immer mehr auf die kommunale Ebene abgewälzt werden und die uns inzwischen über die Leistungs- und Belastungsgrenze hinausbringen. Die kommunale Ebene steht dieser Entwicklung nahezu machtlos gegenüber. Lassen Sie mich das an einem weiteren Beispiel festmachen: Auch 2025 sind im Kreishaushalt zehn Millionen Euro als Liquiditätshilfe für die Elbe Kliniken eingeplant, in den Jahren 2023/2024 flossen schon einmal 15 Millionen Euro aus dem Kreishaushalt in die Kliniken. Alleine in Niedersachsen haben die Kommunen 2023 rund 600 Millionen Euro in den laufenden Betrieb der Krankenhäuser gesteckt. Dabei ist völlig unstrittig, dass der Bund für eine auskömmliche Finanzierung des Klinikbetriebs zu sorgen hat – und nicht die kommunale Ebene.
WOCHENBLATT:Insbesondere aus den Reihen der Freien Wählergemeinschaft kommt immer wieder die Forderung nach einem strengen Sparkurs. Müssen die Museen oder die Kreisjugendmusikschule Angst um ihre Zukunft haben?
Kai Seefried: Aus meiner Sicht: auf gar keinen Fall. Ob Kultur oder Sportförderung – mit vergleichsweise kleinen Beträgen können wir hier viel bewirken, was unsere Region so lebens- und liebenswert macht und am Ende auch zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beiträgt. Unsere Kultureinrichtungen stehen für mich nicht zur Disposition. Denn eines ist klar: Selbst wenn wir diese freiwilligen Leistungen eindampfen würden, könnten wir das Haushaltsloch nicht schließen. Das wäre nur Aktionismus, der einen gewaltigen Schaden anrichten würde.
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